Heilung allgemein

Ernährungsverhalten und Bindung

Wie frühe (Bindungs-) Prägungen Dein Ernährungsverhalten steuern

Ein beeinträchtigtes Ernährungsverhalten ist weit verbreitet und betrifft Menschen aller Altersgruppen und sozialer Hintergründe, wobei Frauen besonders häufig betroffen sind. Was viele nicht wissen, ist, dass die Ursachen für unser Ernährungsverhalten und unsere Körperwahrnehmung oft tief in den frühen Prägungen unserer Kindheit verwurzelt sind. In diesem Beitrag zeige ich auf welche Einflussfaktoren unser Ernährungsverhalten bestimmen und wie diese zur Entstehung von destruktiven Ernährungsmustern oder Essstörungen sowie zu einer negativen Körperwahrnehmung beitragen. Am Ende wird deutlich, dass die Aufarbeitung von Kindheitstraumata unerlässlich ist, um Frieden mit uns selbst und unserer Ernährung zu finden. Bis Du professionelle Hilfe gefunden hast, bekommst Du von mir sechs Tipps zur Selbsthilfe.

Ist Dein Ernährungsverhalten problematisch?

Bist Du unsicher, ob dieser Beitrag für Dich relevant ist? Dann schau doch mal, ob Du Dich in den folgenden Punkten wiedererkennst:

  • Du wirst unruhig, gereizt und kannst nicht mehr klar denken, wenn Du hungrig bist?
  • Du belohnst Dich mit leckerem Essen, wenn Du einen harten Tag oder herausfordernde Aufgaben hinter Dir hast?
  • Du greifst zum Essen, wenn Du gestresst, wütend, gelangweilt oder traurig bist?
  • Du leidest unter Heißhungerattacken, die oft in einem unkontrollierbaren Fressanfall ausarten?
  • Du greifst häufig zu ungesunden Lebensmitteln wie Süßigkeiten und Fettigem und hast danach ein schlechtes Gewissen?
  • Du neigst zum Überessen und erkennst zu spät, dass Du gar keinen Hunger mehr hast?
  • Du hältst Dich an strenge Ernährungsregeln, die Dich manchmal im Alltag einschränken?
  • Du fastest regelmäßig, weil Du Dich dann stark und kontrolliert fühlst?
  • Du kämpfst unablässig um ein selbst auferlegtes Idealgewicht, zählst ständig Kalorien und machst eine Diät nach der anderen? 
  • Du treibst exzessiv Sport und fühlst Dich schlecht, wenn Du dem mal nicht nachgehen kannst?

Wenn Du Dich in diesen Beschreibungen wiederfindest, fragst Du Dich nun, ob Dein Ernährungsverhalten und Dein Umgang mit Hunger oder Emotionen normal oder bedenklich ist. Um das herauszufinden, sollten wir uns zuerst eine grundlegende Frage stellen: Worum geht es beim Essen eigentlich?

Die eigentliche Bedeutung von Nahrungsaufnahme

Nahrungsaufnahme dient dem Menschen im eigentlichen Sinne zur Versorgung des Körpers mit den notwendigen Nährstoffen, die für das Überleben und die Gesundheit essenziell sind. Nahrung liefert Energie, die unser Körper benötigt, um grundlegende Funktionen wie Atmung, Kreislauf, Wachstum und Zellreparatur aufrechtzuerhalten. Makronährstoffe wie Kohlenhydrate, Fette und Proteine liefern die Energie, während Mikronährstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe zahlreiche biochemische Prozesse unterstützen.

Darüber hinaus spielt das Essen in unserer Gesellschaft auch eine wichtige Rolle in der sozialen und kulturellen Interaktion. Gemeinsame Mahlzeiten fördern ein Gemeinschaftsgefühl, Austausch und soziale Bindungen. Ist Nahrungsaufnahme also doch viel mehr als eine physiologische Notwendigkeit? Das folgende Kapitel lässt uns dieser Frage genauer auf den Grund gehen.

Wie und wann wird unser Ernährungsverhalten geprägt?

Unser Ernährungsverhalten ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren. Besonders entscheidend sind dabei die frühkindlichen Erfahrungen, die wir im Umgang mit Nahrung machen. Diese prägen nicht nur unsere heutigen Ernährungsgewohnheiten, sondern auch, wie wir unseren Körper wahrnehmen und bewerten.

Frühe Ernährung

Vorgeburtliche und frühe Prägungen durch Trauma

Frühkindliche Bindungstraumatisierungen können zu destruktiven Ernährungsgewohnheiten, Essstörungen und einer negativen Körperwahrnehmung führen. Doch in welchen Entwicklungsphasen sind wir besonders anfällig für solche Prägungen?

Transgenerationales Trauma
Unser Ernährungsverhalten kann tatsächlich bereits vor unserer Geburt durch Traumatisierungen früherer Generationen beeinflusst werden – etwa wenn unsere Vorfahren in Kriegszeiten Hunger litten. Wenn solche existenziellen Traumata in der Familie nicht aufgearbeitet wurden, können deren Auswirkungen noch heute in Form von Essstörungen und einem verzerrten Körperbild in uns weiterwirken.

Vorgeburtliches Bindungstrauma
Während wir im Mutterleib heranwuchsen, wurden wir über unsere Mutter mit Nahrung versorgt. Ihre Verfassung spielte dabei eine entscheidende Rolle für unser Wohlbefinden. Da wir eins mit ihr waren, wurden wir nicht nur von ihrer physischen Gesundheit beeinflusst, sondern auch von ihren emotionalen Zuständen und ihrer Einstellung zum Essen. Nahm sie gesunde Nahrungsmittel zu sich oder eher ungesunde, begleitet von Schuldgefühlen? Hat sie das Essen genossen, oder hatte sie Angst, zu dick zu werden? Stresshormone wie Cortisol können über die Plazenta auf das ungeborene Kind übertragen werden, was dessen Entwicklung beeinflussen und zu einer erhöhten Anfälligkeit für Stress und Angstzustände führen kann. Es wird also deutlich, dass diese frühen Einflüsse das spätere Ernährungsverhalten und Körperbild prägen können.

Bindungstrauma nach der Geburt
Nach der Geburt erfolgt die Nahrungsaufnahme meist über das Stillen, das jedoch weit mehr als nur Ernährung ist. Der Stillvorgang fördert auch die Bindung zwischen Mutter und Kind, da Hautkontakt, liebevoller Blickkontakt und emotionale Nähe essenziell für das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit sind. Fehlt diese emotionale Nahrung, kann dies ein Ungleichgewicht im Ernährungsverhalten und der Körperwahrnehmung auslösen. Kinder, die emotional vernachlässigt wurden, suchen oft Ersatz in Nahrung, um das Gefühl der Leere zu füllen.

Wenn das Stillen ausblieb, fehlte die Erfahrung der natürlichsten Form von genährt werden, was sich ebenfalls auf das spätere Leben auswirken kann. Auch die Art und Weise, wie das Stillen erfolgte, spielt eine Rolle: War es ein Moment der Freude und Verbindung, oder war es von Stress und Widerstand geprägt? Wurden wir unmittelbar gestillt, wenn wir Hunger hatten, oder mussten wir uns hungrig in den Schlaf weinen?  

Deshalb werden wir emotional, wenn wir Hunger haben!

Hast Du Dich schon mal gefragt, warum viele von uns innere Unruhe, Reizbarkeit oder sogar Angst verspüren, wenn sie hungrig sind? Der Grund dafür liegt in der tiefen Verbindung zwischen Hunger und den emotionalen Zuständen, die in unseren frühen Lebensphasen geprägt wurden.

Als Säuglinge und Kleinkinder waren wir vollständig auf unsere Bezugspersonen angewiesen, um unsere Grundbedürfnisse, einschließlich Nahrung, erfüllt zu bekommen. Wenn wir hungrig waren und unsere Bezugsperson nicht zuverlässig auf dieses Bedürfnis reagiert hat, entstand in uns eine Todesangst. Wir fühlten uns ohnmächtig, hilflos und verlassen. Kognitiv konnten wir nicht begreifen,  dass wir früher oder später wieder Nahrung erhalten werden. Durch solche frühen Erfahrungen wurde unsere emotionale Reaktion auf Hunger nachhaltig geprägt, sodass wir auch im Erwachsenenalter mit innerer Unruhe reagieren, wenn wir hungrig sind. Der physische Zustand des Hungers wird zum Trigger, der die tief verwurzelte Gefühle von Ohnmacht und Angst reaktiviert.
Die Ernährungsberaterin Madeleine Dähling bringt es in ihrem Blog-Beitrag treffend auf den Punkt:

„Wenn der Fokus auf die Ernährung immer größer wird, dann liegt das daran, dass das Essen zur Projektionsfläche für ein anderes Thema wird.“ (Dähling, Madeleine 2024).

Das unsere Ernährungsgewohnheiten bereits in der Kindheit geprägt werden, belegt auch eine Studie der Ernährungswissenschaftlerinnen Aida Faber und Laurette Dubé von der McGill University in Montreal (Kanada). Sie untersuchten, wie die Bindung zwischen Eltern und Kindern das spätere Essverhalten beeinflusst. Dazu befragten sie 213 Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren zu ihrer Beziehung zu den Eltern und ihrer Ernährung. Die Ergebnisse zeigten: Kinder mit einem unsicheren Bindungsstil griffen häufiger zu hochkalorischen Lebensmitteln und hatten weniger Kontrolle über ihr Ernährungsverhalten im Vergleich zu Kindern mit einem sicheren Bindungsstil. Der unsichere Bindungsstil schien Stress auszulösen, der durch emotionales Essen – insbesondere durch den Konsum von fettigen, süßen oder salzigen Speisen – kompensiert wurde. Zudem befragten die Forscherinnen 216 Erwachsene, die rückblickend ihren Bindungsstil in der Kindheit und ihr aktuelles Ernährungsverhalten beschrieben. Auch hier zeigte sich, dass die Kindheit nachwirkte: Erwachsene mit einer unsicheren Bindung an die Eltern konsumierten mehr Kalorien als diejenigen, die als Kinder eine sichere Bindung entwickelt hatten.

Einfluss des familiären und sozialen Umfelds

Auch im weiteren Verlauf unserer Kindheit werden wir durch unsere Familie, andere nahestehende Bezugspersonen und Institutionen wie Kitas, Schulen oder Vereine etc. im Zusammenhang mit Ernährung und Körperwahrnehmung geprägt. Die folgenden Beispiele und Fragen kannst Du nutzen, um Dir über Deine Prägungen klar zu werden.

Die Rolle der Eltern als Vorbild
Unsere Eltern oder andere nahe Bezugspersonen sind oft die ersten und prägendsten Vorbilder in Sachen Ernährung und Körperwahrnehmung. Wie haben wir sie im Umgang mit Ernährung erlebt? Fühlten sie sich wohl in ihrem Körper? Aßen sie gerne, oder waren Diäten und Selbstkritik an der Tagesordnung? Verglichen sie sich mit anderen, oder sprachen sie negativ über ihre eigene Figur oder die anderer? Wenn unsere Eltern ein negatives Verhältnis zum Essen und ihrem Körper hatten, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass wir diese Muster übernommen haben.

Weitere Erfahrungen in der Kindheit
Auch andere Erfahrungen mit Ernährung innerhalb und außerhalb der Familie spielen eine große Rolle. Was haben wir über Ernährung im Kindergarten oder der Schule gelernt? Wurden Nahrungsmittel als Belohnung oder Bestrafung eingesetzt? Wurden wir ermahnt, mehr oder weniger zu essen? Wurden wir für unsere Figur gelobt oder kritisiert? Solche Erlebnisse führen dazu, dass das Essen nicht nur als Nahrungsmittel gesehen wird, sondern als Instrument zur Kontrolle und Bewertung. Wenn Du Dich auch heute noch mit Nahrungsmitteln belohnst, zum Beispiel nach einem anstrengenden Tag, hast Du solche Erfahrungen vermutlich verinnerlicht. 

Medien und Werbung als Einflussfaktor
Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss von Film, Fernsehen und Werbung auf unsere Körperwahrnehmung und unser Ernährungsverhalten. Von klein auf wird uns in Filmen, Serien und Werbespots vermittelt, welche Körper als schön gelten und welche nicht. Mithilfe von Werbespots wird versucht, bestimmte Lebensmittel mit Gefühlen oder Lebenssituationen zu verknüpfen, um uns so zu konditionieren und unser Kaufverhalten zu beeinflussen. Wer kennt sie nicht, die Bilder von Menschen, die bei Liebeskummer Eiscreme oder Schokoladenkuchen essen, oder die Szenen, in denen im freudigen Kontext Alkohol getrunken wird? Doch welche menschlichen Vorgänge macht sich die Werbung hier zunutze? 

Wann wird unser Ernährungsverhalten zum Problem?

Wir wissen nun bereits, dass das Essen eng mit sozialer Bindung verknüpft ist, die für uns Menschen genauso lebenswichtig ist wie Nährstoffe selbst. Problematisch wird unser Ernährungsverhalten dann, wenn es als Ersatz für menschliche Nähe dient oder zur Hauptstrategie wird, um emotionale Belastungen zu bewältigen. Auch wenn Essen oder der Verzicht darauf die einzige Methode ist, um sich in herausfordernden Momenten zu regulieren und besser zu fühlen, spricht das für tieferliegende Probleme.

Ein ungesundes Verhältnis zum Essen zeigt sich ebenfalls, wenn die Nahrungsaufnahme den Alltag dominiert: sei es durch übermäßiges Essen, extremes Fasten oder den ständigen Konsum ungesunder Lebensmittel. Es verhält sich ähnlich wie bei einer Sucht: Man tut etwas, obwohl man weiß, dass es einem schadet – und dennoch kann man nicht damit aufhören.

Wenn gesundheitliche Beschwerden wie Über- oder Untergewicht, Magen-Darm-Probleme, Diabetes oder Entzündungen auftreten, kann das ebenfalls auf ein problematisches Ernährungsverhalten zurückgeführt werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unser Ernährungsverhalten problematisch wird, wenn es zu einem spürbaren Leidensdruck führt oder gesundheitliche Schäden verursacht.

Allgemeines Verständnis von Essstörungen

Essstörungen gelten im allgemeinen Verständnis als ernsthafte psychische Erkrankungen, die in verschiedenen Formen auftreten, wie Magersucht (Anorexia nervosa), Bulimie (Bulimia nervosa) oder Binge-Eating-Störung. Auch emotionales Essen, bei dem Menschen auf Emotionen wie Stress, Angst oder Einsamkeit mit Essen reagieren, kann als Essstörung betrachtet werden. Dabei greifen Betroffene oft zu kalorienreichen, zuckerhaltigen oder fettigen Lebensmitteln, dem sogenannten „Comfort Food“, selbst wenn kein physischer Hunger besteht. Diese Form des Essens bietet jedoch nur kurzfristige Erleichterung und wird häufig von Schuldgefühlen oder Scham abgelöst.

Essstörungen

Was alle Essstörungen gemeinsam haben, ist ein ungesundes Ernährungsverhalten und ein verzerrtes Körperbild, das Betroffene in einem Kreislauf von negativen Gefühlen und Essgewohnheiten gefangen hält. Doch sind Essstörungen wirklich Erkrankungen? Oder können sie vielmehr als Überlebensmechanismen verstanden werden, die sich aus frühkindlichen Traumata entwickeln?

Essstörungen als Überlebensstrategien

Ich persönlich betrachte Essstörungen und schlechte Ernährungsgewohnheiten als Symptome von frühen Entwicklungs- und Bindungstraumatisierungen. Diese Verhaltensweisen sind Versuche, sich an ein destruktives Umfeld anzupassen und Kontrolle über eine ansonsten ohnmächtige Lebenssituation zu erlangen. Betroffene versuchen durch strenge Disziplin und spezifische Ernährungsgewohnheiten, die Kontrolle zurückzugewinnen, die ihnen im traumatischen Umfeld entzogen wurde.

Das Erreichen eines gewünschten Körpergewichts durch strenge Ernährungspläne, Diäten, Fastenkuren oder exzessiven Sport erscheinen als Wege, um etwas zu bewirken, das vermeintlich Glück und Erfüllung bringt.

Doch in Wahrheit sind diese Bemühungen oft Illusionen, die von der eigentlichen inneren Not ablenken. Essstörungen können somit als Vermeidungsstrategie dienen, um die schmerzhaften Gefühle zu verdrängen, die mit den Traumatisierungen verbunden sind.

Essstörungen als Schutzmechanismus bei Missbrauch

Besonders im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch kann das Hungern oder Überessen als Schutzmechanismus betrachtet werden. Ein Mädchen, das sexuelle Übergriffe erleidet, könnte versuchen, sich durch drastisches Abnehmen ihres weiblichen Körpers zu entledigen. Ein Junge, der Missbrauch erfährt, könnte übermäßig essen, um durch Gewichtszunahme unattraktiv für seine Täter zu werden und diese von sich fernzuhalten.

Tragischerweise verstärken Betroffene ihre Not durch die Essstörung noch weiter. Diese ist bereits ein Überlebensmechanismus, der viel Energie und Kraft kostet. Werden dem Körper dann zusätzlich gesunde Nährstoffe entzogen oder wird er durch exzessives Verhalten belastet, kann dies langfristig zu Erschöpfung, Depressionen und anderen gesundheitlichen Problemen führen.

Um ein ungesundes Ernährungsverhalten zu verändern, darf das Thema Essen nicht isoliert betrachtet werden. Deshalb führt es langfristig nicht zum Erfolg, wenn Gelüste zwanghaft unterdrückt werden oder immer wieder gegen Essanfälle angekämpft wird. Auf einer tiefen Ebene scheinen diese Dinge noch lebensnotwendig für das Nervensystem. Erst wenn die Bereitschaft da ist, die Ursache dieser Überlebenskämpfe zu ergründen, können sie wirklich losgelassen werden.

Ernährungsverhalten ändern - Ganzwerdung

Warum sich Essen so gut als Überlebensstrategie eignet

Ein weiterer Grund, warum wir oft zum Essen greifen, um emotionale Herausforderungen und Stress zu bewältigen, liegt in den körperlichen und psychologischen Reaktionen, die bestimmte Lebensmittel in uns auslösen. Ich halte es für sinnvoll, diese Mechanismen kurz zu betrachten:

Körperliche Reaktionen:
Der Verzehr von Nahrungsmitteln setzt Neurotransmitter und Hormone frei, die unser Wohlbefinden beeinflussen. Genussvolles Essen aktiviert das Belohnungssystem im Gehirn, was zur Freisetzung von Dopamin führt und uns Zufriedenheit und Wohlbefinden spüren lässt. Besonders kohlenhydratreiche Lebensmittel fördern die Produktion von Serotonin, das stimmungsaufhellend wirkt. Zuckerhaltige Lebensmittel lassen den Blutzuckerspiegel rasch ansteigen, was kurzfristig Energie und ein gutes Gefühl gibt, jedoch oft von einem schnellen Abfall des Blutzuckerspiegels gefolgt wird.

Psychologische Reaktionen:
Bestimmte Lebensmittel sind oft mit positiven Erinnerungen verknüpft, sei es durch besondere Lebensmomente oder durch den Einfluss von Werbung, die emotionale Assoziationen schafft. Der Verzehr solcher Lebensmittel kann dann ein Gefühl von emotionaler Sicherheit und Nostalgie hervorrufen. Bei Stress neigt unser Körper dazu, uns dazu zu veranlassen, nach Energiequellen zu suchen, um den Stress zu bewältigen – daher rührt der häufige Heißhunger auf kalorienreiche Lebensmittel in stressigen Zeiten.

Das Verständnis dieser Zusammenhänge kann Dir helfen, bewusster mit Deinem Ernährungsverhalten umzugehen und die emotionalen Auslöser besser zu erkennen. So kannst Du gesündere Essgewohnheiten entwickeln und erste Schritte zur Vorbeugung oder Heilung von destruktiven Ernährungsgewohnheiten oder Essstörungen einleiten.

Traumabewältigung als Schritt zu einem gesunden Ernährungsverhalten

Du hast nun einen Überblick darüber erhalten, auf wie vielfältige Weise Dein Ernährungsverhalten beeinflusst wird, welche tiefsitzenden Ursachen dahinterstehen können und welche Folgen dies nach sich ziehen kann. Wenn Du selbst betroffen bist, fragst Du Dich jetzt wahrscheinlich, wie Du zu einem gesunden Umgang mit dem Essen zurückfinden kannst. Diese nachstehenden sechs Schritte können ein guter Anfang sein.

