Liebeskummer – Warum er sich anfühlt wie ein Trauma
Wir alle kennen ihn – den Herzschmerz, der uns nach einer Trennung den Boden unter den Füßen wegzieht. Liebeskummer wird oft bagatellisiert, obwohl er eine starke seelische Belastung darstellt, die uns regelrecht aus der Bahn werfen kann.
Wenn Du gerade unter Liebeskummer leidest, Dich verzweifelt, kraft- und orientierungslos fühlst, wird Dir der folgende Beitrag helfen. Du findest heraus, warum sich der Trennungsschmerz wie ein Trauma anfühlt und wieso er auch eine Chance zur Traumaheilung darstellt. Nach dem Lesen wirst Du mehr Verständnis für Deinen aktuellen Zustand haben und Zuversicht dafür entwickeln, dass Du den Liebeskummer gesund und nachhaltig verarbeiten kannst.
Wann entsteht Liebeskummer?
Liebeskummer bezeichnet die emotionale Reaktion auf eine verloren gegangene partnerschaftliche Liebe. Er entsteht durch die physische Trennung von dem Menschen, zu dem oder der Du eine Bindung aufgebaut hast. Häufig wird davon ausgegangen, dass der Beziehungsteil, von dem die Trennung ausgegangen ist, stärker unter dem Verlust leidet. Das muss jedoch nicht immer zutreffen und ist abhängig vom Trennungsgrund.
Egal in welcher Position Du Dich befindest, Du hast einen nahestehenden Menschen verloren, mit dem Du gemeinsame Erfahrungen, Erinnerungen und Zukunftspläne geteilt hast. Es ist ganz natürlich, dass diese Veränderung Gefühlsreaktionen in Dir auslöst, die von Deinem Nervensystem verarbeitet werden wollen.
Wie äußert sich Liebeskummer?
Die Merkmale von Liebeskummer ähneln häufig den Symptomen von Trauma. Denn wenn der wichtigste Bezugspunkt in Deinem Leben plötzlich nicht mehr da ist, kann der Schmerz darüber wie eine existenzielle Bedrohung wirken.
Neben Trauerreaktionen in Form von sozialem Rückzug und weinen leidest Du vielleicht vermehrt unter Ängsten. Du fängst an, an Dir selbst zu zweifeln, fühlst Dich allein, klein und wertlos. Deine Gedanken überschlagen sich und sind in Negativspiralen gefangen. Deine tiefe Traurigkeit überträgt sich auf Deinen Körper. Du fühlst Dich schlapp, hast Schmerzen und bist in Deinem Ess- und Schlafverhalten beeinträchtigt. Im schlimmsten Fall kann sich dieser Zustand sogar zu einer Depression entwickeln.
Viele Menschen greifen zu Alkohol, Medikamenten oder Drogen, um sich Erleichterung zu verschaffen. Eine Lösung ist das jedoch nicht. Im Gegenteil, auf diese Weise schaden wir unserem Körper und verschlechtern auch unseren mentalen Zustand langfristig betrachtet noch mehr.
Fühlt sich Liebeskummer für jeden gleich an?
Wie bereits erwähnt sind Trennungen immer mit schmerzlichen Gefühlen verbunden und doch fühlt sich Liebeskummer nicht für jeden gleich an. Bestimmte Faktoren beeinflussen unseren individuellen Umgang mit Liebeskummer. So spielen unser Hormonhaushalt, unsere persönliche Resilienz und psychische Vorbelastungen eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung von Trennungsschmerz.
Hormone
In einer Beziehung produziert unser Körper das sogenannte Bindungshormon Oxytocin. Auch Kuschelhormon genannt, stärkt es in uns das Gefühl von Vertrauen und Bindung und reduziert Stress. Nach einer Trennung nimmt die Oxytocinproduktion ab. Die Folgen können innere Unruhe auf der einen und Antriebslosigkeit auf der anderen Seite sein. Wir fühlen uns dann wie auf einem schmerzhaften Drogenentzug. Dieser Zustand scheint manchmal so unerträglich, dass wir unseren Partner mit allen Mitteln zurückgewinnen wollen, selbst dann, wenn wir die Trennung selbst veranlasst haben.
