Über mich

Es war der Herbst vor meinem neunten Geburtstag, als Dunkelheit in meinem Leben überhandnahm. Irgendetwas quälte meine Kinderseele, aber ich konnte es nicht mitteilen und drückte es in heftigen Wutanfällen aus. Meine Eltern reagierten wenig liebevoll und maßlos überfordert. Statt mit mir zu sprechen und mich zu begleiten, ließen sie mich in eine Klinik einweisen. Das war für mich als kleines Mädchen der reinste Albtraum. Ich fühlte mich schrecklich hilflos und allein mit meiner Angst und Verzweiflung.

Als ich nach einiger Zeit wieder zu Hause war, war nichts mehr wie vorher. Ich versuchte mit den Geschehnissen der Vergangenheit abzuschließen, fühlte mich jedoch schuldig, weil ich glaubte, in meiner Familie etwas kaputt gemacht zu haben. Außerdem schämte ich mich, weil ich annahm, dass mich alle für verrückt hielten. Irgendwann glaubte ich das sogar selbst.

In meinem Bestreben, normal weiterzuleben und mit all den Belastungen zurechtzukommen, fing ich an, mich mit Partys, Drogen und Alkohol abzulenken. Weil ich es trotzdem immer irgendwie geschafft habe zu funktionieren, wusste niemand etwas von den inneren Qualen, die ich tief in mir vergraben hatte. Aber die düstere Ahnung, dass es eine Ursache für meine damaligen „Verhaltensauffälligkeiten“ gegeben haben musste, ließ mich niemals los.

Mithilfe einer zweijährigen Verhaltenstherapie und einer Yogalehrerausbildung kam ich Schritt für Schritt wieder vermehrt in Kontakt mit mir selbst und meinen Gefühlen. Im Alter von 35 Jahren kam dann nach einem Meditationskurs alles wieder hoch. Wochenlang begleitete mich eine anhaltende körperliche Anspannung. Ich fühlte mich wie unter Schock. Gefühle von Angst, Ablehnung und Minderwertigkeit begleiteten diesen Zustand. Die Auswirkungen meiner Kindheitstraumatisierungen zeigten sich besonders in zwischenmenschlichen Beziehungen.

Durch diese starken Trigger blieb mir keine Wahl mehr – ich musste mich dem Thema zuwenden und mir eingestehen, dass ich unter den Folgen von Entwicklungstrauma aufgrund von fehlender Bindung und sexuellen Missbrauch litt.

Ich musste lernen, mir und meinen Gefühlen zu vertrauen. Das war und ist manchmal heute noch eine große Herausforderung, weil mein Selbstvertrauen und mein Selbstwertgefühl durch diese Erfahrungen und den fehlenden Halt innerhalb meiner Familie zutiefst erschüttert wurden. Aus diesem Grund führte für mich auch kein Weg daran vorbei, den Kontakt zu meiner Familie abzubrechen.
Im Nachhinein weiß ich, dass das die beiden entscheidenden Schritte auf meinem Weg der Ganzwerdung waren – hin zu mir selbst und weg von den Stimmen meiner Verwandten, die mich nicht ernst genommen und als krank bezeichnet haben.

Ich war fest entschlossen meine Traumatisierungen aufzuarbeiten. So habe ich meinen ganzen Mut zusammengenommen und mithilfe einer Traumatherapie der Realität meiner Vergangenheit ins Auge geschaut. Zeitweise war es so schmerzhaft, dass ich glaubte, daran zu zerbrechen. Manche der wiedergewonnenen Erinnerungen zogen mir fast den Boden unter den Füßen weg. Aber es war notwendig, endlich die Wahrheit (an-) zu erkennen und die Gefühle wieder einzuladen, die ich als kleines Mädchen unmöglich hatte aushalten können. 

Liebevoll und geduldig lerne ich jetzt mir selbst das zu geben, was mir meine Eltern nicht geben konnten. Ich wählte den Weg der Ganzwerdung, durch den ich jetzt erkennen kann, wer ich hinter meinen ganzen Überlebensstrategien wirklich bin.