Selbsthilfe für ein gesundes Ernährungsverhalten

1. Akzeptiere, dass Dein Ernährungsverhalten beeinträchtigt ist
Der erste Schritt zur Veränderung ist das Eingeständnis, dass Dein aktuelles Ernährungsverhalten problematisch ist. Diese Erkenntnis erfordert Mut, ist aber entscheidend, um den Weg zur Heilung zu beginnen.

2. Ergründe die Ursachen Deines Ernährungsverhaltens
Verstehe, dass das Essen und Dein Körper nie das eigentliche Problem waren. Die Ursachen für Dein Ernährungsverhalten liegen in alten, tiefsitzenden Traumawunden. Solange Du nur die Symptome behandelst, bleibt die zugrundeliegende Ursache bestehen. Frage Dich, welche Gefühle Du mithilfe des Essens vermeidest und welche emotionalen Bedürfnisse Du Dir damit zu erfüllen versuchst und ergründe so die Ursachen für Deine Ernährungsprobleme.

3. Erweitere Dein Bewusstsein und Wissen
Verständnis ist der Schlüssel zur Veränderung. Beschäftige Dich mit den psychologischen und physiologischen Mechanismen hinter Deinem Ernährungsverhalten. Je mehr Du über die Zusammenhänge zwischen Trauma, Ernährung und Körperwahrnehmung weißt, desto besser kannst Du Dein Verhalten verstehen und ändern.

4. Reguliere Dein Nervensystem auf konstruktive Weise
Unverarbeitete Traumatisierungen halten Dein Nervensystem ständig auf Hochtouren. Dieser Zustand ist anstrengend und verlangt nach Regulierung. Oft greifen wir dabei zu Essen, weil es kurzfristig beruhigend wirkt. Es ist wichtig, dass Du jetzt alternative Wege findest, um Dein Nervensystem zu beruhigen, zum Beispiel durch Atemtechniken, Meditation oder Bewegung. Auch ein entspannendes Bad, ein Spaziergang in der Natur oder das Lesen eines guten Buches können Dir helfen, Dich selbst zu nähren, ohne auf Essen zurückzugreifen.

In meinem Beitrag über den Vagusnerv gebe ich Dir acht einfache Übungen an die Hand, um Dein Nervensystem zu regulieren. Außerdem findest Du darin Buchempfehlungen, um Dein Wissen zu diesem Thema zu vertiefen.

Vagusnerv stimulieren

Der Vagusnerv und die Bedeutung der Polyvagal-Theorie für die Traumaheilung

5. Lerne, Dich selbst zu lieben und gut für Dich zu sorgen
Oft versuchen wir, durch Anpassung an andere Menschen die Liebe und Anerkennung zu bekommen, die wir früher nicht erhalten haben. Doch das führt nur zu einem Teufelskreis aus Frustration und emotionalem Essen. Es ist wichtig, dass Du lernst, Dir selbst die Fürsorge zu geben, die Du brauchst. Werde die Person, die Du Dir als Kind oder in Beziehungen gewünscht hast, und fülle Deine innere Leere nicht länger mit Essen. Akzeptiere auch Deinen Körper so, wie er ist, und konzentriere Dich auf seine Fähigkeiten und Stärken, anstatt nur auf das äußere Erscheinungsbild.

6. Verändere bewusst Deine Ernährungsgewohnheiten
Beobachte genau, wann und warum Du zu bestimmten Lebensmitteln greifst. Welche Gefühle oder Situationen lösen Dein Verlangen aus? Wurdest Du durch Werbung oder emotionale Trigger dazu animiert, zu essen? Gibt es eine gesündere Weise, Dein Bedürfnis zu stillen? Lerne, Dein Essverhalten zu hinterfragen und auf die Signale Deines Körpers zu hören, statt aus Gewohnheit oder emotionalen Impuslen heraus zu essen. Wenn Du zum Beispiel aus Langeweile isst, ersetze das Essen durch eine andere Aktivität, die Dir Freude bereitet und guttut.

Therapeutische Unterstützung für ein gesundes Ernährungsverhalten

Da Dich Deine Überlebensmechanismen je nach Zeitpunkt und Schwere der Traumatisierungen womöglich schon Dein ganzes Leben begleiten, empfehle ich, Deine frühen Prägungen und lebenslangen Konditionierungen mithilfe einer Therapie aufzuarbeiten. Unter fachmännischer Betreuung kannst Du ein neues Ernährungsverhalten etablieren. Die folgenden therapeutischen Ansätze können dabei hilfreich sein:

  • Kognitive Verhaltenstherapie (CBT): Diese Therapieform hilft Dir, ungesunde Denkmuster zu erkennen und zu verändern, die zu einem beeinträchtigten Ernährungsverhalten führen.
  • Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT): Ursprünglich zur Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen entwickelt, kann DBT auch bei Essstörungen helfen, indem sie emotionale Regulation und Achtsamkeit fördert.
  • Traumatherapie: Traumatherapeutische Ansätze wie EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) können Dir helfen, tief verwurzelte emotionale Wunden zu heilen und ein Leben frei von alten Belastungen zu leben.
  • Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann Dir das Gefühl geben, verstanden zu werden und weniger allein zu sein. Außerdem kann Dir eine Gruppentherapie helfen, herauszufinden, welche Unterstützung für Dich am besten ist.

Es ist wichtig zu wissen, dass Heilung nicht von heute auf morgen geschieht. Sie ist ein Prozess, der Geduld, Selbstmitgefühl und professionelle Unterstützung erfordert. Doch wenn Du diesen Weg einschlägst, Dich Deiner Vergangenheit stellst, um neue, gesunde Überzeugungen zu entwickeln, kannst Du ein harmonisches Verhältnis zum Essen und zu Deinem Körper herstellen.

Ich hoffe, dass Dir mein Beitrag neue Einblicke in die Ursachen deiner Ernährungsprobleme gegeben hat und Du nun weißt, wo Du ansetzen kannst. Mich interessiert sehr, ob Du beim Lesen Aha-Momente hattest und wie Du Dich jetzt fühlst. Hinterlasse gerne einen Kommentar, um zu zeigen, dass wir viele sind.

Danke und schön, dass Du da bist!

Quellenverweise: 

Ruppert, Franz (2019): Liebe, Lust und Trauma: Auf dem Weg zur gesunden sexuellen Identität, 1. Aufl., München

Dähling, Madeleine (2024): Erlösung durch die (richtige) Ernährung? Abgerufen am 14.08.2024, von https://www.madeleinedaehling.de/blogartikel/erloesung-durch-die-richtige-ernaehrung/

Ärzteblatt (2015): Ernährung und Bindungsstil: Unsichere Bindung fördert Essstörungen. Abgerufen am 12.08.2024 von https://www.aerzteblatt.de/archiv/172998/Ernaehrung-und-Bindungsstil-Unsichere-Bindung-foerdert-Essstoerungen

Ehrliches Mitteilen (EM) - Heilung von Entwicklungstrauma

Ehrliches Mitteilen (EM) als Schlüssel zur Heilung des Nervensystems

Im Jahr 2020 wurde ich über Youtube auf die Videos des Traumatherapeuten Gopal Norbert Klein aufmerksam und zeitgleich auf das von ihm entwickelte Kommunikationsmodell Ehrliches Mitteilen (EM). Seither übe ich diese Form der Kommunikation in einer lokalen Gruppe und beobachte spannende Veränderungen in mir und in meinen Beziehungen. In diesem Beitrag erkläre ich Dir, was genau das Ehrliche Mitteilen ist und wie es Entwicklungstrauma heilen kann. Abschließend lass ich Dich sogar an meinen persönlichen Erfahrungen auf meiner inzwischen knapp 4-jährigen EM-Reise teilhaben.

Was ist Ehrliches Mitteilen (EM)?

Das Ehrliche Mitteilen (EM) ist ein Kommunikationsmodell, das im Jahr 2017 von dem Traumatherapeuten Gopal Norbert Klein ins Leben gerufen wurde. Es ist eine Methode zur Heilung von Entwicklungs- und Bindungstrauma, die ganz ohne Therapeuten auskommt. Inzwischen ist das Ehrliche Mitteilen zu einer weltweiten Bewegung geworden. Neben internationalen lokalen Gruppen gibt es bereits auch ein EM-Café sowie ein EM-Magazin.

Bevor ich Dir erkläre, wie das ehrliche Mitteilen funktioniert, siehst Du hier schon mal auf einen Blick, welchen Einfluss es auf Dein Leben und Deine Beziehungen haben kann:   

  • Du wirst Dir Deiner eigenen Körperempfindungen, Gefühle und Gedanken bewusst
    Anfangs können sich starke Reaktionen zeigen, die verdeutlichen, wie dysreguliert Dein Nervensystem ist. Nach einer gewissen Zeit können auch abgespaltene Traumagefühle aufkommen, die dann gesehen, gefühlt und mitgeteilt werden wollen. Langfristig wirst Du durch das EM Lebensenergie in Dir freisetzen und in Deine ureigene lebendige Kraft zurückfinden.

     

  • Du kannst Deine Überlebensmechanismen entlarven und aufgeben
    Es ist möglich, dass nach Deinem ersten Mal Überlebensmechanismen in Dir aktiv werden, die Dir einzureden versuchen, warum das EM nicht das richtige für Dich ist. Lass Dich davon nicht unterkriegen und bleib dran. Beim regelmäßigen Üben wirst Du auch bestimmte Verhaltensweisen und Äußerungen von Dir als Überlebensmechanismen erkennen und sie langfristig gehenlassen können.

     

  • Du lernst, wie sich echte Verbindung anfühlt
    Je nachdem wie ausgeprägt Deine Traumatisierungen sind, kann sich echte Verbindung zu Beginn ungewohnt oder sogar bedrohlich anfühlen. Mit der Zeit wirst Du aber merken, dass es diese Verbindung ist, nach der Du Dein ganzes Leben gesucht hast.

     

  • Du transformierst Deine Beziehungen
    Wenn Du eine Zeit lang übst, wirst Du erkennen, dass wir Menschen uns im Alltag meist nur mit Masken begegnen. Die Geschichten, die wir uns untereinander erzählen, können für Dich ab sofort langweilig werden. Generell können Beziehungen für Dich uninteressant werden, wenn die Bereitschaft zu authentischer Begegnung fehlt.

     

  • Du katapultierst Deine Partnerschaft auf ein neues Level
    Das ehrliche Mitteilen hat das Potenzial, Deine Partnerschaft auf ein neues Level zu heben, sofern ihr beide bereit seid, es gemeinsam zu üben. Euer Umgang, speziell in Konfliktsituationen wird sich zum Positiven verwandeln und es entsteht eine neue und tiefere Form von Verbundenheit.

„…Mit unserer Beziehung hat es gemacht, dass wir achtsamer sind, rücksichtsvoller und auch respektvoller. Und ich habe das Gefühl, wir beide kommen immer mehr in unsere Kraft. Immer, wenn wir ins Ausagieren verfallen, werde ich krank. Und immer, wenn wir es schaffen, uns über eine längere Zeit tatsächlich ehrlich mitzuteilen, dann steigt die Energie wahnsinnig.“ Lubig, Christin (2023, März). Christin und Jakob auf dem Weg. Ehrliches Mitteilen Magazin (1), 22-23.

Wie funktioniert Ehrliches Mitteilen?

EM kann zu zweit oder in einer Gruppe geübt werden. Bei beiden Varianten kommen Menschen bewusst zusammen, um im Kontakt mit anderen das eigene Nervensystem zu regulieren. Alle Teilnehmer/innen bekommen den gleichen, vorab definierten Zeitrahmen (z.B. 10 Minuten), um sich mitzuteilen, während die anderen aufmerksam zuhören. Der Kontakt besteht beim EM darin, seine Erlebnisse ausschließlich auf folgenden drei Ebenen mitzuteilen:

  • Körperebene
  • Gefühlsebene
  • Gedankenebene

Die Äußerungen von dem, was gerade in uns aktiv ist, wird auf diesen drei Erlebnisebenen mitgeteilt, ohne dass wir uns damit identifizieren. Also so, als hätten wir eine gewisse Distanz dazu. Zu diesem Zweck bedienen wir uns beim EM einfachen Satzanfängen und Floskeln:

Körperebene:

  • Ich spüre Wärme in meinen Händen
  • Ich spüre Anspannung in meinem Bauch
  • Ich spüre Schmerz in meinem linken Fuß
  • Ich spüre einen Druck im Hals
  • Ich spüre Schwere auf meinen Augenliedern

Gefühlsebene:

  • Ich fühle mich ängstlich
  • Ich fühle tiefe Traurigkeit
  • Ich fühle Scham
  • Ich fühle mich einsam
  • Ich fühle große Verwirrung

Gedankenebene:

  • Mein Kopf denkt, dass ich das alles falsch mache
  • Mein Kopf denkt, dass gleich etwas Schlimmes passiert
  • Mein Kopf denkt gerade an den Film von gestern Abend
  • Mein Kopf denkt, dass ich abgelehnt werde

Was sich hier zunächst einfach liest, hat es für unser Nervensystem ganz schön in sich. Denn im Alltag teilen wir uns für gewöhnlich nicht mit, welche Zustände wir im Kontakt zu anderen Menschen erfahren. Oder hast Du bei einem Vorstellungsgespräch schon mal offen ausgesprochen, dass Du gerade angespannt bist, Unsicherheit fühlst und denkst, dass Du für die Stelle nicht gut genug bist? Normalerweise zeigen wir uns in Gesprächen nicht wirklich mit alledem, was in uns vorgeht, sondern tauschen nur Geschichten aus. 

Ehrliches Mitteilen Zitat

Obwohl es rein theoretisch möglich ist, Dich überall ehrlich mitzuteilen, solltest Du vor allem am Anfang in einer lokalen Gruppe üben. Im Alltag besteht nämlich die Gefahr, dass Du an Menschen gerätst, die Dir nicht wohlgesonnen sind. Dadurch könntest Du in Deinen alten Mustern bestätigt werden, statt sie aufzulösen. 

Lokale Gruppen als sichere Umgebung

Die lokalen Gruppen bieten einen klaren Rahmen und eine sichere Umgebung, um ehrliches Mitteilen zu üben und einen heilsamen Kontakt zu anderen Menschen herzustellen. Alle kommen hier mit demselben Ziel zusammen und befolgen vorab fest definierte Regeln. 

Zu diesen Regeln oder Vereinbarungen gehören unter anderem die Absicht, regelmäßig zu üben, alle Störquellen für die Zeit des Treffens auszuschalten, eine feste Zeit zu definieren, die jeder für das Mitteilen bekommt und die Gewissheit, dass alle anderen Teilnehmer/innen aufmerksam zuhören, ohne zu unterbrechen. Auch Reaktionen in Form von bestimmten Gestiken oder Mimiken werden auf ein Minimum reduziert, um den Raum für den Sprechenden zu halten. Durch die Schaffung solch einer sicheren Umgebung wird ehrliches Mitteilen nie verletzend oder ermüdend, im Gegenteil, es fühlt sich immer gut an und ist oft sogar richtig spannend. 

Grenzen beim Ehrlichen Mitteilen

Das Mitteilen von Grenzen hat beim Ehrlichen Mitteilen eine zentrale Bedeutung, denn es geht schließlich um die Heilung von Traumatisierungen. In meinem Infotext über Traumaheilung habe ich acht Säulen der Traumaheilung zusammengefasst, von denen eine wesentliche Säule Sicherheit ist. Nur wenn unser Nervensystem zu der Einschätzung kommen kann, dass wir sicher sind, ist Heilung möglich.  

In meinem Erfahrungsbericht weiter unten wirst Du lesen, dass es mir zeitweise nicht gelungen ist, meine Grenzen offen mitzuteilen. Damit Dir dieser Fehler nicht unterläuft, liste ich Dir nachstehend ein paar Sätze auf, mit denen Du Deine Grenzen beim EM kommunizieren kannst, ohne die Situation verlassen zu müssen.

  • Mein Kopf denkt, dass ich gerade nichts fühle/spüre/denke.
  • Mein Kopf denkt, dass gerade alles zuviel für mich wird.
  • Mein Kopf denkt, dass mir der Blickkontakt gerade nicht guttut.
  • Mein Kopf denkt, dass es besser für mich wäre, jetzt aufzuhören.
  • Mein Kopf denkt, dass ich jetzt den Raum verlassen möchte.

„Ehrliches Mitteilen bedeutet nicht, alles mitzuteilen und seine Grenzen zu überschreiten, sondern dass du so bleiben kannst, wie Du bist. Und genau das kommunizierst. „ *Klein, Gopal Norbert (2022): Der Vagusschlüssel zur Traumaheilung. Wie „Ehrliches Mitteilen“ unser Nervensystem reguliert.

Ziele vom Ehrlichen Mitteilen

Das ehrliche Mitteilen verfolgt das Ziel, das durch Entwicklungstrauma und Bindungstrauma dysregulierte Nervensystem wieder zu regulieren. Während der frühen Traumatisierungen, die wir alle mehr oder weniger davongetragen haben, konnten wir den Kontakt zu unseren wichtigsten Bezugspersonen nicht als sicher erleben. Indem wir jetzt lernen, dass wir mit all unseren Empfindungen, Gefühlen und Gedanken sein dürfen und nicht abgelehnt werden, lernt unser Nervensystem, dass Kontakt heute sicher ist.

Wenn Du an dieser Stelle Unklarheiten bemerkst, empfehle ich Dir meinen Beitrag über den Vagusnerv. Darin erkläre ich Dir, wie unser Nervensystem funktioniert und dass es ganz ohne unser Zutun manchmal Gefahren sieht, wo keine sind.

Langfristig soll das EM auch dazu dienen, einen neuen, besseren Umgang mit Konfliktsituationen zu finden. Konflikte agieren wir in der Regel durch Beschimpfungen, Schuldzuweisungen oder Vorwürfe aus. Worum es eigentlich geht, bleibt dabei meist unausgesprochen: Unsere Gefühle! Tatsächlich ist es nämlich unsere Gefühlsebene, die uns mit anderen verbindet. Damit ist sie auch die wesentliche Ebene zur Heilung von Bindungstraumatisierungen. 

Wenn wir es schaffen, uns in Konfliktsituationen wirklich mit all unseren Gefühlen zu zeigen und diese mitzuteilen,  können wir selbst erleben, wie sich Ruhe, Mitgefühl und Verständnis einstellen.

Wie Ehrliches Mitteilen Dein Leben transformiert

Das regelmäßige Üben vom Ehrlichen Mitteilen heilt Dein Nervensystem, wodurch sich zahlreiche positive Veränderungen einstellen werden. Dabei unterscheide ich den heilenden Einfluss auf uns selbst und den heilenden Einfluss auf unser Miteinander beziehungsweise unsere Beziehungen.

Heilender Einfluss auf Dich selbst

Durch das ehrliche Mitteilen steigt wahnsinnig viel ins Bewusstsein auf. Wir werden achtsamer und stärken die Verbindung zu unseren Körperempfindungen, Gefühlen/Emotionen und Gedanken.

Wenn wir in Folge von Trauma bestimmte Körperbereiche nicht gut spüren können, wird uns das beim EM deutlich bewusstwerden. Durch das regelmäßige Hinspüren ist es möglich, dass sich Taubheitsgefühle auflösen und sich bestimmte Empfindungen wieder einstellen.

Auch unser wahrgenommenes Gefühlsspektrum vergrößert sich, wenn wir uns mit dem EM auf Forschungsreise begeben. Im Alltag identifizieren wir häufig nur wenige Gefühle wie Freude, Trauer, Ärger, Wut, Neid, Ekel und Langeweile. Unsere Gefühlswelt ist aber weitaus facettenreicher, sodass wir mithilfe des EMs viele weitere Gefühle wahrnehmen können: Verwirrung, Zweifel, Hilflosigkeit, Ohnmacht, Scham, Unsicherheit, Verletzlichkeit, Leere, Ehrfurcht, Unruhe, Ruhe, Harmonie, Geborgenheit, Aktivität, Begeisterung, Interesse, Spannung, Lebendigkeit, Stolz, Gelassenheit, Dankbarkeit und viele mehr.

Da wir beim EM auch unsere Gedanken mitteilen, werden wir erkennen, wie laut diese sind und wie sie unsere Empfindungen und Gefühle überschatten. Zudem werden wir beobachten, welchen unmittelbaren Einfluss unsere Gedanken auf unsere Gefühle haben. Dieses Erkennen kann uns im nächsten Schritt dazu auffordern, uns mehr mit unseren Gedanken und Glaubensmustern auseinanderzusetzen und diese für unsre Heilung zu transformieren.