Persönliche Resilienz
Wie wir auf eine Trennung reagieren, hängt auch von unserer persönlichen Resilienz oder Anpassungsfähigkeit ab. Welche Eigenschaften es sind, die für eine gute Resilienz sprechen, verraten uns die sieben Säulen der Resilienz, welche hier nur kurz erwähnt und nicht genauer beschrieben werden:
- Akzeptanz
- Optimismus
- Lösungsorientierung
- Opferrolle verlassen
- Verantwortung übernehmen
- Netzwerke aufbauen
- Zukunft planen
Wie stark diese Säulen jeweils in uns ausgeprägt sind, ist abhängig von unseren Lebenserfahrungen, familiären Verhältnissen und sozialen Prägungen.
Selbstverständlich sind resiliente Menschen auch nicht frei von Liebeskummer. Auch sie trauern um ihren Verlust und sind zeitweise niedergeschlagen, verzweifelt oder orientierungslos. Die Fähigkeit zur Selbsthilfe ist bei ihnen jedoch stärker ausgeprägt als bei weniger resilienten Menschen, sodass sie schneller über einen Verlust hinwegkommen.
Psychische Vorbelastungen (Trauma-Biografie)
In keinem Lebensbereich werden wir so stark mit unseren psychischen Vorbelastungen in Form von Traumata konfrontiert wie in unseren Liebesbeziehungen.
Haben wir bereits in frühen Jahren traumatische Erfahrungen gemacht, die mit Todesangst verbunden waren, kommen wir spätestens bei einer Trennung damit in Berührung.
Aus der Bindungstheorie wissen wir, dass Babys und kleine Kinder ohne psychische und physische Nähe zu anderen nicht überleben können. Das wir heute am Leben sind bedeutet aber nicht, dass bei uns diese elementaren Bedürfnisse jederzeit gestillt wurden. Sind wir beispielsweise von einem Elternteil abgelehnt wurden oder hat man uns schreien lassen, war das für unsere Existenz tatsächlich lebensbedrohlich. Auch wenn wir keine bewussten Erinnerungen mehr daran haben, leiden wir durch derartige Erfahrungen an den Folgen von Bindungs- und/oder Entwicklungstraumata.
Mussten wir im Laufe unseres Lebens mit dem Verlust eines nahestehenden Menschen durch Tot, Trennung oder Scheidung umgehen und konnten diesen nicht ausreichend verarbeiten, haben wir mit großer Wahrscheinlichkeit ein Verlusttrauma erlitten. Wenn Gewalt und Missbrauch unser Leben geprägt haben, sind weitere unverarbeitete Traumatisierungen sehr wahrscheinlich.
Kann Liebeskummer zu einer (Re-) Traumatisierung führen?
Auch wenn eine Trennung als ein überwältigendes Ereignis wahrgenommen werden kann, das den Anschein macht, es nicht überleben zu können, kann hier nicht von einer Retraumatisierung gesprochen werden. Was traumatisierend erscheint, ist in Wahrheit „nur“ ein Trigger.
Durch die Trennung von unserem Geliebten oder unserer Geliebten trifft der Herzschmerz auf unsere unverarbeiteten Kindheitstraumata und ruft diese wieder wach. Dies erklärt auch, warum wir uns in einem Trennungsprozess häufig wie ein kleines Kind fühlen: einsam, allein und unfähig zu überleben.
Eine Re-traumatisierung würde bedeuten, dass wir erneut einer Situation ausgesetzt sind, die der damaligen gleicht. Rein objektiv betrachtet ist das jetzt, wo wir erwachsen sind, nicht mehr der Fall. Auch wenn wir allein sind, ist jetzt unser Leben davon nicht mehr bedroht. Im Vergleich zu damals sind wir im Hier und Jetzt handlungsfähig und in der Lage, all die schmerzlichen Gefühle liebevoll anzunehmen. Wir werden den Liebeskummer überleben und so aus dem alten Modus er-wachsen.
Phasen von Liebeskummer
Um Deine Gefühle oder das Gefühlschaos, das Du gerade erlebst, besser einordnen zu können, ist es hilfreich, Dir die vier Phasen von Liebeskummer bewusst zu machen. Sie verdeutlichen Dir, dass Dein aktueller Zustand normal ist und auch wieder vorübergehen wird.