Heilender Einfluss auf Deine Beziehungen

Viele Menschen neigen aufgrund ihrer eigenen Prägungen dazu, den Grund für die eigenen Gefühle beim Gegenüber zu suchen. Vermutlich bist Du da, genau wie ich, keine Ausnahme, oder? Durch das ehrliche Mitteilen begreifen wir, dass sich unsere Gefühle im ständigen Wandel befinden. Innerhalb von nur 10 Minuten können wir mit Angst, Unsicherheit, Wut, Freude, Entspannung und vielem mehr in Kontakt kommen. Unser Gegenüber hat damit überhaupt nichts zu tun. Er oder sie ist einfach nur da, um wertfrei zuzuhören. Wenn wir das in einer lokalen Gruppe erfahren, können wir es auch auf unsere privaten Beziehungen übertragen. Statt Groll gegen unseren Arbeitskollegen zu hegen, der immer laut schmatzt, können wir einfach wahrnehmen, dass da gerade Wut aufsteigt, ohne darauf zu reagieren.  

Die meisten von uns neigen auch dazu, sich für die Gefühle anderer verantwortlich zu fühlen. Vielleicht kennst Du es selbst. Eine gute Freundin oder ein guter Freund ist niedergeschlagen und bricht vor Dir in Tränen aus. Vermutlich bist Du geneigt, diesen Gefühlsausdruck schlichten zu wollen, indem Du tröstende Worte aussprichst. Oft reagieren wir so, weil wir selbst damit überfordert sind oder in den Kontakt mit eigenen, ungeheilten Gefühlen kommen. Durch das ehrliche Mitteilen wirst Du lernen, auch die Gefühle anderer zu halten, ohne darauf reagieren zu müssen. Ich kann Dir sagen, es gibt kein größeres Geschenk, als den anderen einen Raum zu schenken, indem er oder sie sein kann, mit allem, was gerade da ist. Genau das ist es, was wir in unserer Kindheit nicht erfahren durften.

Besonders für Paarbeziehungen bietet das ehrliche Mitteilen einen großen Mehrwert. Statt Konflikte wie gewohnt auszuagieren und Deinen Partner oder Deine Partnerin zu beschimpfen oder zu beschuldigen, könnt ihr euch zusammensetzen und eure Empfindungen, Gefühle und Gedanken mitteilen. Ihr werdet merken, dass sich sofort Verbundenheit, Verständnis und Ruhe einstellen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass wir durch das EM zwei wesentliche Dinge lernen. Zum einen, mehr bei uns zu bleiben, statt zu projizieren und auszuagieren und zum anderen unser Gegenüber wirklich zu sehen und mit allem sein zu lassen, was gerade da ist.

Meine Erfahrungen mit dem Ehrlichen Mitteilen

Als ich über die Youtube-Videos von Gopal vom ehrlichen Mitteilen erfahren hatte, war ich sofort neugierig und habe auf seiner Website geprüft, ob es in meinem Wohnort bereits eine lokale Gruppe gibt. Ich war positiv überrascht, als ich auf Anhieb eine Gruppe finden konnte.

Das erste Treffen in einer lokalen Gruppe

Bei meinem ersten Treffen kamen wir als eine reine Frauengruppe in einem schönen, hellen Seminarraum zusammen. Wir machten es uns auf Yogamatten und –kissen gemütlich und ich erinnere mich noch, dass ich sehr aufgeregt war. Die Gruppenleiterin erklärte eingangs kurz die o.a. Regeln und zeigte sich bereit den Anfang zu machen. An ihrem Handy stellte sie einen Timer auf zehn Minuten und begann dann mit dem ehrlichen Mitteilen. In kurzen Ich-Sätzen teilte sie mit uns ihre Erlebnisräume und schaute dabei einer nach der anderen von uns in die Augen. Im Gegenzug schenkten wir ihr unsere ungeteilte Aufmerksamkeit und hörten ihr zu, ohne dabei auf das von ihr Gesagte zu reagieren.

Schon in der Rolle der Zuhörerin bemerkte ich, dass der intensive Blickkontakt Stress in mir auslöste. Das merkte ich vor allem als Erleichterung, wenn der Blick zur nächsten Teilnehmerin überging. Gleichzeitig beeindruckte mich das tiefe Gefühl von Verbindung, das sich sehr schnell einstellte, obwohl ich die anderen Frauen gar nicht kannte. Es berührte einfach mein Herz, wie sie sich mit all ihren Unsicherheiten zeigten, die mir alle sehr bekannt vorkamen.  

Diese Verbindung spürte ich jedoch nicht bei allen Teilnehmerinnen. Eine der Frauen verlor sich in allgemeingültigen Aussagen und spirituellen Phrasen wie: „Ich spüre Weite“ oder „Mein Herz ist voller Dankbarkeit.“ Ihr Blick und ihr Körper signalisierten aber eher Unsicherheit und Stress. Gopal beschreibt das Sprechen über energetische Räume oder Hellfühlen als eine Flucht aus dem wirklichen Kontakt mit dem Gegenüber und den damit verbundenen Gefühlen. Für mich war es eine spannende Beobachtung, direkt zu Beginn diesen Unterschied kennenzulernen. 

Mein erstes Mal Ehrliches Mitteilen

Irgendwann war es dann so weit und ich war dran. Die Gruppenleiterin stellte den Timer für meine zehn Minuten. Plötzlich stand ich im Mittelpunkt. Die Körper und Augen der anderen waren auf mich gerichtet. Das löste unmittelbar eine enorme Stressreaktion in mir aus und verunsicherte mich. Ich weiß noch, dass es sich wie eine Welle aus Angst anfühlte, die von oben nach unten durch meinen gesamten Körper floss.

Während ich versuchte, mithilfe der Sätze meine inneren Zustände mitzuteilen, wurde mir schwindelig und in meinem Kopf fing es laut an zu rauschen. Es war, als würde ich jeden Moment bewusstlos werden. Die Aufmerksamkeit und das gehört werden waren für mich scheinbar so befremdlich, dass es zu einer massiven Überforderung führte. Schnell wurde mir klar, dass diese Reaktionen Fluchtmechanismen waren. Mein gesamtes System wollte aus dieser Situation raus!

Ehrliches Mitteilen - Reaktionen

Ähnlich fühle ich mich übrigens auch in Vortragssituationen. Der Unterschied zum ehrlichen Mitteilen war, dass ich hier überhaupt nichts abliefern musste und nicht bewertet wurde. Ich konnte also all das teilen, was ich für gewöhnlich in solchen Situationen unterdrücke:

  • Ich spüre Anspannung in meinem gesamten Körper, ich spüre, dass meine Hände schwitzen, ich spüre Enge in meiner Kehle…
  • Ich fühle mich verunsichert, ich fühle mich unter Druck, ich fühle Angst….
  • Mein Kopf denkt, dass ich den Raum verlassen möchte, mein Kopf denkt, dass ich mich gerade blamiere, mein Kopf denkt, dass ich wertlos bin….

Puh, ich glaube das waren mit die längsten zehn Minuten meines Lebens! 🙂
Im Anschluss fühlte ich mich ganz schön erschöpft, aber gleichzeitig auch genährt und energetisiert. Vor allem fühlte ich mich mit den anderen verbunden und das, obwohl ich vermeintlich nichts aus ihrem Leben wusste. Ich wusste nur, wie sie sich in den letzten Minuten gefühlt haben und das war so viel mehr, als ich in einem Small Talk jemals erfahren hätte.

Aufgrund dieser Erfahrungen wusste ich, dass ich dranbleiben möchte. Es reichte ein Treffen, um die transformative Kraft dieser eigentlich so einfachen Übung zu erkennen und meine Begeisterung zu entfachen.

Mehr ich selbst sein durch Ehrliches Mitteilen

Nach diesem ersten Mal EM trafen wir uns einmal pro Woche, um gemeinsam zu üben. Mit der Zeit wurden meine starken Körperreaktionen bzw. Fluchtimpulse weniger. In meinem Nervensystem schien anzukommen, dass hier keine Bedrohung oder Lebensgefahr besteht. Dadurch konnte ich von Mal zu Mal immer mehr Gefühle und Empfindungen wahrnehmen und mitteilen.

Nach einigen Monaten beobachtete ich auch Veränderungen in meiner Selbstwahrnehmung. Während ich mich als Zuhörerin anfangs noch recht häufig verantwortlich für die Gefühle der anderen gefühlt habe, konnte ich die Gefühle immer mehr bei der anderen lassen. Das hatte etwas unheimlich Erleichterndes.

Umgekehrt konnte ich es als Sprecherin mehr und mehr genießen, meine Gefühle auszudrücken, ohne dass jemand anderes etwas damit macht oder mir reinredet. In meiner Familie war das undenkbar. Da wurden alle meine Gefühle sofort zurückgewiesen, kleingeredet oder sogar bestraft.

Umgang mit Herausforderungen beim Ehrlichen Mitteilen

Nach einer gewissen Zeit entstand eine weitere gemischte lokale Gruppe in meinem Wohnort. Obwohl ich mit meinem damaligen Partner im Zweiersetting bereits EM geübt hatte, waren meine Hemmungen, mich vor anderen Männern mitzuteilen, groß. Aufgrund meiner Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht erschien es mir nicht sicher, mich vor ihnen in dieser Form zu öffnen. Irgendwann wollte ich es dann aber doch ausprobieren und mich meinen Ängsten stellen. 

In der neuen Gruppe gab es einen Mann, der an sich total sympathisch war, dessen Augen mich aber an die meines Vaters erinnerten. Mit diesem Trigger fand ich leider zum damaligen Zeitpunkt noch keinen guten Umgang. Auf der einen Seite verstand ich nicht, dass ich meine Grenzen wie oben beschrieben mitteilen kann und zum anderen wusste ich nicht, dass ich mich nicht zu dem Blickkontakt hätte zwingen müssen. Weil ich das aber tat, fühlte ich mich nach den Treffen unheimlich unwohl, verwirrt, kraftlos und traurig. Aus diesem Grund habe ich nach mehreren Versuchen aufgehört, in der gemischten Gruppe zu üben.

Zum Glück habe ich durch die Videos von Gopal inzwischen gelernt, dass der Blickkontakt gar nicht notwendig ist. Es ist nämlich durchaus auch möglich, auf die Schulter zu schauen oder an der Person vorbei, wenn sich das sicherer anfühlt. Außerdem weiß ich heute, dass ich meine Grenzen jederzeit mitteilen kann. In diesem Fall hätte das so aussehen können:

  • Ich spüre Anspannung, ich spüre Unsicherheit.
  • Ich fühle mich unwohl, ich fühle Abneigung, ich fühle Ekel.
  • Mein Kopf denkt, dass ich hier in Gefahr bin, mein Kopf denkt, dass ich die Übung abbrechen will, mein Kopf denkt, dass ich gerade überfordert bin.

Seit circa zwei Jahren gibt es nun unsere Frauengruppe leider nicht mehr. Seither habe ich viele heilende und schöne Erfahrungen in der gemischten Gruppe gemacht. Heute weiß ich, dass ich hier nichts machen muss, was mir in irgendeiner Form widerstrebt! Das Erleben von Sicherheit soll sich beim Ehrlichen Mitteilen vergrößern und nicht umgekehrt.

Lerne die Heilkraft des Ehrlichen Mitteilens selbst kennen

Man muss es tatsächlich selber ausprobieren, um zu verstehen, wie diese Form der Kommunikation Heilung bringt. Wenn Du neugierig geworden bist und das EM auch ausprobieren möchtest, kannst Du Dir über die Website von Gopal oder die Telegramgruppe eine lokale Gruppe in Deiner Nähe raussuchen und Dich zu einem Treffen anmelden.

„Jeder Mensch kann selbst für seine Heilung sorgen, indem er den Kontakt, der ihm als Kind nicht möglich war, heute herstellt.“ *Klein, Gopal Norbert (2022): Der Vagusschlüssel zur Traumaheilung. Wie „Ehrliches Mitteilen“ unser Nervensystem reguliert.

Hast Du schon mal an einer lokalen Gruppe teilgenommen oder übst vielleicht sogar schon regelmäßig das Ehrliche Mitteilen? Was sind Deine Erfahrungen damit? Ich freue mich auf Deinen Kommentar! 🙂

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Quellenverweise: 

Klein, Gopal Norbert. (2022). Der Vagusschlüssel zur Traumaheilung. Wie „Ehrliches Mitteilen“ unser Nervensystem reguliert. (1. Aufl.). Gräfe und Unzer Verlag.

Lubig, Christin (2023, März). Christin und Jakob auf dem Weg. Ehrliches Mitteilen Magazin (1), 22-23.

 

Weitere Beiträge

Borderline-Persönlichkeit - mehr, als eine Diagnose

Borderline-Persönlichkeit – Du bist mehr als eine Diagnose!

An was denkst Du, wenn Du den Begriff Borderline-Persönlichkeit hörst? Vielleicht geht es Dir ähnlich wie mir und Du reduzierst ihn auch auf selbstzerstörerisches Verhalten. Vor einiger Zeit habe ich Dario Lombardi über Instagram kennengelernt, der sich in seinen Beiträgen diesem Thema zuwendet, weil er im Alter von 23 Jahren selbst die Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung bekommen hat. Im Interview verrät er uns unter anderem, welchen Herausforderungen er durch diese Diagnose begegnet ist, warum er es für notwendig hält, den Begriff zu entstigmatisieren und welche Therapieformen ihm bisher geholfen haben. Egal, ob Du selbst betroffen bist oder nicht. Es lohnt sich, dieses Interview zu lesen!

Was ist eine Borderline-Persönlichkeit?

Lieber Dario, magst Du kurz erklären, was klassischerweise unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung verstanden wird?

Es gibt verschiedene Klassifikationen für psychische Störungen die das Störungsbild unterschiedlich beschreiben. In dem aktuellen Klassifikationssystem der American Psychiatric Association (DSM-5) handelt es sich bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) um ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und in den Affekten sowie von deutlicher Impulsivität.

International gilt das ICD-10, aber ich entscheide mich für das amerikanische Klassifikationssystem DSM-5, weil es in meiner Wahrnehmung die Kriterien der BPS präziser widerspiegelt. Laut diesem Klassifikationssystem müssen fünf der folgenden Kriterien erfüllt sein, um von einer Borderline-Persönlichkeitsstörung auszugehen:

  1. Verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden.
  2. Ein Muster instabiler und intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen, das durch einen Wechsel zwischen den Extremen der Idealisierung und Entwertung gekennzeichnet ist.
  3. Störung der Identität: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung.
  4. Impulsivität in mindestens zwei potenziell selbstschädigenden Bereichen, z.  Geldausgaben, Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, „Essanfälle“. 
  5. Wiederholtes suizidales Verhalten, Suizidandeutungen oder -Drohungen oder Selbstverletzungsverhalten.
  6. Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung, z.  hochgradige episodische Misslaunigkeit, Reizbarkeit oder Angst, wobei diese Verstimmungen gewöhnlich einige Stunden und nur selten mehr als einige Tage andauern.
  7. Chronische Gefühle von Leere.
  8. Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren, z.  häufige Wutausbrüche, andauernde Wut, wiederholte körperliche Auseinandersetzungen.
  9. Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative  Symptome.

Wie würdest Du mit eigenen Worten die klassischen Merkmale der BPS beschreiben?

Zu den klassischen Symptomen zählen starke Emotionen, die nur schwer regulierbar sind, häufige Stimmungsschwankungen, Schwarz-weiß-Denken, destruktives/selbstschädigendes Verhalten, massive Ängste vor dem Verlassenwerden mit einer gleichzeitigen Angst vor dem Verschlungenwerden (Selbstverlust), innere Leere und Dissoziation.

Betroffene leiden unter einer hohen inneren Anspannung, die gerade am Anfang des eigenen Genesungswegs häufig durch dysfunktionales Verhalten abgebaut wird. Dazu zählen zum Beispiel Drogenkonsum oder selbstverletzendes Verhalten.

Das Gefühl, anders als alle anderen zu sein und sich auch in Gruppen einsam und nicht zugehörig zu fühlen, spielt auch eine Rolle. Menschen mit einer BPS haben eine wahnsinnige Sehnsucht nach einer emotional sättigenden Bindung und seelischer Verschmelzung (Symbiose) und gleichzeitig halten sie diese Nähe und Intensität nicht lange aus (Nähe–Distanz Problematik). 

Das Alleinsein mit sich selbst erscheint Betroffenen als existenziell bedrohlich. Die Instabilität des eigenen Selbstbildes zeigt sich darin, dass sie häufig nicht wissen, wer sie eigentlich wirklich sind. Es bestehen Unsicherheiten bei Themen wie den eigenen Zielen, Werten, dem Berufswunsch oder der sexuellen Orientierung.

Wenn Du Dich in den genannten Merkmalen wiederfindest, muss es nicht bedeuten, dass Du automatisch unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leidest. Auch andere Ursachen können zu derartigen Ausprägungen führen. Zudem ist es an dieser Stelle wichtig, Dir vor Augen zu führen, dass es für alles Hilfe gibt und Du nicht ein Leben lang darunter leiden musst.

Wie kann man die BPS von anderen Diagnosen z.B. Suchtkrankeiten, die ja auch selbstzerstörerisch sind, abgrenzen?

Meines Wissensstandes nach sind Suchterkrankungen immer eine Bewältigungs- und Kompensationsstrategie für eine innere seelische Not.

Eine klare Abgrenzung der Diagnosen kann in meinen Augen nicht erfolgen, weil das Suchtverhalten zu den Merkmalen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung zählen kann. Menschen mit einer BPS haben häufig eine gewisse Neigung zu Suchtverhalten, um ihre Bedürftigkeit nach emotionaler Nähe zu kompensieren. Besonders dann, wenn die gewünschte Nähe durch zwischenmenschliche Beziehungen nicht erreichbar ist.

Umgang mit der Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung

Willst Du mit den Leser/innen teilen, wann und wie es zu Deiner Diagnose gekommen und wie es Dir damit ergangen ist?

Ja, gerne. Ich befinde mich bereits seit 2011 in therapeutischer Behandlung, weil ich unter Abhängigkeit, Problemen in zwischenmenschlichen Beziehungen, Schwierigkeiten in der Ausbildung, Wutausbrüchen, Ängsten und depressiven Symptomen gelitten habe. Im Jahr 2015 entschied ich mich zu einem Klinikaufenthalt in der Parlandklinik in Bad Wildungen, um mich zu stabilisieren und meine anhaltenden, belastenden Symptome abklären zu lassen. Dort bekam ich relativ schnell die Diagnose der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Im ersten Moment war mir das ziemlich gleichgültig, weil ich in den Jahren davor schon alle möglichen Diagnosen bekommen hatte. 

Als ich mich in Internetforen zu diesem Störungsbild informierte, wurde ich dann aber sehr instabil. In den Berichten von Angehörigen oder Menschen, die gefährliches Halbwissen verbreiten, fand ich nur negative Beschreibungen zu dieser Diagnose. Es gab Warnungen davor, mit sogenannten „Borderlinern“ in Beziehung zu treten, weil sie anderen emotional schaden würden. Es wurde oftmals verallgemeinert mit Manipulation, emotionaler und/oder körperlicher Gewalt, Untreue, Promiskuität und Übergriffigkeit. Ich war schockiert darüber, dass Borderline fast ausschließlich mit einem radikalen negativen Bild assoziiert wurde.

Ich fing an zu glauben, dass alles in mir und meiner gesamten Persönlichkeit falsch und nicht erwünscht sei. Ich dachte unheilbar krank zu sein und dass für mich kein lebenswertes Leben mehr möglich ist. Das führte bei mir zu großer Hoffnungslosigkeit und am Ende zu einer Krise mit Selbstabwertung und Selbsthass. 

Borderline-Persönlichkeit - Ganzwerdung

Auch in Gesprächen mit Fachärzten habe ich erlebt, dass ich allein durch die Diagnose anders und negativ wahrgenommen wurde. Es gab Therapeut/innen, die mir gesagt haben, dass sie keine „Borderliner“ aufnehmen wollen.
Sowohl im persönlichen Kontakt als auch in Medienberichten oder Youtube-Videos wurde ich mit Sätzen wie diesen konfrontiert: „Borderline hat man nicht, Borderline ist man.“ Oder auch „Borderline hat man ein Leben lang.“ Mir schien es so zu sein, dass von diesen Personen gar nicht mehr der Mensch hinter der Diagnose gesehen wird, der selbstverständlich auch positive Eigenschaften hat. Es hat lange gedauert, bis ich mir neues Wissen angeeignet habe, durch das ich mich neu orientieren und von solchen Stigmatisierungen abgrenzen konnte.

Hilfe für Betroffene einer Borderline-Persönlichkeitsdiagnose

Wie können Betroffene von Borderline Hilfe finden? Welche Therapiemethoden haben Dir besonders geholfen und welche Schritte würdest Du empfehlen?

Ich denke, man kann keine pauschalen Empfehlungen aussprechen. Betroffene mit Borderline haben jedoch in der Regel massive negative Beziehungserfahrungen gemacht, wodurch sie negative Schemata entwickelt haben. Wie zum Beispiel: „In Beziehungen werde ich immer verletzt und deshalb lohnen sie sich nicht“ oder „So wie ich wirklich bin, kann mich niemand lieben“. Ich selbst bin deshalb ein großer Fan der Schematherapie. Diese wurde von Jeffrey E. Young entwickelt und gehört neben der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) und der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) zur dritten Welle der Verhaltenstherapie, also um eine weiterentwickelte Form der klassischen Verhaltenstherapie.

In der Schematherapie spielt die Beziehungsebene eine entscheidende Rolle. Die Bedürfnisse der Betroffenen, die in der Kindheit frustriert wurden, erfahren in der Therapiebeziehung mithilfe des sogenannten „limited reparenting“ häufig zum ersten Mal Wahrnehmung, Anerkennung und eine positive Antwort. Dadurch sind korrigierende Beziehungserfahrungen, also die Veränderung negativer Beziehungsschemata möglich.

Borderline-Persönlichkeit - Therapie
Wenn man diese Form der Zuwendung und Akzeptanz nicht gewohnt ist, kann das am Anfang sehr herausfordernd und triggernd sein. Dranbleiben lohnt sich aber. Für mich kam hier zum ersten Mal in meinem Leben eine gute zwischenmenschliche Beziehung zustande, in der ich mich akzeptiert fühlte, so wie ich bin.

Durch die Arbeit mit den eigenen Persönlichkeitsanteilen, die in der Schematherapie Modi genannt werden, entwickelt man ein besseres Verständnis für sich selbst und schafft es, sich mit einer wohlwollenden Haltung zu begegnen. Auf lange Sicht schafft man es so sich irgendwann selbst eine gute Mutter und/oder ein guter Vater zu sein (Selbstbeelterung). Seine bedürftigen inneren Kind-Anteile auf diese Weise nachnähren zu können, ist ein wichtiger Schritt auf dem eigenen Genesungsweg. Dadurch gelingt es einem, die starke Abhängigkeit von externen Faktoren (z.B. anderen Menschen) zu verringern.

Dario`s Buchempfehlungen zur Schematherapie

Seit ein paar Jahren arbeite ich auch mit körperorientierten Ansätzen wie dem Somatic Experiencing (SE) und dem Neuroaffektiven Beziehungsmodell (NARM). Insbesondere Übungen zur Selbstregulation des Nervensystems, zur Stärkung der Selbstwahrnehmung und zur Steigerung des Körpergewahrseins helfen mir sehr. Auch das Erarbeiten und Setzen von Grenzen sowie das Schaffen innerer und äußerer Ressourcen ist erlernbar.

Der erste Schritt ist auf jeden Fall die Bereitschaft, sich selbst kennen und reflektieren zu lernen. Auch wenn einem in der Vergangenheit eventuell Schlimmes widerfahren ist, trägt man jetzt trotz allem selbst die Verantwortung für das eigene Leben. Diese Verantwortung zu übernehmen, bedeutet natürlich auch Arbeit.

Warum gehst Du seit einiger Zeit mit dem Thema in die Öffentlichkeit? Was ist Dein Herzensanliegen dabei?

Ich war in der Vergangenheit einige Zeit als Co-Moderator einer Borderline-Selbsthilfegruppe tätig und wollte mit meinen Instagram-Beiträgen Aufmerksamkeit auf unsere Gruppe lenken. Zudem geht es mir darum, zu einem differenzierteren Bewusstsein anzuregen. Ich möchte zur Entstigmatisierung des Störungsbildes BPS beitragen.

Ebenso möchte ich dazu anzuregen, sich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen und die Mechanismen zu verstehen, die hinter den belastenden Gefühlen und Verhaltensweisen stehen. Ich will dazu appellieren, dass die Bezeichnung „Borderliner“ durch „Mensch“ ersetzt wird – ein Mensch, der sich seine Geschichte nicht ausgesucht hat und mit der Lebensaufgabe konfrontiert ist, seine Gefühle und Gedanken neu zu definieren, um ein selbsterfüllendes Leben führen zu können, das jeder von uns verdient hat.

Gibt es noch etwas, den Du meinen Leser/innen und/oder Betroffenen gerne mit auf den Weg geben möchtest?

Ja, Du bist MEHR als deine Diagnose(n)! Du bist MEHR als deine Symptome! Du bist MEHR als deine Emotionen! Du bist MEHR als deine Verletzungen und Traumata! Du bist MEHR als deine Unzulänglichkeiten! Du bist MEHR als deine Geschichte! Du bist MEHR als das, was andere über dich reden und denken! Du bist MEHR als du in dir siehst! Alles Liebe Dario

Borderliner-Persönlichkeit - Du bist genug

Danke lieber Dario für dieses aufschlussreiche Interview und Deinen Mut, Dich mit Deiner persönlichen Geschichte zu zeigen.

Wie einleitend bereits erwähnt, habe auch ich den Begriff Borderline-Persönlichkeit immer ganz pauschal mit selbstzerstörerischen Verhalten gleichgesetzt.  Durch Deine Beiträge auf Instagram wurde mir klar, wie komplex dieses Themengebiet ist und dass ich selbst noch vor einigen Jahren wahrscheinlich diesem Störungsbild entsprochen hätte. Demnach sehe ich da auch eine Verbindung zum  Entwicklungs- und Bindungstrauma. In diesem Zusammenhang finde ich auch Deine Erläuterungen zur Schematherapie wertvoll, weil sie mir und vielleicht auch anderen noch eine weitere Möglichkeit für den eigenen Heilungsweg aufzeigen.

Für Deinen weiteren Weg der Heilung sowie für Deine berufliche Entwicklung wünsche ich Dir alles Liebe. Ich bin sicher, dass Du noch vielen Menschen helfen wirst.,

Vagusnerv stimulieren

Der Vagusnerv und die Bedeutung der Polyvagal-Theorie für die Traumaheilung

Die Polyvagal-Theorie ist eine von dem US-amerikanischen Psychiater und Neurowissenschaftler Stephen W. Porges entwickelte Theorie, die sich mit dem Vagusnerv und dessen Einfluss auf unsere zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigt. Sie schenkt uns eine neue Sicht auf das autonome Nervensystem (ANS) und seinen Einfluss auf die Traumaheilung. In diesem Beitrag gebe ich Dir einen Überblick über die Funktionsweise des ANS und die Polyvagal Theorie. Du erfährst, warum ein Gefühl von Sicherheit für Deine Heilung maßgeblich ist und bekommst Übungen an die Hand, mit denen Du Deinen Vagusnerv stimulieren kannst, um dieses Gefühl zu stärken. Zu guter Letzt darfst Du Dich auch in diesem Beitrag über Buchempfehlungen freuen, um Dein Wissen zu diesem Thema noch mehr zu vertiefen. 

Das autonome Nervensystem (ANS)

Das autonome Nervensystem (ANS) ist Teil des komplexen Nervensystems des Menschen, das den ganzen Körper durchzieht. Ohne unseren Einfluss steuert und reguliert es lebenswichtige Körperfunktionen wie etwa Stoffwechsel, Blutkreislauf, Herzschlag, Verdauung und Wärmehaushalt.

Das Hauptziel aller Aktivitäten unseres ANS ist es, unser Überleben zu sichern. Bisher ist man davon ausgegangen, dass es sich zu diesem Zweck zweier Systeme bedient: dem sympathischen und dem parasympathischen Nervensystem oder anders ausgedrückt dem Sympathikus und dem Parasympathikus.

Der Sympathikus aktiviert den Körper in Situationen, die eine erhöhte Aufmerksamkeit oder eine schnelle Reaktion erfordern, wie beispielsweise Stresssituationen oder bei körperlicher Anstrengung. Der Parasympathikus wirkt im Gegensatz dazu beruhigend und fördert Regenerations- und Erholungsprozesse im Körper, wodurch Heilung und ein Zustand von Gesundheit möglich werden.

Im Normalfall, so die Annahme, sorgt die autonome Regulation des ANS dafür, dass wir situationsbedingt zwischen diesen beiden Zuständen hin und her pendeln. Der Psychiater und Neurowissenschaftler Stephen W. Porges fand durch die Erforschung des Vagusnervs als wesentlichen Teil des Parasympathikus jedoch heraus, dass diese Zweiteilung nicht dem wahren Aufbau unseres Nervensystems entspricht.

Der Vagusnerv in der Polyvagal-Theorie

Der Vagusnerv spielt als längster Nerv im Körper eine entscheidende Rolle. Er verläuft vom Hirnstamm bis zum Bauchraum und beeinflusst eine Vielzahl von Organen und Körperfunktionen. In über 40 Jahren Forschung erkannte Porges, dass es sich beim Vagusnerv nicht um einen einzelnen Nerv handelt, sondern das dieser wiederum in zwei Stränge aufgeteilt ist, die anatomisch in unterschiedlichen Körperregionen verlaufen und dadurch verschiedene Aufgaben erfüllen.

Der dorsale (hintere) Vagus beeinflusst überwiegend die inneren Organe, die unterhalb des Zwerchfells liegen: Magen, Darm, Leber und Nieren. Er ist mit dem sympathischen Nervensystem verbunden, das wie bereits erwähnt für die Mobilisierung von Energie zuständig.

Der ventrale (vordere) Vagus beeinflusst hingegen die Bereiche oberhalb des Zwerchfells, vor allem die, die wir für soziale Aktivitäten benötigen: Herz, Kehlkopf, Rachen, Mund, Gesicht und Mittelohr. Er ist für die Aktivierung des parasympathischen Nervensystems verantwortlich und spielt eine entscheidende Rolle in sozialen Interaktionen und der Verbindung zu anderen Menschen. So beeinflusst er unsere Fähigkeit, mit anderen in Beziehung zu treten, soziale Signale wahrzunehmen und angemessen darauf zu reagieren.

In der Polyvagaltheorie geht Porges also davon aus, dass unser ANS aus drei Systemen besteht, die je nach Situation autonom aktiviert werden und unser Verhalten steuern. Die Theorie besagt außerdem, dass unser ANS unsere Umgebung permanent daraufhin untersucht, ob sie sicher, gefährlich oder sogar lebensbedrohlich ist. Dazu verwendet es Signale, die sowohl aus der Umgebung als auch aus den inneren Organen an das ANS übermittelt werden. Dieser Vorgang, Neurozeption genannt, läuft ebenfalls weitgehend unbewusst ab.

Verhaltensstrategien der drei Nervensysteme

Im Folgenden nenne ich die drei Nervensysteme und die entsprechenden Verhaltensstrategien, die je nach Einschätzung einer Situation unabhängig von unserem bewussten Verstand (also völlig autonom) aktiviert werden: 

1. Sozialer Kontakt (Ventraler Vagus)

Wird eine Situation als sicher eingeschätzt, kommt es zu einer Aktivierung des ventralen Vagus. Unsere Herzfrequenz sinkt, die Atmung wird langsamer  und es entsteht ein Zustand der Entspannung und Ruhe. Dieser Zustand ermöglicht es, uns sicher und verbunden zu fühlen und unterstützt die Fähigkeit zur Kommunikation und Empathie. In diesem Zustand und tatsächlich nur in diesem Zustand ist soziale Interaktion und Bindung möglich.

Vagusnerv - Soziale Interaktion

2. Mobilisierung (Sympathikus)

Kommt unser Nervensystem zu der Einschätzung, dass die Situation unsicher ist, wird der Sympathikus mit Kampf-Flucht-Mechanismen aktiviert. Unsere Herzfrequenz erhöht sich, die Atmung beschleunigt sich, die Pupillen werden weit, die Verdauung wird gehemmt und die Freisetzung von Adrenalin und Noradrenalin wird angeregt.

3. Immobilisation (Dorsaler Vagus)

Wird eine Situation sogar als lebensbedrohlich eingeschätzt, weil weder Kampf noch Flucht möglich erscheinen, kommt es zu einer Aktivierung des dorsalen Vagus. Dabei wird unsere Atmung flach, die Herzfrequenz sinkt auf ein Minimum, die Muskelspannung wird äußert gering und die Magen-Darm-Tätigkeit kommt fast zum Erliegen. Es kommt sozusagen zu einem Notfallprogramm, indem unser System in den „Shutdown“ geht. Wir kennen diesen Zustand auch als Totstellreflex, Erstarrung oder Freeze (Einfrieren).

Um unser Überleben zu sichern, werden diese drei Verhaltensstrategien in Stress- oder Bedrohungssituationen der Reihenfolge nach aktiviert. Das heißt, wenn wir uns bedroht fühlen, versuchen wir die Gefahr zunächst durch Interaktion und Kommunikation zu bannen. Gelingt dies nicht oder erscheint der Versuch von vornherein aussichtslos, schaltet unser System um auf „Kampf oder Flucht“. Ist auch dies nicht möglich, bleibt nur noch der Shutdown.

Diese Erkenntnisse schenken einen ganz neuen Zugang zum menschlichen Kontaktverhalten. Wir können daraus ableiten, dass das menschliche Nervensystem grundsätzlich auf Kontakt und Kommunikation ausgerichtet ist. Außerdem wird deutlich, dass Kontakt und Nähe ausschließlich bei einem aktivierten ventralen Vagus möglich sind, was insbesondere in Bezug auf die Heilung von Trauma von Relevanz ist.

Auswirkung von Trauma auf den Vagusnerv und das eigene Leben

Von Trauma ist die Rede, wenn ein Mensch bedrohlichen und überwältigenden Erfahrungen ausgesetzt ist, welche so viel Stress auslösen, dass er diesen mit seinen klassischen Bewältigungsmechanismen nicht mehr begegnen kann. Die Folge ist eine Dysregulation des ANS, einschließlich des Vagusnervs, bei der der Sympathikus überaktiv und der Parasympathikus (ventraler Vagus), unteraktiv ist.

Traumafolge - Dysregulation Vagusnerv

Das heißt, solange ein Trauma nicht verarbeitet werden konnte, kommt das ANS dauerhaft zu der Einschätzung, dass unsere Lebenssituation unsicher oder gar lebensgefährlich ist, obwohl das vielleicht rein objektiv betrachtet gar nicht der Fall ist.

Folgendes Beispiel soll das Ganze veranschaulichen:

Nehmen wir an, wir wurden in unserer Kindheit durch Gewalt seitens des eigenen Vaters traumatisiert. Als Kind waren wir den brutalen Übergriffen vollkommen ausgeliefert. Weder soziale Interaktion noch Flucht-Kampf-Mechanismen konnten unser Überleben sichern. Um zu überleben, mussten wir uns totstellen, womit nicht nur die Abspaltung körperlicher Empfindungen einherging, sondern auch eine psychische Spaltung.

Wir gehen also auch im Erwachsenenalter von einer Bedrohung in unserem Leben aus. Vielleicht ganz allgemein oder ausgelöst durch den Kontakt zu Männern, die Parallelen zum Vater aufweisen. Sogar das bloße In-Beziehung-Sein kann an die schlechten Erfahrungen aus dem Familienumfeld erinnern und die beschriebenen Mechanismen auslösen. 

Zu den klassischen Symptomen eines Lebens in solchen Überlebensmodi zählen eine erhöhte Erregbarkeit, Angstzustände, depressive Verstimmungen, Schlafstörungen, Schwierigkeiten bei der Regulation von Emotionen sowie Schwierigkeiten in sozialen Beziehungen (Angst vor Nähe). Im Prinzip stehen Menschen mit unverarbeiteten Traumata also entweder ständig unter Strom, weil sie im Flucht-Kampf-Modus sind oder sie sind aus dem Shutdown-Modus heraus ständig erschöpft.

Damit unser ANS aufhört auf Gefahren zu reagieren, die in Wahrheit nicht mehr existent sind, müssen wir uns der Traumaheilung zuwenden, wobei uns die Polyvagal Theorie unterstützen kann. 

Die Bedeutung der Polyvagal-Theorie für die Traumaheilung

Die Polyvagal Theorie betont die Bedeutung eines sicheren und unterstützenden Umfelds für die Regulation des autonomen Nervensystems und die Förderung gesunder sozialer Beziehungen. Denn nur, wenn unser ANS zur Einschätzung kommt, dass unsere Umgebung sicher ist, kann Heilung geschehen. Nicht nur, weil unser ANS unser Sozialverhalten beeinflusst, sondern auch, weil es unsere Fähigkeit zum Zuhören und verarbeiten von Informationen steuert.

Je größer die subjektiv empfundene Gefahr eingeschätzt wird, desto weniger Gehirnbereiche stehen uns zur Verfügung. Wird der ventrale Vagus in seiner Aktivität reduziert, sind weite Bereiche unseres kognitiven Verstandes nicht mehr zugänglich. Und wenn wir in einen dorsal-vagalen Zustand verfallen, geht es wortwörtlich nur noch ums blanke Überleben.

Wie wir uns im Alltag verhalten oder zu welchen Verhaltensweisen wir fähig sind, hängt demnach nicht nur von unserem „Wollen“ ab, sondern oftmals auch vom „Können“. Das subjektive Empfinden von Sicherheit ist demnach einer der wichtigsten Punkte auf dem Weg der Ganzwerdung

Das Gefühl von Sicherheit wiederfinden

Vagusnerv stärken für Gefühl von Sicherheit

Um ein Gefühl von Sicherheit in Deinem Leben zu stärken, gilt es zum einen ein äußeres Umfeld zu schaffen, von dem keine Gefahr ausgeht. In diesem Beitrag soll es jedoch um den Vagusnerv gehen, durch dessen Stimulation Du ebenfalls zu Deinem Gefühl von Sicherheit zurückfinden kannst. 

Durch die Stärkung des Vagusnervs förderst Du nämlich die Regulationsfähigkeit Deines Nervensystems und kannst gesündere Verbindungen zu anderen Menschen aufbauen, was sich wiederum vorteilhaft auf Deine Traumaheilung auswirkt.

Darüber hinaus kann die Vagusnerv-Stimulation dazu beitragen, Deine Neuroplastizität zu fördern. Neuroplastizität bezieht sich auf die Fähigkeit Deines Gehirns, sich im Laufe Deines Lebens zu verändern und anzupassen. Es ist ein grundlegender Mechanismus, durch den Dein Gehirn auf neue Erfahrungen und Umweltreize reagiert. Einfach ausgedrückt kann Dein Gehirn also lernen, dass im Hier und Jetzt keine Gefahr mehr besteht.

Welche Möglichkeiten der Vagusnerv-Stärkung gibt es?

Es gibt verschiedene Ansätze zur Stärkung des Vagusnervs, darunter nicht-invasive Techniken wie Atemübungen, Yoga und Meditation, sowie invasive Verfahren durch implantierte Geräte. Im Fokus dieses Beitrags stehen die nicht invasiven Techniken. Jedoch möchte ich der Vollständigkeit halber nur kurz auf beide Ansätze eingehen.

Invasive Techniken

Ein invasiver Ansatz ist die sogenannte Vagusnerv-Stimulation (VNS), bei der ein Gerät implantiert wird, das schwache elektrische Impulse an den Vagusnerv sendet. Diese Impulse aktivieren den dorsalen Vagus und fördern eine verbesserte Regulation und Entspannung. Studien zu Folge soll diese Technik bei der Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und anderen traumabezogenen Symptomen eine gute Wirkung gezeigt haben.

Nicht invasive-Techniken

Doch auch ohne die Implantation eines Geräts können wir unseren Vagusnerv stimulieren. Es gibt eine Reihe einfacher Übungen, die bei regelmäßiger Anwendung helfen können. Ich persönlich schätze den letzten Punkt „Soziale Interaktion“ als am erfolgversprechendsten ein, weil hier der Ursprung von Entwicklungs- und Bindungstrauma liegt. In diesem Zusammenhang empfehle ich das Ehrliche Mitteilen nach Gopal (EM) und verlinke Dir meinen dazugehörigen Beitrag. Vorab erläutere ich aber kurz einige andere, heilsame und leicht anzuwendenden Alltagsübungen:

1. Langsames, tiefes Atmen
Mit einem langsamen, tiefen Atem kannst Du Deinen Vagusnerv stimulieren. Amte dazu langsam und tief in Deinen Bauch ein und aus. Versuche länger auszuatmen, als Du einatmest. Wenn Du magst, kannst Du dabei Sekunden zählen (4 Sekunden einatmen, 8 Sekunden ausatmen). Achte darauf, dass sich Deine Bauchdecke hebt und senkt und Du wirklich gut in den Bauch atmest.

2. Laut Tönen oder Summen
Beim bewussten Summen entstehen Schwingungen und es kommen Muskeln im Rachen und Gaumen zum Einsatz, die mit dem Vagusnerv verbunden sind und ihn stärken können. Du kannst zum Beispiel im Wechsel die Buchstaben A-U-M laut tönen oder summen.