1. Nicht-wahrhaben-wollen-Phase
Diese Phase wird maßgeblich durch unseren Hormonhaushalt herbeigeführt. Wie bereits erwähnt, nimmt nach einer Trennung die Bildung des Bindungshormons Oxytocin ab. Wir fühlen uns dadurch wie auf einem Drogenentzug. Letztendlich sind wir auch Entzug, nämlich von dem bisher geliebten Menschen. Die Trennung in dieser Phase anzuzweifeln, auch wenn sie von uns selbst ausgegangen ist, ist eine typische Begleiterscheinung. Auch das Leugnen der Trennung als Verlassene oder Verlassener ist typisch. Wir wollen nicht wahrhaben, dass die Beziehung vorbei ist und hoffen, dass für alles noch eine Lösung gefunden werden kann.
2. Phase von Akzeptanz und Trauer
Dass die Trennung real ist, begreifen wir in der zweiten Phase. Wir beginnen jetzt um unseren Verlust zu trauern und haben Liebeskummer. Damit wir unsere Trennung wirklich gut verarbeiten, ist es sehr wichtig, all unseren Gefühle Raum zu geben.
Häufig entwickeln wir in dieser Phase auch Groll oder sogar Rachefantasien, weil wir uns ungerecht behandelt fühlen. Dahinter verbirgt sich meist Wut, die auch gefühlt werden will, ohne dass wir sie an uns selbst oder dem Ex-Partner ausagieren.
3. Phase der Selbstreflexion
In der dritten Phase der Selbstreflexion beginnen wir die Trennung weniger emotional zu betrachten. Wir erkennen, welche Gründe zum Scheitern der Beziehung geführt haben und sind in der Lage, unseren eigenen Anteil daran zu sehen. Es kann durchaus sein, dass wir noch immer traurig über den Verlust sind, aber wir öffnen uns jetzt auch der Möglichkeit, dass unser Leben von nun an ohne den Ex-Partner weitergeht. Vielleicht sind wir sogar in der Lage anzuerkennen, dass die Trennung ein wichtiger Schritt für unsere eigene Entwicklung war.
4. Phase der Neuorientierung
Abschließend kommt es zur Phase der Neuorientierung, in der wir unser Leben wieder selbst in die Hand nehmen. Diese Phase erkennen wir durch unsere zunehmende Neugier auf das Leben und die Offenheit für Neues. Wir stecken uns neue Ziele und widmen uns endlich wieder den Dingen, die uns Freude bereiten (z. B.: Sport, Kunst, Wandern, Tanzen etc). Die Trennung ist verarbeitet und wir fühlen uns emotional wieder stabil.
Bis es zur Phase der Neuorientierung kommt, ist es möglich, dass wir zwischen den drei vorherigen Phasen hin und her pendeln. Das ist Teil des Verarbeitungsprozesses und ganz normal. Wir sollten uns also nicht unter Druck setzen, egal wie lang es insgesamt dauert.
6 Tipps zum Verarbeiten von Liebeskummer
Wie bereits erwähnt bist Du Deinem Trennungsschmerz nicht schutzlos ausgeliefert. Als erwachsener Mensch bist Du handlungsfähig und kannst Dir bei der Verarbeitung Deines Liebeskummers Hilfe suchen. Vielleicht gelingt es Dir sogar, die Trennung als Chance zu betrachten, um Deine alten Traumawunden zu heilen. Die folgenden Tipps sollen Dich bei der Verarbeitung Deiner Trennung unterstützen und Dir helfen, in einen Zustand von Stabilität und Sicherheit zurückzufinden.
Bleib Abstinent!
Mach Dir bewusst, dass Du Dich nach einer Trennung auf einem hormonellen Entzug befindest. Wenn Du immer wieder Kontakt zum Ex-Partner suchst, wirst Du nicht von der „Sucht“ loskommen und verlängerst Deinen Leidenszustand. Vermeide persönliche Begegnungen und andere Arten der Kontaktaufnahme (Anrufe, SMS, Nachrichten auf sozialen Medien), so gut es geht. Versuche bewusst Deine Gedanken von ihm oder ihr abzulenken, ohne Dir selbst dabei zu schaden. Statt in Erinnerungen zu schwelgen oder darüber nachzugrübeln, was falsch gelaufen ist, lenke Deine Aufmerksamkeit immer wieder in die Gegenwart.