3. Nach rechts und links schauen
Da unsere Augen mit dem Vagusnerv verbunden sind, wirkt sich das starke nach rechts und links schauen positiv auf ihn aus. Wenn Du dabei Deinen Kopf jeweils zur rechten oder linken Schulter neigst, verstärkt es die Wirkung noch.

4. Zunge herausstrecken
Diese Übung wirkt direkt beruhigend auf den Vagusnerv. Öffne dazu Deinen Mund und strecke Deine Zunge so weit Du kannst nach außen unten. Rolle sie dann ein, sodass Deine Zungenspitze fast den Gaumen berührt. Wiederhole das 10-20 Mal.

5. Akupressur und Massage
Ein sanfter Druck auf bestimmte Punkte am Hals oder den Bereich hinter dem Ohrläppchen kann den Vagusnerv stimulieren. Auch die Massage der Ohren ist empfehlenswert. Forme dazu mit Deinem Zeige und Mittelfinger ein V. Setze dann den Zeigefinger hinter dem Ohr und den Mittelfinger vor Deinem Ohr an und streiche hier mit sanftem Druck nach oben und unten.

6. Tiefe, entspannende Klänge
Das Hören von entspannenden, tiefen Klängen, binauralen Beats oder Naturgeräuschen kann ebenfalls zur Stimulation des Vagusnervs beitragen. Auf Youtube findest Du eine große Auswahl solcher Klänge.

7. Achtsamkeitsübungen und Meditation
Entspannungsfördernde Praktiken wie Yoga und Meditation können ebenfalls zur Vagusnerv-Stimulation beitragen. Bestimmte Yoga-Stellungen wie der Fisch oder die Brücke sollen besonders wirksam sein.

8. Soziale Interaktionen
Traumatisierten Menschen fällt Kontakt zu anderen häufig schwer, weil der Ursprung der Entwicklungstraumata in der Verbindung zu anderen Menschen liegt. Positive soziale Interaktionen tragen jedoch in großem Maße zur Stimulation des Vagusnervs bei und Fördern ein Gefühl von Sicherheit. Deshalb liegt hier meiner Einschätzung nach der größte Erfolg, wenn die Interaktion in einem geeigneten und sicheren Rahmen stattfindet. In diesem Zusammenhang möchte ich Dir das Ehrliche Mitteilen (EM) nach Gopal empfehlen, wozu ich bereits einen eigenen Blog-Beitrag verfasst habe. 

Ehrliches Mitteilen (EM) - Heilung von Entwicklungstrauma

Ehrliches Mitteilen (EM) als Schlüssel zur Heilung des Nervensystems

In diesem Beitrag erkläre ich Dir, was genau das Ehrliche Mitteilen ist und wie es Entwicklungstrauma heilen kann. Abschließend lass ich Dich sogar an meinen persönlichen Erfahrungen auf meiner inzwischen knapp 4-jährigen EM-Reise teilhaben.

Wenn Du die Übungen eine Zeitlang ausprobieren möchtest, beachte bitte, dass sie individuell unterschiedlich wirken können. Grundsätzlich solltest Du Dich im Anschluss jedoch wohl, ruhig und entspannt  fühlen. 
Wenn Du bei bestimmten Übungen gesundheitliche Bedenken hast, weil Du an einer Erkrankung leidest, konsultiere bitte vorab einen Arzt oder Therapeuten. Berücksichtige bitte auch, dass die Vagusnerv-Stimulation allein keine Therapie ersetzt, sondern vielmehr als Ergänzung zu anderen psychotherapeutischen Ansätzen betrachtet werden kann.

Buchempfehlungen

Ich hoffe, dass Dir der Beitrag geholfen hat zu erkennen, dass die Stimulation Deines Vagnusnervs eine unterstützende Rolle bei der Regulation Deines autonomen Nervensystems spielt und dadurch positive Auswirkungen auf die emotionale Verarbeitung von Trauma hat. 

Wenn Dich das Thema neugierig gemacht hat und Du mehr darüber erfahren möchtest, empfehle ich Dir  zum Abschluss noch folgende drei Bücher:

Affiliate-/Werbelink: Wenn Du Dir ein Buch über diese Links kaufst, unterstützt Du meine Arbeit, ohne das Dir dadurch ein Nachteil entsteht. Lieben Dank!

Aktuelle Beiträge

Sucht und Trauma

Ist Sucht eine Folge von Trauma und kann man sich nachhaltig davon befreien?

Sucht und Trauma – beides Themen, die mich betreffen und beschäftigen. Viele Jahre meines Lebens war ich süchtig nach Rausch- und Betäubungsmitteln. Ich kenne die inneren Leidenszustände, die damit einhergehen: Der verzweifelte Kampf davon loszukommen sowie Gefühle von Wertlosigkeit und Scham, weil man es trotz fester Vorsätze nicht schafft.

Vor inzwischen genau 10 Jahren hatte ich großes Glück, weil ich eine Therapeutin fand, die trotz meiner Sucht mit mir zusammenarbeiten wollte und mir half, davon loszukommen. Leider ist das jedoch keine Selbstverständlichkeit, denn in der klassischen Psychologie und Psychotherapie werden Sucht und Trauma meist immer noch getrennt voneinander betrachtet. Lassen sich die hohen Rückfallquoten bei Menschen mit Suchtverhalten darauf zurückführen? Ist Sucht etwas, womit man ein Leben lang „kämpfen“ muss oder gibt es Möglichkeiten, sich nachhaltig davon zu befreien?

Ich freue mich sehr, dass ich Prof. Dr. Franz Ruppert zu all meinen Fragen rund um dieses Thema interviewen durfte. Er ist als Autor zahlreicher Bücher und durch die Identitätsorientierte Psychotraumatherapie (IoPT) bekannt, mit der ich in den letzten fünf Jahren große Fortschritte auf meinem Weg der Ganzwerdung gemacht habe.

Allgemeines zu Sucht

Lieber Herr Ruppert, begegnen Ihnen in Ihrer Arbeit mit traumatisierten Menschen häufig Suchtthematiken?

Franz Ruppert: Ja, es kommt ab und zu vor, dass ich mit Menschen arbeite, die unter Sucht oder süchtigen Verhaltensweisen leiden. Einige der zahlreichen Fallbeispiele in meinen Büchern, in denen Menschen das Anliegen äußern, von Zigaretten-, Alkohol- oder Spielsucht loszukommen, spiegeln das wieder.

Welche Formen von Sucht sind Ihnen bekannt und was kennzeichnet diese Süchte?

Franz Ruppert: Sucht gibt es meiner Meinung nach in zweierlei Formen:

  • Als ungehemmten Konsum von Getränken, Nahrungsmitteln, Tabak, Medikamenten oder Chemikalien und
  • Als exzessive Verhaltensweisen wie Arbeiten, Spielen, sexuelle Betätigung, Sport treiben, Fernsehen, Einkaufen und anderes mehr.
Suchtformen - Ganzwerdung

Gekennzeichnet werden süchtige Verhaltensweisen meiner Meinung nach durch:
  • Zwanghaftigkeit,
  • Toleranzentwicklung,
  • Dosissteigerung,
  • Entzugserscheinungen,
  • Weitermachen, trotz negativer Konsequenzen,
  • Verschleierung der Realität des Süchtigseins,
  • Völligen Kontrollverlust.

In all diesen Fällen verhalten sich Menschen konträr zu ihren eigenen existentiellen Interessen. Sie achten nicht darauf, gut und ausreichend zu essen, saubere Luft zu atmen, ihren Körper vor Schädigungen zu schützen, Daseinsfreude zu empfinden und ihr Leben wirklich zu genießen. Statt aus vollem Herzen zu leben und zu lieben, über-leben sie.

Der Zusammenhang von Sucht und Trauma

Gibt es Ihrer Beurteilung nach einen Zusammenhang zwischen Sucht und Trauma und wenn ja, welchen?

Franz Ruppert: Ja, meiner Meinung nach ist Sucht eine Form von Überlebensstrategie, um sich mit den unangenehmen Gefühlszuständen nicht auseinandersetzen zu müssen, die aus abgespaltenen Traumagefühlen herrühren.

Negative Gefühlslagen wie Ängste, Schamgefühle oder Schmerzen werden von süchtig gewordenen Menschen, sobald sie spürbar werden, sofort durch den Konsum von Alltagsdrogen (Alkohol, Zigaretten, Kaffee, Zucker etc.), Medikamente (Schlaf- und Beruhigungsmittel), die Zufuhr gesetzlich verbotener narkotisierender Drogen (Marihuana, Heroin) oder aufputschender chemischer Substanzen (Amphetamine, Kokain) überlagert.

Wie bereits erwähnt sind auch bestimmte Verhaltensweisen geeignet, um hochkommende Traumagefühle wegzudrücken. Zum Beispiel versuchen Soldaten durch Bordellbesuche ihre Ängste durch sexuelle Stimulation zu übertönen.

Das Abspalten der eigenen Gefühle führt wiederum zu innerer Leere, die dann durch künstlich erzeugte Körpersensationen und durch Überaktivität gefüllt wird. Weil der innere Bezug fehlt, gibt es bei alledem keine natürliche Sättigung und kein inneres Empfinden dafür, wann es genug ist.

Sucht und Trauma - Alkohol und Medikamente

Viele Menschen setzen mit ihrer Sucht ihre ursprünglichen Traumatisierungen erneut in Szene. Sie verletzen und vergiften sich selbst, sie nehmen keine Rücksicht auf ihren Körper, sie versuchen, den Dauerstress, unter dem sie in Folge ihrer Traumatisierungen stehen, mit Hilfe der Drogen auszuhalten.

Manche Süchtige erinnern nicht zufällig an kleinkindhaftes Verhalten in der Forderung, Bedürfnisse von außen und ohne Aufschub befriedigt zu bekommen. Die Motive des Suchtverhaltens haben ihre Wurzeln in vielen Fällen in einem Symbiosetrauma, weil die ursprünglichen symbiotischen Bedürfnisse nach Wärme, Geborgenheit und Umsorgtsein niemals befriedigt wurden. Daher sind Alkohol, Cannabis und Heroin beliebte Drogen bei symbiotisch bedürftigen Menschen. Sie können sie kurzfristig wärmen und in Watte packen.

Welchen Nutzen hat die Sucht noch für ein traumatisiertes Nervensystem und was für negative Auswirkungen sind Ihnen bekannt?

Franz Ruppert: Für ein traumatisierendes Nervensystem kann ein Suchtmittel angstlösend, schmerz- und angstbetäubend sein. Die Gefühle von Einsamkeit und Alleinsein, unter dem die meisten Traumatisierten leiden, werden überlagert. Drogen (von Alkohol bis Zucker) vermitteln, zumindest für kurze Zeit die Illusion, alles wäre gut oder zumindest halb so schlimm. Sie erzeugen eine emotionale Scheinwelt von innerer Harmonie.

Jede Droge oder süchtige Verhaltensweise hat jedoch auch vielfältige und langfristige negative Auswirkungen auf den Körper, das Gehirn, die psychischen Leistungen und die sozialen Beziehungen. Die Überlebensstrategien wollen diese Zusammenhänge nicht anerkennen und bringen die negativen Folgen nicht in einen Zusammenhang mit dem Drogenkonsum oder ihren süchtigen Verhaltensweisen. Im Gegenteil, die Droge oder das süchtige Verhalten wird als das Heilmittel für die unerträglichen emotionalen und körperlichen Zustände benutzt, die jedoch immer mehr von der Droge selbst hervorgerufen werden, je länger der Suchtprozess voranschreitet.

Dadurch entstehen die bekannten Aufschaukelungsprozesse, die zwangsläufig zu einer Dosissteigerung des Konsums und der süchtigen Handlungen führen, die im Endstadium dann nur noch die Entzugserscheinungen überdecken können.

Süchtiges Verhalten ist somit eine Überlebensstrategie, die bis an die Grenzen der seelischen, körperlichen und sozialen Ressourcen eines Menschen geht und zuweilen weit darüber hinaus. Dies belegen die vielen körperlich schwer kranken Alkoholiker und nikotinabhängigen Raucher und die zahlreichen Herointoten.

Können anhand des Ausmaßes einer Sucht Rückschlüsse auf die Schwere der erlebten Traumata gezogen werden?

Franz Ruppert: Je schwerwiegender die ursprünglichen Traumatisierungen sind, desto „härter“ sind die von einem Süchtigen verwendeten Drogen und desto intensiver ist ihr Konsum. Auch bei den süchtigen Verhaltensweisen ist ein Rückschluss zwischen dem Ausmaß der zwanghaft durchgeführten Handlungen und der Schwere der Traumatisierung möglich.

Man kann das Ausmaß einer der Sucht zugrundeliegenden Traumatisierung auch daran abschätzen, wie schwer oder leicht es jemandem fällt, seinen Drogenkonsum oder sein Suchtverhalten aufzugeben. Wer z.B. aus einer schlechten Angewohnheit heraus zum Zigarettenraucher geworden ist, kann relativ schnell auf das Rauchen wieder verzichten. Wer hingegen mit dem Nikotin seine Übererregungszustände kontrolliert, sich betäubt und ablenkt, um seine negativen Gefühle nicht spüren zu müssen, seine innere Leere aufzufüllen versucht oder darüber Gefühle erzeugt, die seine symbiotische Verstrickung in seiner Familie widerspiegeln, steht unter dem Einfluss eines schweren Traumas.

Sucht und Trauma in der klassischen Psychotherapie

In der Psychologie und Psychotherapie werden Sucht und Trauma häufig isoliert voneinander betrachtet und es wird behauptet, dass zunächst die Sucht bewältigt werden muss, bevor man sich seinen Traumata zuwenden kann.

1. Liegt hier Ihrer Meinung nach eine fundamentale Fehleinschätzung vor?

Franz Ruppert: Sucht und Trauma sind miteinander verwoben und können meiner Meinung nach nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Folgesymptome müssen deshalb immer im Zusammenhang gesehen und therapiert werden.

2. Kann die hohe Rückfallquote bei traumatisierten Abhängigen dadurch erklärt werden?

Franz Ruppert: Meiner Meinung nach ja. Solange unverarbeitete Traumata in der Therapie keine Beachtung finden und das Symptom „Sucht“ isoliert behandelt wird, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem Rückfall kommt. In vielen Fällen torpedieren die süchtigen Überlebensanteile aber auch eine Psychotherapie oder machen sie nur aus Berechnung mit, um z.B. richterliche Auflagen zu erfüllen.

3. Welche Folgen können durch die isolierte Betrachtung von Sucht in der Diagnostik auftreten?

Franz Ruppert: Häufig werden Menschen z.B. durch eine bestimmte Form der psychiatrischen und psychologischen Diagnostik zu Unrecht in eine Täterrolle gebracht und dann durch die Art der Behandlung in einer Opferrolle gehalten. Wird etwa bei einem Mädchen, welches nichts mehr isst, die Diagnose „Magersucht“ gestellt, geschieht folgendes:

    • Man definiert sie als eine kranke Person.
    • Indem man ihr Verhalten der Essensverweigerung von seinen Ursachen isoliert, wird letztendlich alleine dem Mädchen die Schuld darangegeben, dass sie sich „nicht normal“ verhält.
    • Durch diese Diagnostik wird das Mädchen notfalls mit Gewalt gezwungen, wieder „normal“ zu essen.

Wenn wir jedoch wissen, dass die Essensverweigerung eine Reaktion auf die Ablehnung und Lieblosigkeit seitens der Mutter und auf die Gewalt und den sexuellen Missbrauch seitens des Vaters ist, so wird die Absurdität einer solchen Diagnostik offenbar, dieses Mädchen wäre „süchtig“ danach, „mager“ zu sein.

In Wirklichkeit bringt das Mädchen durch seine Essenverweigerung eine Täter-Opfer-Spaltung in sich selbst zum Ausdruck, indem ihr eigener Täteranteil, der abgespalten in ihrem Kopf sitzt, den Opferanteil, den ihr eigener Körper repräsentiert, unterdrückt und auslöschen möchte.

Magersucht und Trauma - Ganzwerdung

Können Sie die Täter-Opfer-Spaltung an einem weiteren Beispiel erklären?

Franz Ruppert: Ja, gerne am Fallbeispiel „Das Zigarettenrauchen stoppen“ von meiner Klientin Marlene:

Marlene möchte ihr süchtiges Rauchen beenden. Immer wenn sie das jedoch versucht, gerät sie in ein Panikgefühl. In ihrer IoPT-Aufstellung (siehe unten) zeigte dieser Anteil, den sie für ihr süchtiges Rauchen aufstellte, eine Doppelnatur. Es war ein Mann, der einerseits jemand repräsentierte, der sie als Jugendliche brutal vergewaltigt hatte. Sie hatte dies bis dato vollkommen aus ihrem Bewusstsein verdrängt, da sie während der Vergewaltigung ihren Köper die ganze Zeit bewusst verlassen hatte. Andererseits brachte der Stellvertreter für dieses süchtige Rauchen zum Ausdruck, dass er sterben wollte. Im Rauchen spiegelte sich also die Täter-Opfer-Spaltung von Merlene wieder. Mit dem Rauchen reinszenierte sie ihre orale Vergewaltigung (Zigarette in den Mund stecken und Gifte = Sperma inhalieren und hinunterschlucken) und zugleich dient das Einatmen von Nikotin dazu, ihre Panik zu narkotisieren.

Ist eine Befreiung aus der Sucht möglich?

Bei Alkoholabhängigkeit wird von einer Krankheit ausgegangen, die ein Leben lang besteht. Teilen Sie diese Definition und Ansicht? Wird eine Sucht ein Leben lang bestehen bleiben?

Franz Ruppert: Ich persönlich bin der Meinung, dass wenn man an der Ursache seiner Sucht arbeitet, man auch ganz aus der Suchtdynamik aussteigen kann. Wenn wir davon ausgehen, dass es sich bei Sucht um eine Überlebensstrategie handelt, dann wird diese nicht mehr benötigt, sobald die Ursache Beachtung findet. Wenn die abgespaltenen Traumagefühle gesehen und gefühlt werden, besteht keine Notwendigkeit mehr, sie mithilfe der Sucht zu verdrängen.

Was ist Ihrer Ansicht nach nötig, um sich nachhaltig von Sucht und Abhängigkeit zu befreien? 

Franz Ruppert: Um die Zusammenhänge von Sucht und Trauma zu verstehen und den Willen zu entwickeln, aus Suchtprozessen auszusteigen, braucht es zunächst Persönlichkeitsanteile, die trotz jahrzehntelangen Drogenkonsums noch gesund geblieben sind.

Der erste Schritt besteht dann darin, sich die Sucht einzugestehen und sie nicht länger zu verdrängen oder zu bagatellisieren. Dann müssen aus Eigeninitiative heraus weitere Schritte gegangen werden, um sich von der Sucht zu befreien. Meiner Meinung nach funktioniert das über das Fühlen der Gefühle, die im Zusammenhang mit der eigenen Traumabiografie früher nicht gefühlt werden konnten, heute aber durchaus gefühlt werden können.

Wenn Sucht als bevorzugte Überlebensstrategie in Familien über Generationen hinweg gelebt wird, ist es eine besondere Herausforderung, sich aus diesen Dynamiken zu befreien. Dabei geht es nicht nur um das Suchtverhalten, sondern auch um die vielfältigen Formen der Traumaverdrängung, die durch Arbeits-, Konsum-, Spiel- oder Sexsucht ausgelebt werden.

Wie kann die IoPT Menschen mit Suchtproblematik helfen?

Trauma heilen und von Sucht befreien

Franz Ruppert: Die IoPT ist eine Form der Selbstbegegnung, die es ermöglicht, Zugang zu den eigenen abgespaltenen und unterdrückten Traumagefühlen zu bekommen und destruktive familiäre Verstrickungen sichtbar zu machen. Jeder, der diese Therapieform wählt, bringt ein selbst formuliertes Anliegen mit und geht dadurch in die Selbstverantwortung. Auf dieses Weise können unbewusste und unverarbeitete Traumata und Überlebensmechanismen zutage treten und Schritt für Schritt geheilt werden. Das Suchtverhalten, das bisher dazu diente, die Traumagefühle nicht zu fühlen, kann so langfristig aufgegeben werden. Neulich z.B. hat ein Mann an seiner Pornosucht gearbeitet, die dann völlig in den Hintergrund getreten ist, sobald er sich in der Aufstellung mit seinem gesunden Ich verbunden hatte.

Möchten Sie meinen LeserInnen abschließend noch etwas mit auf den Weg geben?

Franz Ruppert: Wichtig ist, sich seiner Suchtthematik offen zu stellen. Wenn Scham- oder Schuldgefühle mit der Sucht einhergehen, ist es notwendig, diese zu überwinden und z.B. in einer Gruppe die eigene Suchtthematik offen einzugestehen. Außerdem sollte man Geduld mit sich haben. Traumabewältigung braucht Zeit.

 

Vielen Dank Herr Ruppert für dieses aufschlussreiche Interview!

Wer ist Prof. Dr. Franz Ruppert?

Franz Ruppert ist ein Psychotraumatologe, der als Professor für Psychologie an der katholischen Stiftungshochschule und als psychologischer Psychotherapeut in eigener Praxis in München tätig ist. Er hat die Identitätsorientierte Psychotraumatherapie (IoPT) entwickelt und ist Autor zahlreicher Bücher, in denen er sich mit dem Thema Trauma auseinandersetzt.

Bevor er die IoPT entwickelte, arbeitete er viele Jahre mit dem Familienstellen nach Hellinger, bemerkte jedoch im Laufe der Zeit immer größere Unstimmigkeiten. Durch seine intensive Beschäftigung mit der Bindungstheorie von John Bowlby erkannte er in den Aufstellungen kindliche Bindungsmuster, die sich in späteren Beziehungen ständig wiederholten. Er schlussfolgerte daraus, dass ein Großteil aller Probleme durch frühe Traumata hervorgerufen werden. 

Die IoPT, die auf dem Verfahren „Selbstbegegnung mit dem Anliegensatz“ fußt, ist eine wirkungsvolle Methode, um die psychische Spaltung in Folge von frühen Traumatisierungen zu erkennen und durch das Benennen und Fühlen wieder Kontakt zu den eigenen, abgespaltenen Anteilen aufzunehmen.

Negative Glaubenssätze transformieren

Negative Glaubenssätze transformieren in vier Schritten

Wusstest Du, dass unser Fühlen, Denken und Handeln unablässig von negativen Glaubenssätzen beeinflusst wird? Viele dieser Glaubenssätze wirken sich nachteilig auf unser Leben und unsere Beziehungen aus. Deshalb lohnt es sich, auf Forschungsreise nach diesen meist unbewussten Überzeugungen zu gehen, um sie nachhaltig zu transformieren. Ich selbst arbeite seit fast 20 Jahren erfolgreich mit meinen Glaubenssätzen und zeige Dir in diesem Beitrag, wie ich vorgehe, um negative Glaubenssätze gegen neue, positive zu ersetzen.  

Was sind Glaubenssätze?

Glaubenssätze oder auch Glaubensmuster sind tief verwurzelte Überzeugungen, die wir als Reaktion auf unsere Umwelt verinnerlicht haben, um mit den Gegebenheiten in unserem Leben zurechtzukommen. Sie können sowohl positiv (Ich werde geliebt) als auch negativ (Niemand liebt mich) sein.

Wie entstehen Glaubenssätze?

Glaubenssätze entstehen als Schlussfolgerung auf wiederholt gemachte Erfahrungen oder auch durch Aneignung von Wissen und Fähigkeiten. Die meisten unserer Glaubenssätze, vor allem die, die unbewusst unser Leben beeinflussen, haben wir uns nicht selbst ausgesucht. Sie sind das Resultat früher Prägungen in unserer Kindheit.

Ein Kind wird völlig frei von Wissen, Überzeugungen und Glaubenssätzen geboren. Es ist wie ein unbeschriebenes Blatt, dass ungefiltert alles aus seiner Umgebung aufnimmt. Die Eltern und andere Bezugspersonen sind für das sich entwickelnde Kind ein Vorbild. Es ahmt Verhaltensweisen nach, die ihm vorgelebt werden und übernimmt Aussagen als eigene Wahrheit, die es in seinem Umfeld immer wieder zu hören kriegt. Auf diese Weise eignet sich ein heranwachsender Mensch seine ersten Glaubenssätze an, die mit der Zeit zu Glaubensmustern werden.

Welchen Einfluss haben Glaubenssätze auf unser Leben?

Unsere Glaubenssätze funktionieren wie eine Art Bewertungsmechanismus, der in sämtlichen Situationen aktiv ist, sich aber völlig unserer Kontrolle entzieht. Wir nehmen Dinge im Außen wahr und ohne uns dessen bewusst zu sein, findet eine innere Bewertung statt, welche die Grundlage für unser Denken, Fühlen und Handeln darstellt. Glaubensmuster sind also wie eine Brille, durch die wir die Welt sehen und die Dinge bewerten, die sich vor unseren Augen oder in unserem Inneren abspielen.

Angeeignete Glaubenssätze können auch als eine Art Überlebensstrategie oder Schutzfunktion angesehen werden. Wir nehmen eine Überzeugung aus unserem Familiensystem an, um geliebt und geschützt zu werden. Oder wir versuchen uns vor Kritik, Enttäuschung oder Verletzung zu schützen, indem wir zum Beispiel den negativen Glaubenssatz verinnerlichen: „Ich schaffe das sowieso nicht“.

Wie wirken negative Glaubenssätze?

Hast Du nur positive Glaubenssätze über Dich, das Leben und andere Menschen verinnerlicht, besteht vermutlich kein Anlass zur Veränderung, weil Dein Denken, Fühlen und Handeln positiv beeinflusst wird. Es sind die negativen Glaubensmuster, die ein Problem darstellen, weil sie Deine Lebensqualität beeinträchtigen.

Um das zu verstehen, kannst Du negative Glaubenssätze auch mit selbst erfüllenden Prophezeiungen vergleichen. Wenn Du zum Beispiel glaubst, etwas nicht zu schaffen, dann behältst Du damit mit großer Wahrscheinlichkeit auch recht. Denn Du traust Dir selbst nichts zu, fühlst Dich unsicher und wirst bestimmte Dinge gänzlich vermeiden. 

Negative Glaubenssätze schwächen Dich und schränken Dein Potenzial ein, wohingegen positive Glaubenssätze Dich stark machen und Möglichkeiten eröffnen.

Glaubenssätze transformieren

Negative Glaubenssätze unterteilen

Wenn Du unsicher bist, wo Du bei der Arbeit mit Deinen negativen Glaubenssätzen überhaupt anfangen sollst, hilft es Dir, Deine Glaubenssätze in Bereiche zu unterteilen. Ich selbst unterscheide folgende zwei Kategorien:

  • Glaubenssätze über mich selbst (Selbstwert, Fähigkeiten, Aussehen etc.)
  • Glaubenssätze über das Leben, die Welt, andere Menschen oder bestimmte Lebensbereiche außerhalb von mir selbst (z.B.: Liebe, Ehe, Sexualität, Freundschaft, Gesundheit, Geld, Arbeit, Sport, Politik etc.)

Solltest Du Dich noch nie mit Deinen Glaubensmustern auseinandergesetzt haben, empfehle ich Dir mit denen über Dich selbst anzufangen, denn sie haben Einfluss auf alle Deine Lebensbereiche. So wird Deine innere Überzeugung wertlos, dumm oder hässlich zu sein, ziemlich sicher Einfluss auf Deine Beziehungen, Deine Sexualität, Deine Jobsituation und auch Deinen Umgang mit Geld nehmen.

Damit Du eine Vorstellung davon bekommst, wie solche negativen Glaubenssätze aussehen, findest Du nachstehend einige Beispiele aus den beiden Kategorien:

Negative Glaubenssätze über Dich selbst:
  • Ich bin nicht gut genug
  • Ich bin ein/e Versager/in
  • Ich bin ein Schwächling
  • Ich bin nicht normal
  • Ich bin krank
  • Ich bin wertlos
  • Ich bin dumm
  • Ich bin nervig
  • Ich bin hässlich
  • Ich bin eklig
  • Ich bin Zuviel
  • Ich bin Ballast
  • Ich darf nicht da sein
  • Ich bringe allen nur Pech
  • Ich werde von allen gehasst
  • Ich verdiene es nicht glücklich zu sein
  • Ich verdiene es nicht geliebt zu werden
  • Ich werde nur geliebt/gesehen, wenn…
  • Ich kann nicht (gut) vorlesen, singen, tanzen, reparieren….
Negative Glaubenssätze über das Leben, die Welt, andere Menschen oder bestimmte Lebensbereiche:
  • Die Welt ist ein gefährlicher Ort
  • Das Leben ist anstrengend
  • Man kann niemandem vertrauen
  • Andere Menschen wollen mir Böses
  • Alle anderen sind besser als ich
  • Nichts und niemand kann mir helfen
  • Mein Körper ist gegen mich
  • Sport ist Mord
  • Alle reichen Menschen sind Betrüger
  • Für Geld muss man Opfer bringen
  • Alle wollen nur mein Geld
  • Bei Geld hört die Freundschaft auf
  • Liebe verursacht Schmerz
  • Beim Sex geht es nur um den/die andere/n
  • Ich bin ein/e schlechte Ehefrau/Ehemann
  • Ich bin ein/e schlechte/r Mutter/Vater

Negative Glaubenssätze transformieren in vier Schritten

Besonders wenn Du Schwierigkeiten in bestimmten Lebensbereichen wahrnimmst oder Du Dein Selbstwertgefühl steigern willst, lohnt es sich, auf Forschungsreise nach den eigenen negativen Glaubenssätzen zu gehen. Es handelt sich dabei wirklich um eine Art Forschungsreise, weil wir Überzeugungen beleuchten wollen, die bisher in unserem Unterbewusstsein ihr Unwesen getrieben haben.

Glaubenssätze erforschen

Sei Dir im Klaren darüber, dass dieser Prozess mit schmerzlichen Einsichten und Gefühlen einhergehen kann. Dir einzugestehen, dass Du niemandem vertraust und Dich daran zu erinnern, warum Du so einen Glaubenssatz verinnerlicht hast, kann wehtun. Aber nur, wenn Du Dir Deiner negativen Glaubensmuster bewusst bist, kannst Du sie mithilfe der folgenden vier Schritte transformieren: 

Schritt 1: Bestandsaufnahme Deiner negativen Glaubenssätze

Für die Bestandsaufnahme Deiner negativen Glaubenssätze brauchst Du einen Zettel und einen Stift. Dann entscheide Dich zunächst für eine der beiden Kategorien. Möchtest Du Dich Deinen Glaubenssätzen über Dich selbst zuwenden? Oder wählst Du einen bestimmten Lebensbereich, in dem Du Dich weiterentwickeln willst?

Zur Veranschaulichung dieser Anleitung wähle ich den Bereich Geld. Solltest Du Glaubensmuster über Dich selbst oder einen anderen Bereich gewählt haben, dann versuche das Folgende auf Dein gewähltes Thema zu übertragen.
Es geht letztlich darum, zu Deinen frühesten Erinnerungen und Prägungen zu Deinem gewählten Thema vorzudringen. Begib Dich dafür auf eine kleine Reise in Deine Kindheit und gehe innerlich die folgenden Fragen durch, indem Du Dir Notizen machst:

  • Was hast Du in Deiner Kindheit über Geld gelernt? Wurde Geld als schlecht angesehen oder als etwas Gutes, mit dem man Gutes bewirken kann?
  • Wurde Dir beigebracht und erklärt, wie Du sinnvoll und gewinnbringend mit Geld umgehst und welchen Nutzen es Dir bringt?
  • Wie wurde in Deiner Familie über Geld gesprochen? War es ein Streitthema oder wurde es gänzlich gemieden?
  • Wie wurde über wohlhabende Menschen gesprochen? Wurden sie als gleich angesehen, bewundert oder abgewertet?
  • Wie wurde in Deiner Familie mit Geld umgegangen? War immer genug Geld da? Wurde es gern ausgegeben? Wurde es gespart? Wurde gut damit umgegangen (z.B. durch Buchführung)? 
  • Wann hast Du das erste Mal Geld bekommen und erinnerst Du Dich noch, wie das für Dich war? Musstest Du Dir Geld erst verdienen? Hat es sich gut angefühlt, Geld zu haben? Hast Du es schnell ausgegeben oder lieber gespart?
  • Haben Deine Geschwister mehr oder weniger Geld gehabt als Du? Was hast Du dadurch womöglich verinnerlicht?

Komm im Anschluss zurück ins Hier und Jetzt und versuche mittels Deiner Erinnerungen und Notizen negative Glaubenssätze abzuleiten, die Du Dir zum Thema Geld angeeignet hast. Schreibe so viele Glaubenssätze wie möglich auf Deinen Zettel.  

Wenn Deine Eltern zum Beispiel viel über Geld gestritten haben, könnte einer Deiner Glaubenssätze lauten: „Geld bringt nur Ärger“. Vielleicht musstest Du Dir Geld durch Arbeit im Haushalt erst verdienen. Dann glaubst Du womöglich: „Für Geld muss man hart arbeiten“. Wurde in Deiner Familie schlecht über wohlhabende Menschen gesprochen, trägst Du vielleicht die Überzeugung: „Reiche sind alles Betrüger“ in Dir.

Schritt 2: Formulierung neuer Glaubenssätze (Affirmationen)

Affirmationen aufschreiben

Im zweiten Schritt kannst Du all die Glaubenssätze, die sich begrenzend oder sogar schmerzlich anfühlen, verabschieden, indem Du neue formulierst und aufschreibst. Dabei kannst Du den negativen Glaubenssatz in sein positives Gegenteil umwandeln oder ganz neue Glaubenssätze formulieren, die Dir von jetzt an dienlicher erscheinen.

Nimm Dir Zeit und überlege Dir ganz bewusst, wie Du ab sofort über Geld denken und vor allem, wie Dich mit Geld fühlen willst. Wie würde es sich anfühlen, wenn unendlich viel Geld hättest und das auch genießen könntest? Würdest Du Dich frei, sicher und freudvoll fühlen? Dann schreib das auf: „Ich fühle mich frei, sicher und freundvoll mit Geld an meiner Seite“.

Weitere Beispiele:

Geld bringt nur Ärger                                    –              Geld eröffnet neue Möglichkeiten

Geld ist nicht wichtig                                     –              Geld ist mir von jetzt an wichtig

Scheiß Geld                                                       –              Ich mag Geld (und Geld mag mich)

Über Geld spricht man nicht                       –              Ich beschließe über Geld zu sprechen, weil ich so neues lernen kann

Das kann ich mir nicht leisten                    –              Ich kann mir von jetzt an alles leisten

Bei Geld hört die Freundschaft auf          –              Durch Geld können neue Freundschaften entstehen

Geld muss man sich erst verdienen        –              Geld ist ein natürlicher Bestandteil meines Lebens

Für Geld muss man hart arbeiten             –              Geld fließt mit Leichtigkeit in mein Leben

Ich habe nie genug                                         –              Es ist immer genug für mich da

Reiche Menschen sind unmoralisch        –              Reiche Menschen können gut mit Geld umgehen

Geld stresst mich                                            –              Ich fühle mich wohl mit Geld

Schritt 3: Überprüfung auf Glaubwürdigkeit

Damit die Transformation Deiner Glaubensmuster wirklich zu nachhaltigen Veränderungen in Deinem Leben führt, musst Du Deine Affirmationen im dritten Schritt einer Überprüfung unterziehen.

Wenn die Wirkung von Affirmationen angezweifelt wird, liegt das meiner Auffassung nach daran, dass dieser wichtige Punkt außer acht gelassen wurde. Um das zu vermeiden gilt es zwei Aspekte sicherzustellen. Du musst Dir Deine Affirmationen selbst glauben können und sie müssen sich beim Lesen gut anfühlen.  

a.) Kannst Du Deinen neuen Glaubenssatz glauben?

Um zu überprüfen, ob Du Deine neuen Glaubenssätze wirklich glauben kannst, gehe Deine Liste gewissenhaft durch und stelle Dir bei jedem Satz diese Zauberfrage:

Ist das wirklich wahr?

Nehmen wir an Du bist gerade nicht gut auf Geld zu sprechen und wählst dann die Affirmation „Ich liebe Geld“. Wenn Du Dich jetzt fragst, ob das wirklich wahr ist, wird die Antwort vermutlich Nein lauten. Im Folgeschluss musst Du Dir eingestehen, dass Du vielleicht sogar gerade Groll auf Geld hegst. Wähle stattdessen die Formulierung „Ich bin gewillt, Geld zu lieben“. Oder „Ich will ab jetzt eine liebevolle Beziehung mit Geld führen“. Wenn Du Dich bei so einem Satz fragst, ob das wirklich wahr ist, wirst Du das bejahen können. Du hast also eine gelungene Affirmation formuliert.

Manchmal hilft es auch, einen neuen Blickpunkt einzunehmen. Vielleicht fühlt es sich nicht wie die Wahrheit an, wenn Du sagst „Es ist immer mehr als genug Geld für mich da“. Aber überleg mal, wie viel Geld dort draußen im Umlauf ist. Wieso sollte das nicht auch für Dich da sein?

b.)  Fühlt sich Dein neuer Glaubenssatz gut an?

Das Fühlen spielt bei der Transformation alter Glaubensmuster eine elementare Rolle. Denn unser Gehirn ist darauf programmiert, Schmerz zu vermeiden und Freude herbeizuführen. Dein Denken und Handeln folgt also dem guten Gefühl!

Sollte die Affirmation „Es ist immer genug für mich da“ sich für Dich nicht gut anfühlen, weil Du beim Lesen sofort daran denkst, dass Du gerade Pleite bist, überlege Dir unbedingt eine passendere Formulierung wie z.B.: „Es wird von Tag zu Tag mehr für mich da sein“.

Versuche also darauf zu achten, dass Dich Deine Affirmationen beim Lesen beflügeln und Du Optimismus und Vorfreude empfindest. 

Schritt 4: Üben, üben, üben

Mit den Schritten 1-3 hast Du nun den Grundstein für große Veränderungen in Deinem Leben gelegt. Jetzt heißt es dranbleiben und fleißig mit den neu gewonnenen Affirmationen üben. Denn die alten Überzeugungen, die bisher Einfluss auf Dein Fühlen, Denken und Handeln genommen haben, hast Du ein Leben lang einstudiert. Um sie nachhaltig von Deiner Festplatte zu löschen und zu überschreiben, brauchst Du Geduld und Durchhaltevermögen. Wenn Du jedoch Deine Affirmationen oft genug wiederholst, werden sie irgendwann auch zu Glaubensmustern übergehen. 

Neuronale Rekonditionierung

Es heißt, dass es 21 Tage dauert, bis ein neuer Gedanke ins System übergegangen ist. Da unser Unterbewusstsein abends vorm Einschlafen und direkt morgens nach dem Aufwachen am aufnahmefähigsten ist, solltest Du Dir Deine Sätze so lange besonders dann durchlesen.

Ich persönlich spreche mir meine neuen Affirmationen immer auf und höre sie so oft es geht. Beim Sport machen, Autofahren, Essen kochen, vor allem aber abends beim Einschlafen. Ich nutze auch gerne Affirmationskarten, die ich schön gestalte und in meiner Wohnung verteile. Vielleicht findest Du in meinem Affirmationskalender im Bereich „Für Dich“ ja bereits einige für Dich passende Affirmationskarten zum Ausdrucken und Üben? 

Ich wünsche Dir nun viel Freude bei der Aktualisierung Deiner negativen Glaubenssätze. Du wirst sehen, dass diese Arbeit sehr wertvoll ist und Dich in Deiner Persönlichkeitsentwicklung sowie Deiner Ganzwerdung enorm stärkt und voranbringt. Alles, was bisher in unserem Unbewussten schlummert, bietet durch Bewusstwerdung das Potenzial für Ent-wicklung und Wachstum. ♥

Schön, dass Du da bist!

Bindungstrauma - Entstehung, Folgen und Überwindung

Bindungsangst – Entstehung, Folgen und Überwindung

Genau wie ich wünschen sich die meisten Menschen glückliche Beziehungen in ihrem Leben. Bleibt dieser Wunsch unerfüllt, weil sich Konflikte und Probleme ständig wiederholen und wir uns am Ende doch wieder allein vorfinden, kann eine unbewusste Bindungsangst als Folge von Bindungstrauma die Ursache sein. Wie Bindung entsteht, welche Bindungsstile es gibt und woran Du erkennst, ob Du Bindungsangst hast, erkläre ich in diesem Beitrag. Außerdem erläutere ich die vier wichtigsten Voraussetzungen zur Überwindung von Bindungsangst.

Was ist die Ursache von Bindungsangst?

Bindungsangst ist in der Regel die Folge von frühen Bindungstraumatisierungen. Anders als beim Schocktrauma ist der Auslöser beim Bindungstrauma nicht ein einmaliges Ereignis, sondern wiederholte Erfahrungen im Entwicklungsprozess eines Menschen. Zum Beispiel, wenn wir in einem Umfeld aufwachsen, das uns ablehnt, nicht ernst nimmt, nur unter bestimmten Voraussetzungen liebt oder uns mit Gewalt und Missbrauch konfrontiert.