Nimm Unterstützung an
Es ist normal, wenn Du Dich nach einer Trennung eine Zeit lang zurückziehen willst. Irgendwann solltest Du aber wieder aus Deinem Schneckenhaus herauskommen und die Unterstützung von Freunden, Bekannten und der Familie annehmen. Auch andere soziale Kontakte (Arbeitskollegen, Selbsthilfe-, Fitnessgruppen) können Dir dabei helfen zu begreifen, dass Du nicht allein bist und Dein Leben auch ohne Deinen Partner oder Deine Partnerin einen Sinn hat.
Erlaube Deine Gefühle
Auch wenn die Trennungsgefühle sehr schmerzhaft sind, ist Verdrängung keine Lösung. Statt Dich abzulenken oder direkt in eine neue Liebschaft zu stürzen, solltest Du versuchen, Deine Gefühle zuzulassen und zu fühlen. Trauer und Wut sind wichtig, um über Deinen Verlust hinwegzukommen. Versuche herauszufinden, welche Geschenke diese Gefühle für Dich bereithalten. Verbirgt sich hinter der Trauer womöglich Selbstliebe? Und schenkt Dir die Wut vielleicht innere Klarheit und Stärke?
Finde zu Deinem inneren Kind
Wir alle tragen ein verletztes Kind in uns, dass unter den unverarbeiteten Traumawunden leidet, die jetzt wach gerufen wurden. Indem Du Dich diesem Kind-Anteil in Dir zuwendest, heilst Du nicht nur Deinen Liebeskummer, sondern auch Deine Traumata. Wie Du den Zugang zu Deinem inneren Kind findest und es heilen kannst, erfährst Du in folgendem Beitrag:
Dein inneres Kind
Die wichtigste Beziehung in Deinem Leben!
Fokussiere Dich auf Kraftquellen und Positives
Fokussiere Dich auf die positiven Dinge in Deinem Leben und alles, wofür Du dankbar bist. Finde Deine persönlichen Kraftquellen und schöpfe so oft es geht aus ihnen. Yoga, Meditation oder Atemübungen können genauso hilfreich sein wie Naturerfahrungen, Sport oder Kreatives (Basteln, Malen, Singen). Was hat Dir in der Vergangenheit immer gutgetan? Zögere nicht und tu es wieder, solange es Dir und anderen nicht schadet.
Such Dir therapeutische Unterstützung
Um Hilfe zu bitten, wenn Du Dich von schmerzlichen Gefühlen überwältigt fühlst, kennzeichnet ein liebevolles und verantwortungsbewusstes Verhalten Dir selbst gegenüber. Scheue Dich also nicht davor, Dir Hilfe zu suchen, sei es bei einem Therapeuten, einer Selbsthilfegruppe oder im Rahmen eines Coachings. Gerade jetzt gibt es auch online sehr viele Angebote.
Bitte setze Dich auch bei der Umsetzung dieser Tipps nicht unter Druck. Räume dem Prozess die Zeit ein, die er nun mal braucht. Egal ob es Wochen, Monate oder sogar Jahre sind. Wenn Du gut für Dich sorgst und Dir die Tipps zu Herzen nimmst, wird es aber sicher keine Jahre dauern, um über den Verlust hinwegzukommen. Indem Du Dir Zeit lässt, stellst Du außerdem sicher, dass Du die Trennung wirklich verarbeitest und keine Altlasten in eine neue Beziehung überträgst.
Sei Dir gewiss, dass Du am Ende geheilt und gestärkt aus dieser Phase Deines Lebens herauskommen wirst. Zweifellos folgt nach jedem Regen auch wieder Sonnenschein.
Wie bist Du nach Deiner letzten Trennung mit dem Herzschmerz umgegangen? Weißt Du noch, was Dir am meisten geholfen hat? Teile Deine Erfahrungen gerne in einem Kommentar, damit andere wissen, dass sie damit nicht allein sind. Teile diesen Beitrag bitte auch mit Menschen, die gerade unter Liebeskummer leiden. Herzlichen Dank! ♥