Neuere Erkenntnisse aus Epigenetik, Medizin und Psychologie belegen sogar, dass Bindung nicht erst nach der Geburt entsteht, sondern bereits viel früher. Demzufolge kann sich ein Bindungstrauma bereits vor und während unserer Geburt entwickeln.

Wie entsteht Bindung?

Im Folgenden beschreibe ich die drei Lebensphasen, in denen Bindung entsteht und wir besonders anfällig für Bindungstraumatisierungen sind: vor der Geburt, während der Geburt und nach der Geburt. Diese frühen Lebensphasen prägen unseren späteren Bindungsstil und können die Ursache unserer Bindungsangst sein. Der Kontakt zu unserer Mutter spielt dabei eine zentrale Rolle, denn sie ist unser erster Bezugspunkt, und an sie sind wir durch die Nabelschnur gebunden.

Vor der Geburt

Vor der Geburt ist unser Überleben von unserer Mutter abhängig, denn wir sind vollkommen eins mit ihr. Entgegen früherer Annahmen fühlten wir bereits alles, was unsere Mutter fühlte. Wenn sie enormen Stress ausgesetzt war, Gewalt erfuhr oder uns ablehnte, dann haben wir das als lebensbedrohlich wahrgenommen. Ein gescheiterter Abtreibungsversuch ist deshalb auch eine der schlimmsten Traumatisierungen eines Menschen überhaupt.

Unsere Bindung wurde auch durch das beeinflusst, was unsere Mutter zu sich nahm. Konsumierte sie während der Schwangerschaft Drogen, Alkohol oder Zigaretten, vergiftete sie uns damit und wir fühlten uns in unserer Existenz bedroht. Bindung haben wir demnach von Beginn an als toxisch und unsicher erfahren.

Während der Geburt

Auch der Geburtsprozess hatte maßgeblichen Einfluss auf das Bindungsverhalten zwischen uns und unserer Mutter. Während einer Schwangerschaft und beim Einsetzen der Wehen werden verschiedene Hormone ausgeschüttet, die die Bindung zwischen Mutter und Kind sicherstellen sollen. Kommt es zu Komplikationen wie einer zu frühen Geburt, dem Einsatz starker Medikamente oder einem Kaiserschnitt, wird diese Hormonproduktion unterbrochen.

Wurde unser Eintritt in diese Welt durch den Einsatz von Saugglocke oder eine um den Hals liegende Nabelschnur als bedrohlich oder sogar schmerzhaft erlebt, kommt das einem Schocktrauma gleich. Um dieses unmittelbar zu verarbeiten, sind wir auf die physische und emotionale Zuwendung und Nähe unserer Mutter angewiesen.
Da viele Frauen die Geburt selbst als traumatisch erleben oder währenddessen an ihr eigenes, unverarbeitetes Geburtstrauma erinnert werden, besteht die Gefahr, dass sie für den Säugling nicht verfügbar sind. Wenn sie zum Selbstschutz
emotional distanziert oder gar dissoziiert reagieren, wird sich das neugeborene Kind von ihnen verlassen fühlen und keine sichere Bindung erfahren.

Nach der Geburt

Bindungstrauma vermeiden durch Mutter-Kind-Bindung

Nachdem wir das Licht der Welt erblickt haben, wollen wir nichts als geliebt und versorgt werden. Wir sind voller Unschuld und möchten uns genährt, sicher und willkommen geheißen fühlen. Um mit unserer Mutter oder einer anderen Bindungsperson in Verbindung zu treten, konnten wir zu diesem Zeitpunkt nur weinen und schreien. Auf diese Weise haben wir deutlich gemacht, dass ein oder mehrere der folgenden Bedürfnisse befriedigt werden wollen:

    • Bedürfnis nach Nahrung
    • Bedürfnis nach Wärme
    • Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz
    • Bedürfnis nach emotionaler und körperlicher Verbundenheit (Zugehörigkeit und Liebe)

Wurden diese Bedürfnisse nicht erfüllt, war das für unsere Existenz lebensbedrohlich. Unser autonomes Nervensystem war zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Lage zur Selbstregulation. Wir waren auf unsere Mutter oder eine andere Bezugsperson angewiesen, die uns versorgte und durch Nähe, Berührungen und Blickkontakt beruhigte oder tröstete.  

Ab einem gewissen Entwicklungsstadium entwickelten wir noch ein weiteres wichtiges Bedürfnis und zwar nach Autonomie. Wir wollten unsere Umgebung erkunden und unsere zunehmenden Fähigkeiten ausprobieren. Auch wenn dieses Bedürfnis ignoriert oder durch Überbehüten übergangen wurde, hat das unsere Entwicklung und unser Bindungsverhalten negativ beeinflusst. 

„Die Zustände des menschlichen Kleinkinds im Mutterleib und in den ersten Lebensphasen sind tatsächlich genau die Vorbedingungen für ein Trauma: Das Kind ist hilflos und kann sich schnell überwältig fühlen. Sein Leben hängt von einem anderen Menschen ab und es kann absolut nichts anderes tun als weinen. Niemand kann ihm intellektuell vermitteln, dass es sicher und geschützt ist. Es fühlt alles, was es erlebt, ohne es kognitiv zu verstehen. Das Einzige, was zu Beginn seines Lebens Sinn für es macht, ist die Verbindung zu seiner Mutter, weil es sie kennt. Es kennt ihren Geruch, ihre Berührung, wie sie sich anfühlt, schmeckt und klingt“. (Vivian Broughton, 2016)

Wie Bindung unseren Bindungsstil prägt

Mit zunehmender Entwicklung konnten wir mehr als nur weinen, um die Nähe zu unserer Mutter, zu unserem Vater oder zu anderen Bindungspersonen sicherzustellen. Je nachdem, wie erfolgreich wir mit unserem Bindungsverhalten in Form von z. B.: Suchen, Nachlaufen oder Festklammern waren, haben wir ein Bindungsmuster entwickelt, dass alle weiteren Beziehungen in unserem Leben beeinflusst. Vor, während und nach der Geburt sowie im Kindesalter wird also der Grundstein für den Bindungsstil gelegt, den wir im Erwachsenenleben pflegen.

Welche Bindungsstile gibt es?

In der Bindungstheorie wird von vier Bindungsstilen ausgegangen: sicher, unsicher-vermeidend, unsicher-ambivalent und unsicher-desorganisiert. Die Diplom Psychologin und Bestseller Autorin Stefanie Stahl ergänzt diese Bindungsstile um zwei Weitere, die ich aufgrund ihrer Wichtigkeit in die Beschreibung mit aufnehme: gleichgültig-gebunden und Nähe-Überflutung.

Aus diesen sechs Bindungsstilen lassen sich Rückschlüsse über unser Beziehungsverhalten im Erwachsenenalter ziehen, die uns dabei helfen können, neue Beziehungsmuster zu etablieren und unsere Beziehungsangst aufzugeben.

Sicherer Bindungsstil

Ein sicherer Bindungsstil entwickelt sich, wenn die Bedürfnisse eines Kindes jederzeit gehört und gestillt werden. Wenn es seine Bezugsperson als verlässliche Basis wahrnehmen kann, von der es sich einerseits entfernen, zu der es bei Gefahr oder Bedrohung aber jederzeit zurückkehren kann, um Hilfe oder Trost zu bekommen. Das Kind hat von Anfang an Zuwendung, Wärme, Verlässlichkeit, Schutz und emotionale Stabilität erfahren. Dadurch konnte es seine Umwelt selbstständig erkunden und Lernerfolge erzielen.

Im Erwachsenenalter verfügen Menschen mit diesem Bindungsstil über ein Grundvertrauen in sich, andere Menschen und die Welt. Sie sind kontaktfreudig, kennen ihre Fähigkeiten und verfügen über Lernbereitschaft. Aufgrund ihres gesunden Selbstwertgefühls sind sie in der Lage, ihre Gefühle und Bedürfnisse adäquat auszudrücken und mit Konflikt- oder Stresssituationen konstruktiv umzugehen.

Unsichere Bindungsstile

Unsichere Bindungsstile sind das Resultat mangelnder Fürsorge oder emotionaler Präsenz durch die Bindungspersonen. Kinder machen hier die Erfahrung, dass die Bezugspersonen unzuverlässig sind und nicht auf ihre Bedürfnisse eingehen.

Unsicher-vermeidender Bindungsstil

Menschen mit einem unsicher-vermeidenden Bindungsstil haben früh gelernt, dass sie für sich allein sorgen müssen, weil kein verlässlicher Kontakt zur Bindungsperson vorhanden war. Die eigenen Gefühle und Bedürfnisse wurden als unwichtig verinnerlicht, was zu einem geringen Selbstwertgefühl und der Annahme führt, nicht wichtig zu sein.

Bindungstrauma - Kind allein

Im Erwachsenenalter haben Menschen mit dieser Prägung sichtliche Bindungsangst. Sie sind überzeugt davon, nicht liebenswert zu sein und früher oder später verlassen zu werden, wenn sie ganz sie selbst sind. Je glücklicher und näher eine Beziehung wird, desto lauter wird ihre Angst vor Verlust oder Ablehnung. Aus diesem Grund fällt es ihnen schwer zu vertrauen, sodass Eifersucht ein häufiges Thema bei diesem Bindungsstil ist.

Unsicher-ambivalente Bindungsstil

Dieser Bindungsstil ist die Folge von unberechenbaren Verhaltensweisen der Bindungspersonen. Mal reagierten die sie liebevoll und im nächsten Moment womöglich aggressiv oder emotional distanziert. Für das Kind gab es keinen verlässlichen Kontakt und keinen sicheren Halt. Auch die Nähe- und Autonomiebedürfnisse des Kindes wurden nicht ausreichend befriedigt. In bindungsrelevanten Situationen hat es zu wenig Sicherheit und Nähe erfahren und beim Versuch, sich selbst auszudrücken, wurde es zurückgehalten.

Menschen mit diesem Bindungsstil suchen sich unbewusst Partner/innen, die sie genauso schlecht behandeln wie einst ihre Bindungspersonen. Sie haben verinnerlicht, dass ihre eigenen Bedürfnisse nicht von Bedeutung sind und sie nur geliebt werden, wenn sie die Erwartungen ihres Gegenübers erfüllen. Sie sind abhängig von der Zustimmung und Anerkennung anderer, weshalb sie sich unterordnen und zu anklammernden Beziehungsverhalten neigen. Am meisten Angst macht Ihnen die Vorstellung, allein und unabhängig zu sein, deshalb haben sie Schwierigkeiten, sich aus destruktiven Beziehungen zu lösen.

Unsicher-desorganisierter Bindungsstil

Der unsicher-desorganisierte Stil ist von Widersprüchlichkeiten im Verhalten von Kindern gekennzeichnet. Sie zeigen Stimmungsschwankungen, Aggression oder gar keine Gefühlsäußerungen, was auf eine generelle Überforderung mit dem Bindungsumfeld und den eigenen Gefühlen zurückzuführen ist. Dieser Bindungsstil ist häufig eine Folge von sehr frühen traumatischen Erlebnissen wie Gewalt oder Missbrauch durch eine Bindungsperson. Diese wird dann nicht als Quelle von Sicherheit, sondern als Auslöser von Angst und Stress wahrgenommen.

Unsicher-desorganisiert geprägte Menschen sind häufig psychisch labil und leiden an starken Traumafolgen. Sie haben oft Schwierigkeiten, soziale Kontakte zu knüpfen und sich überhaupt auf Nähe einzulassen. Beziehungspartner/innen werden genau wie einst die Bezugsperson als potenzielle Gefahr wahrgenommen, sodass ein harmonisches Zusammenleben ohne therapeutische Auseinandersetzung meist gar möglich ist.

Gleichgültig-gebundener Bindungsstil

Stefanie Stahl schreibt Menschen mit diesem Bindungsstil eine Gefühlsarmut zu, die auf eine traumatisierende Kindheit zurückzuführen ist. Als Kind hatten sie gefühllose und distanzierte Eltern, sodass sie ihre eigenen Gefühle auch abgespalten haben.

Im Erwachsenenalter können sie problemlos Bindungen eingehen, fühlen aber nicht besonders viel. Sie empfinden deshalb wenig Leidensdruck und haben keine Motivation, etwas an sich oder ihren Beziehungen zu verändern. Nach außen wirken Menschen mit diesem Bindungsstil häufig stark, lebendig und humorvoll. Sie beschäftigen sich oft ununterbrochen und können im Alltag gut funktionieren. Ihrer inneren Leere und Einsamkeit sind sie sich in der Regel selbst nicht bewusst.

Nähe-Überflutung-Bindungsstil

Menschen, die diesen Bindungsstil entwickeln, wurden in ihrer Kindheit regelrecht von der Bindungsperson vereinnahmt. Sie wurden mit positiver oder negativer Aufmerksamkeit oder mit Liebe, die an Bedingungen geknüpft war, überschüttet. Die kindlichen Bedürfnisse nach Autonomie und Selbstausdruck wurde von den Bindungspersonen ignoriert und unterdrückt, sodass sie wenig Eigenständigkeit und mangelndes Vertrauen in die eignen Fähigkeiten entwickeln konnten.  

Menschen mit diesem Bindungsstil leiden oft unter Schuldgefühlen gegenüber der Bindungsperson oder späteren Stellvertretern (Beziehungspartnern). Auch sie fühlen sich verpflichtet, die Bedürfnisse anderer zu erfüllen und glauben kein Recht auf eigene Bedürfnisse zu haben. Statt zu klammern, flüchten sie jedoch eher, weil sie sich nur so abgrenzen können. Eine Liebesbeziehung assoziieren sie mit Verpflichtung und Selbstaufgabe. Sie fühlen sich schnell eingeengt und haben Angst vor erneuter Nähe-Überflutung.

Wenn Du Dich intensiver mit der Entstehung und den Auswirkungen von Bindungsstilen auseinandersetzen möchtest, empfehle ich Dir das Buch *Vom Jein zum Ja! Bindungsängste überwinden und endlich bereit sein für eine tragfähige Partnerschaft von Stefanie Stahl (2020).

„Mit ihrem Buch „Jein!“ entwickelte Stefanie Stahl ein Standardwerk zum Thema Bindungsangst. In „Von Jein zum Ja!“ entwickelt die Bestsellerautorin diesen Ansatz weiter. Sie beleuchtet die typischen Bindungsstile, die Beziehungen immer wieder aufs Neue scheitern lassen….“

 

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Bindungsangst als Folge eines unsicheren Bindungsstils

Bindungsangst ist das, was alle Menschen mit einem unsicheren Bindungsstil gemeinsam haben. Da sie bereits so früh im Leben ihren Ursprung hat und Bindung nie anders kennengelernt wurde, ist diese Angst jedoch meist unbewusst. Mithilfe ausgeklügelter Strategien haben wir gelernt mit dieser Angst zu leben. Es kommt deshalb vor, dass Bindungsängstliche ihre Angst vor Nähe vehement abstreiten oder leugnen. Dabei ist Bindungsangst nichts, wofür wir uns schämen müssen. Sie ist im Prinzip ein Mechanismus zum Schutz vor Ablehnung, Verlust oder Vereinnahmung, den wir in unserer Kindheit tatsächlich nötig hatten.

Wenn Du Deine bisherigen Beziehungen als unbefriedigend erfährst, kann es sich lohnen, Dich der Möglichkeit zu öffnen, dass Du und/oder Dein/e Partner/in womöglich auch unbewusste Bindungsängste habt. Doch woran lässt sich Bindungsangst erkennen? 

Bindungsangst erkennen

Bindungsangst in ausgeprägter Form führt so weit, dass sich Menschen überhaupt nicht auf Bindungen einlassen. Sie fliehen vor Nähe, bevor sie entstehen kann. Entweder indem sie sich in unerreichbare Menschen verlieben oder das Verlieben ganz vermeiden und sich, wenn überhaupt nur auf oberflächliche Affären einlassen.

Da jedoch auch bindungsängstliche Menschen ein angeborenes Bedürfnis nach Nähe haben, lassen auch sie sich auf Beziehungen und Ehen ein. Ja, richtig gelesen. Auch bindungsängstliche Menschen heiraten. Es gibt zahlreiche Strategien, um in einer Beziehung zu sein, aber wirkliche Nähe zu vermeiden. Die gängigsten Strategien sind dieselben, die wir als Trauma-Überlebensmechanismen kennen: Flucht, Kampf und Totstellen.

Flucht
Der Fluchtmechanismus äußert sich bei Bindungsängstlichen häufig durch vieles Arbeiten oder eine Aufopferung in Hobbys. Auch durch Affären oder Dreiecksbeziehungen kann echte Nähe in einer Partnerschaft vermieden werden. Dazu braucht es nicht mal zwingend eine reale dritte Person, sondern nur die Gedanken oder Fantasien an andere Menschen. Fernbeziehungen gehören ebenfalls zu den gängigen Strategien von Bindungsängstlichen, um sich vor zu viel Nähe oder den eigenen Ängsten zu schützen. Weiter kann sexuelle Lustlosigkeit, Unverbindlichkeit oder eine unpersönliche und sachliche Kommunikation auch auf Bindungsängste hindeuten.

Kampf
Verlust- oder Nähe Ängste treten oft besonders dann auf, wenn eine Beziehung sehr eng wird. Dies löst Stress in Menschen mit Bindungstrauma aus, der sich in Wut und Aggression äußern kann. Vielleicht hast Du selbst schon harmonische oder romantische Situationen erlebt, in denen Du Deinem Partner/Deiner Partnerin sehr nahe warst und wie aus dem Nichts hat ein Streit die ganze Idylle zerstört.

Die tief sitzende Wut ist eine unbewusste Abwehrstrategie Bindungsängstlicher gegen etwaige Besitz- oder Näheansprüche. Häufig ist das die Notlösung für die mangelnde Fähigkeit, Grenzen zu setzen. Weil sie insgeheim glauben, kein Recht auf eigene Bedürfnisse zu haben, bleiben nur Kampf und Angriff, um die eigenen Grenzen zu schützen.

Bindungsangst - Angriff oder Kampf

Totstellen
Der Totstellreflex ist eine weitere Strategie, sich vor Nähe-Überflutung oder Verlustangst zu schützen. Dieser Überlebensmechanismus kann dazu führen, dass sich die Gefühle des Bindungsängstlichen aus heiterem Himmel verabschieden und er oder sie nicht mehr richtig anwesend erscheint.  

Anders als bei sicher gebundenen Menschen haben Menschen mit Bindungstrauma keinen kontinuierlichen Zugang zu ihren Liebesgefühlen. Es ist, als müssten sie sich ab und zu Verschnaufpausen verschaffen. Diese Pausen können eine Beziehung natürlich sehr belasten, denn für den Partner/die Partnerin ist schwer verständlich, warum der oder die andere plötzlich nicht mehr anwesend ist. 

Ein Hauptmerkmal an dem Du eine Beziehung mit mindestens einem Bindungsängstlichen erkennst, ist ein Wechselbad der Gefühle. Solch eine Beziehung beginnt oft sehr romantisch oder leidenschaftlich, denn zu Beginn fühlen sich Bindungsängstliche noch frei und es gibt keinen Grund für Flucht, Kampf oder Totstellen. Stattdessen kompensieren sie ihr Selbstwertdefizit mit der Eroberung und den Komplimenten in der Verliebtheitsphase. Sobald die Beziehung jedoch fester wird, kommen die zuvor beschriebenen Mechanismen zum Tragen. Dadurch entsteht eine typische Dynamik, in der die eine Seite ausweicht und die andere Seite klammert. Gopal Norbert Klein beschreibt diese beiden Ausprägungen in seinem Buch *„Der Vagus Schlüssel zur Traumaheilung“ als Autonomie- versus Verschmelzungstypen.

Und tatsächlich läuft es meist so ab, dass je mehr sich der Bindungsängstliche zurückzieht, desto mehr klammert der oder die andere. Weil sich aber auch der Bindungsängstliche insgeheim nach einer glücklichen Beziehung sehnt, fühlt er sich phasenweise doch wieder verliebt, woraufhin sich der oder die andere Hoffnung macht. Dieses Hin- und Her zwischen Gehen oder Bleiben kann sich über Jahre hinziehen und großen Leidensdruck verursachen.

Überwindung von Bindungsangst

Durch meine intensive Beschäftigung mit dem Thema Entwicklungstrauma sowie durch intensive Gespräche mit glücklichen Paaren habe ich vier Grundvoraussetzungen für die Überwindung von Bindungsangst zusammengefasst. 

1. Die Bereitschaft, Dich mit Deiner Bindungsangst auseinanderzusetzen

Um Ängste in Deinem Leben aufzulösen, musst Du Dir zunächst bewusst darüber sein, dass Du sie hast. Erst wenn Du Dir selbst eingestehst, dass Du Bindungsangst hast, kannst Du Veränderungen einleiten. Du musst also akzeptieren, dass Du als Folge Entwicklungstrauma in Deiner Kindheit, im Hier und Jetzt unter Bindungsängsten leidest. Das setzt auch die Bereitschaft voraus, Dich den schmerzlichen Gefühlen Deiner Kindheit zu öffnen und irgendwann Deine Schutzmechanismen (Flucht, Kampf, Totstellen) aufzugeben. Die Arbeit mit dem Inneren Kind und tief verinnerlichten Glaubenssätzen kann dabei ein erster Schritt sein.

2. Ein klares Ja für Deine Beziehung 

Wenn Du Dich in einer Beziehung befindest und Deinen unsicheren Bindungsstil aufgeben willst, braucht es ein klares Ja zu der betreffenden Beziehung, sofern es keine destruktive Beziehung ist, mit der Du Dein Bindungstrauma reinszenierst. Das bedeutet, dass Du Dich wirklich auf den anderen Menschen einlässt und entgegen Deiner bisherigen Strategien dableibst, auch wenn es schwierig oder unangenehm wird. Andersherum muss Dein Partner oder Deine Partnerin dasselbe wollen. Du wirst Dir die Zähne ausbeißen, wenn Du versuchst, einen Bindungsängstlichen zu heilen, der nicht bereit ist hinzusehen.

Solltest Du aktuell in keiner Beziehung sein, nutze die Zeit, um Dich mit Deinen bisherigen Beziehungsmustern auseinanderzusetzen. Durch Bücher oder professionelle Hilfe kannst Du herausfinden, ob Du selbst unter Bindungsangst leidest und/oder warum Du immer wieder an bindungsängstliche Partner/innen gerätst. Werde Dir klar darüber, wie Deine Traumbeziehung aussehen soll, damit Du Dich beim nächsten Mal von Anfang an nur auf jemanden einlässt, der präsent ist und sich wirklich auf eine Bindung einlassen will.

Wenn ihr in eurer Partnerschaft ein klares Ja für euch habt, dann kann die Heilreise losgehen. Bitte vergesst aber nicht, dass eine erfüllte Partnerschaft auch mit Arbeit verbunden ist. Am besten betrachtet ihr eure Beziehung als Sprungbrett für eure Heilung. Die Geschenke von Nähe, Vertrauen und Wertschätzung innerhalb eurer Beziehung werden jeden Aufwand Wert sein!

Bindungsangst überwinden

3. Offene und ehrliche Kommunikation

Eine offene und ehrliche Kommunikation ist das Fundament einer jeden guten Beziehung. Tatsächlich scheitern die meisten Beziehungen genau daran. Weil wir früh gelernt haben, dass unsere Bedürfnisse nicht erfüllt werden, glauben wir, dass wir sie nicht haben dürfen. Wir haben uns verleugnet und angepasst, um geliebt zu werden. Diese Muster musst Du jetzt durchbrechen! Du darfst jetzt lernen, dass Du gut bist, genauso wie Du bist und das Du Dich für nichts zu schämen brauchst. Du hast ein Recht auf Deine Gefühle und Bedürfnisse und darauf, diese angemessen auszudrücken. Ansätze wie die gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg oder das ehrliche Mitteilen nach Gopal können hier eine wertvolle Stütze sein.

Nur wenn Du in der Lage bist mitzuteilen, was Du fühlst und was Du brauchst, kann Dein Gegenüber darauf reagieren. Schluck es nicht runter, wenn Dich etwas belastet, sondern bitte um ein Gespräch. Durch authentische, offene und ehrliche Kommunikation können innerhalb der Beziehung gemeinsam Lösungen gefunden werden. Im Alltag stellt das Miteinanderreden oft eine Herausforderung dar. Deshalb empfehle ich einen festen wöchentlichen Termin, bei dem ihr euch mitteilt, was euch auf dem Herzen liegt.

Offene Kommunikation für gute Bindung

4. Persönliche und gemeinsame Weiterentwicklung

Wir sind auf dieser Welt, um zu wachsen und uns weiterzuentwickeln. Wenn das mit der Erreichung eines bestimmten Alters aufhört, entspricht das in meinen Augen nicht unserer Natur. Auch Beziehungen gedeihen und festigen sich durch Weiterentwicklung, sowohl durch die Persönliche als auch durch die Gemeinsame.

Als Paar könnt ihr zum Beispiel Seminare besuchen, die eure Achtsamkeit schulen, eure Verbindung stärken oder euch bei bestimmten Themen (Kommunikation, Sexualität etc.) weiterhelfen. Um destruktive Muster aufzulösen, könnt ihr auch Coachings in Anspruch nehmen oder eine Paartherapie aufsuchen. Hilfe anzunehmen, ist meiner Meinung nach einer der größten Erfolgsfaktoren für eine glückliche Partnerschaft, vor allem, wenn Traumata und Bindungsängste das Leben geprägt haben.

Unabhängig von eurer Beziehung hat natürlich jeder von euch eigene Themen oder Interessen, denen ihr Aufmerksamkeit schenken dürft. Unterstützt euch in euren individuellen Prozessen und Erfahrungen, denn diese kommen eurem langfristigen Liebesglück nur zugute. Außerdem habt ihr euch so auch immer wieder etwas zu erzählen.

Zu guter Letzt darf natürlich auch die Leichtigkeit in eurer Partnerschaft nicht fehlen! Gemeinsame Reisen und Freizeitaktivitäten machen nicht nur Spaß, sie stärken auch eure Verbindung und fördern eure Weiterentwicklung.

Na, wie geht es Dir nach dem Lesen dieses Beitrags? Hast Du Dich oder Deinen Partner/Deine Partnerin vielleicht darin wiedergefunden? 

Für mich war es ein großer Mehrwert zu erkennen, dass ich durch Vor- und nachgeburtliche Traumatisierungen unter Bindungsangst leide und mich unbewusst auch immer wieder auf bindungsängstliche Partner eingelassen habe. Nur durch diese Erkenntnisse kann ich daran arbeiten, um meine Beziehungsqualität in Zukunft zu verbessern.

Ich freue mich, falls ich Dein Interesse für dieses Thema wecken konnte. Du bist herzlich eingeladen, einen Kommentar mit Deinen Eindrücken zu hinterlassen und den Beitrag mit anderen Menschen zu teilen. 

Danke und schön, dass Du da bist!

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Quellenverweise: 

Broughton, Vivian (2016): Zurück in mein Ich: Das kleine Handbuch zur Traumaheilung mit einem Nachwort von Franz Ruppert, 4. Edition, München

Klein, Gopal Norbert (2022): Der Vagus Schlüssel zur Traumaheilung: Wie „Ehrliches Mitteilen“ unser Nervensystem reguliert, 4. Edition, München

Ruppert, Franz (2017): Symbiose und Autonomie: Symbiosetrauma und Liebe jenseits von Verstrickungen, 5. Auflage, Stuttgart

Schmitt, Tobias: Kindes- und Jugendalter: Soziale Entwicklung, abgerufen am 03.11.2022 von: http://entwicklung-psychologie.de/bindungsqualitaet.html

Stahl, Stefanie (2020): Vom Jein zum Ja: Bindungsängste überwinden und endlich bereit sein für eine tragfähige Partnerschaft, 1. Auflage, München

Stegmaier, Susanne: Grundlagen der Bindungstheorie, abgerufen am 01.11.2022 unter: https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/psychologie/1722/

Unbekannt: Bindungstheorie – Definition, Ansätze & Kritik, abgerufen am 03.11.2022 unter: http://www.bindungstheorie.net/#ainsworth

Aktuelle Beiträge

Schütteln zur Traumaheilung

21 Tage Schütteln zur Regulierung des Nervensystems

Im Juni dieses Jahres habe ich am BREAK FREE MOVEMENT teilgenommen. Dabei handelte es sich um einem 21-tägigen Schüttel-Workshop mit der Körperforscherin und Bestseller-Autorin Ilan Stephanie. Das Schütteln als Methode zur Traumaheilung brachte bei mir einiges in Bewegung. Auch der theoretische Inhalt des Kurses vermittelte mir wertvolles Traumawissen, das ich unbedingt mit Dir teilen will. Deshalb erkläre ich Dir in diesem Beitrag, was das Schütteln überhaupt ist, wie es zur Traumaheilung eingesetzt werden kann und was das bahnbrechende am Ansatz von Ilan ist. Am Ende erhältst Du dann noch meinen ganz persönlichen Erfahrungsbericht zum Workshop und erfährst, warum ich das Schütteln einstellen musste.

Was ist mit dem Schütteln gemeint?

Du kannst Dir unter dem Schütteln nichts vorstellen und hast keine Idee, wie so etwas funktioniert?
Beim Schütteln an sich bringst Du im Prinzip einfach Deinen ganzen Körper in Bewegung. Eine mögliche Ausgangsposition ist, dass Du mit hüftbreit geöffneten Beinen auf einer Yoga- oder Fitnessmatte stehst. Deine Wirbelsäule ist aufgerichtet und Deine Knie sind entspannt. Mit aufgestellten Füßen beginnst Du nun mit Deinen Beinen zu bouncen, also Deine Beine hoch und runter zu wippen. Dann nimmst Du Deine Handgelenke dazu und schüttelst Deine Hände kräftig aus, so als wolltest Du sie nach dem Händewaschen trocken schütteln. Deine Ellenbogen und Schultern werden sich automatisch mitbewegen.
Das ist eigentlich auch schon alles, wobei Du die Bewegungen natürlich noch ausweiten und variieren kannst. In der Regel ist es so, dass Dein Körper beim Schütteln immer lockerer wird und sich wie von selbst auch Deine Oberschenkel, die Hüften, der Bauch, die Brust, der Hals und der Kopf mit schütteln.

Grundlagen des Schüttelns als Methode zur Traumaheilung

Schütteln für ein gesundes Nervensystem

Das Schütteln als Werkzeug für Deine Heilung baut auf der Trauma-Entspannungsmethode TRE (Tension and Trauma Releasing Exercises) von David Berceli auf. Dabei handelt es sich um spezielle Körperübungen, die das neurogene Zittern im Körper auslösen. Dieses Zittern, dass wir gut im Tierreich beobachten können, ist ein regulierender Mechanismus, um erlebte Anspannung oder Stress schnell abzubauen und zu einem Zustand von Ruhe und Entspannung zurückzukehren. 

Ursprünglich steht dieser Regulationsmechanismus auch uns Menschen zur Verfügung, jedoch wurde er uns gesellschaftlich abtrainiert. Von klein auf wurden wir angehalten, unsere natürlichen und heilsamen Körperimpulse sowie den Ausdruck unserer Gefühle zu unterdrücken. Weil sich unser Körper so nicht mehr von der Spannung und den chemischen Substanzen entladen kann, die ihn in einer traumatischen Situation überladen, benötigen wir heute Übungen und Methoden, um unser Nervensystem zu regulieren. Das Schütteln steht uns neben TRE als solche Methode zur Verfügung.

Entspannungsmethoden bei Trauma

Entspannungsmethoden nach Trauma – Welche Techniken wirklich helfen

In diesem Blog-Beitrag findest Du heraus, warum Entspannung zur Herausforderung werden kann und welche drei Methoden wirklich helfen!

Warum muss unser Nervensystem reguliert werden?

Ein Trauma ist die Folge von überwältigendem Stress, der mit unseren klassischen Regulationsmechanismen nicht bewältigt werden kann. Dieser Stress hat anhaltende Auswirkungen auf unser autonomes Nervensystem (ANS), das für unsere Selbstregulation verantwortlich ist.

Das Stress-Toleranz-Fenster nach Daniel Siegel zeigt sehr deutlich, was sich in unserem Nervensystem abspielt, wenn wir traumatische Erfahrungen machen und warum es wichtig ist, es wieder ins Gleichgewicht zu bringen:

Stress-Toleranz-Fenster

Befindet sich unser Nervensystem in einem natürlichen (gesunden) Zustand, sind wir in der Lage, zwischen Aktivierung und Entspannung hin und her zu pendeln. Unser ANS befindet sich sozusagen in Balance. In diesem Zustand können wir gut mit Stressoren umgehen (Aktivierung) und unsere Akkus im Nachhinein wieder aufladen (Regenerierung).   

Wirkt überwältigender Stress auf uns ein, wird von unserem Körper viel Energie freigesetzt, um uns auf unsere angeborenen Überlebensmechanismen Flucht oder Kampf vorzubereiten. Wenn die Situation mithilfe dieser beiden Bewältigungsmechanismen jedoch nicht bewältigt werden kann, bleibt eine hohe Anspannung in unserem Körper gespeichert. Die Energie findet kein Ventil. Um weiter mit dem Trauma-Stress leben zu können, benötigt unser ANS es eine andere Lösung und die lautet Erstarrung/Freeze. Wir passen uns an und unterdrücken Teile von uns selbst (Identität, Bedürfnisse, Gefühle).
Im Ansatz von Ilan existiert noch eine weitere Ebene und zwar der Kollaps. In diesem befinden wir uns, wenn wir auch unsere Körperempfindungen abtöten. Wir spüren dann Teile unseres Körpers oder den gesamten Körper nicht mehr.

In solchen ungelösten Traumazuständen pendelt unser Nervensystem nicht mehr in einem optimalen Erregungsniveau, sondern zwischen Übererregung und Untererregung. Situationen oder Menschen (Trigger), die uns bewusst oder unbewusst an die traumatischen Erfahrungen erinnern, sorgen für Übererregung in Form von Angst, Wut, Panik oder Unruhe. Durch die Vermeidung der damit verbundenen Traumagefühle folgt die Untererregung in Form von Kraftlosigkeit und Erschöpfung.

Wir sind zwar noch am Leben und funktionieren in unserem Alltag irgendwie, aber wir führen kein wirklich selbstbestimmtes und lebendiges Leben. Wir befinden uns in einem Trauma-Überlebens-Modus. Ein Beispiel soll die Entstehung eines solchen Zustandes verdeutlichen:  

Beispiel Entwicklungstrauma

Ein Kind, das von den Eltern gewünscht war, kommt mit einem zunächst funktionierenden Nervensystem zur Welt. Schnell sind die Eltern mit dem Kind überfordert und streiten sie sich häufig lautstark. Die Schreie des kleinen Kindes werden immer wieder ignoriert. Irgendwann kommt es sogar zu gewalttätigen Übergriffen gegenüber dem Kind, die auch kein Ende mehr nehmen.

Da das Überleben des Kindes von seinen Eltern abhängig ist, steht es Todesängste durch, wenn seine Schreie (mit dem Wunsch nach Nähe oder nach Nahrung) ignoriert werden oder es dafür sogar gestraft und geschlagen wird. Das Kind erfährt überwältigenden Stress.

Kind im traumatischen Umfeld
Es kann seine Bedürfnisse noch nicht artikulieren und sich nicht wehren, weil es seinen Eltern körperlich unterlegen ist. Es kann auch nicht einfach gehen, denn sein Überleben ist von seinen Eltern abhängig. Flucht und Kampf als Lösungsstrategien versagen, sodass das Kind sein Überleben anderweitig sichern muss. Es passt sich an, indem es Teile von sich (Gefühle, Bedürfnisse, Körperempfindungen) unterdrückt. Dadurch wächst das Kind in einer Erstarrung oder sogar im Kollaps zu einem erwachsenen Menschen heran.  

Früher oder später wird es mit Menschen oder Situationen konfrontiert, die an seine traumatischen Kindheitserfahrungen erinnern. In derartigen Triggermomenten kommen die ganzen alten Traumagefühle wieder hoch. Das ist natürlich nicht erwünscht, sodass die Gefühle unterdrückt werden.

Ohne die Heilung der Traumatisierungen aus der Vergangenheit befindet sich der Mensch in einem Trauma-Überlebens-Modus – ein kräftezehrendes Wechselspiel zwischen Übererregung und Untererregung. Man könnte auch sagen, es ist ein Leben im Energiesparmodus, denn Trauma-Energie ist gebundene Lebensenergie.

Durch Schütteln zurück in die Lebendigkeit

Mithilfe des regelmäßigen Schüttelns versorgen wir unser System mit viel Energie und rütteln die festsitzende Trauma-Energie sozusagen kräftig durch. Das ist aber noch nicht alles. Das Besondere an der Schüttelmethode von Ilan ist, dass wir auch unsere Gefühle mit dazu nehmen. Und zwar genau die Gefühle, die uns als Folge unserer Traumatisierungen im Alltag belasten.

Statt wie gewohnt in die Vermeidung auszuweichen, nutzen wir unsere Trigger (Gefühle, Situationen, Personen) als Sprungbrett für unsere Heilung. Auf diese Weise durchbrechen wir festgefahrene Routinen und lernen, dass wir Einfluss auf unsere inneren Zustände nehmen können. 

Schütteln zur Traumaheilung

Bevor eine Schütteleinheit mit Ilan beginnt, werden wir deshalb aufgefordert, ein Triggerthema zu wählen. Es soll hier kein tief sitzendes Trauma genommen werden, sondern ein sich wiederholendes, belastendes Thema aus dem Alltag (z.B. Wut auf den Chef, Angst vor Sichtbarkeit, Schuldgefühle wegen zu vielen Süßigkeiten o. Ä.). Dann beginnt im Prinzip direkt die Schütteleinheit.

Drei Phasen des Schüttelns nach Ilan Stephanie

Die Schüttelsequenzen dauern etwa 20 Minuten und untergliedern sich immer in folgende drei Phasen, die von Ilan so angeleitet werden, dass wir nur ihren Worten folgen müssen:

Phase 1: Schütteln, um Energie aufzubauen (ca. 5-7 Minuten)

    • Wir fangen an unseren gesamten Körper zu schütteln.
    • Wir atmen tief durch den Mund ein und aus. 
    • Unser Nervensystem wird aktiviert und Energie wird aufgebaut.

Phase 2: Rein in das Triggerthema (ca. 2 Minuten)

    • Wir stellen das Schütteln vorerst wieder ein.
    • Wir verbinden uns mit dem Thema/Gefühl, das uns im Alltag belastet.
    • Wir beobachten, wie sich unsere Atmung, Körperhaltung und Gefühle verändern.

Phase 3: Schütteln, um frei zu werden (ca. 8-10 Minuten)

    • Wir bleiben bei dem Triggerthema/-gefühl und nehmen das Schütteln wieder auf.
    • Wir gehen so von null auf hundert raus aus dem Belastungszustand rein in die Lebendigkeit!

Die Einhaltung dieser drei Phasen hat selbstverständlich einen bestimmten Grund und ist das Erfolgsrezept von dieser Methodik! Denn die drei Phasen beziehen sich auf die drei Stufen, die uns in ein Leben im Trauma-Überlebens-Modus hineingeführt haben!  

Raus aus dem Trauma-Überlebens-Modus!

Der folgenden Grafik kannst Du entnehmen, von welchen drei Stufen die Rede ist. Es handelt sich um Flucht/Kampf, Erstarrung und Kollaps.

Schütteln zur Regulierung des Nervensystems
Ilans Schüttelmethode ermöglicht Dir nun, diese Stufen wieder hinauf zu klettern, zurück zu einem gesunden Nervensystem. Du gehst also den Weg, der Dich in den Trauma-Überlebens-Modus hineingeführt hat rückwärts:

    1. Du kommst raus aus dem Kollaps, in dem Du lernst, das Nichtspüren wieder zu spüren (besonders in Phase 2) 
    2. Indem Du Deinen Körper bewegst und durch das Schütteln viel Energie aufbaust, kommst Du raus aus der Erstarrung (Phase 1 und 3).
    3. Du dringst zu den beiden Gefühlen vor, die Du im Kampf-Flucht-Mechanismus abspalten musstest: Angst und Wut. (Phase 1-3)

Die Bedeutung von Angst und Wut

Angst und Wut sind die beiden wichtigsten Gefühle auf dem Weg der Ganzwerdung, weil sie maßgeblich an der Entstehung von Trauma beteiligt sind. Angst und Wut sind die beiden Gefühle, die dem Flucht-Kampf-Mechanismus vorgeschaltet sind. Die Angst ist die Basis für die Überlebensstrategie Flucht und Wut ist die Basis für die Überlebensstrategie Kampf.

Die Heilung von Trauma geht demnach letztendlich über das nachträgliche Fühlen von der Angst und der Wut, die damals unterdrückt und abgespalten werden mussten. Sobald es uns gelingt, wieder zu diesen Gefühlen vorzudringen und sie bewusst durch unseren Körper hindurchfließen zu lassen, kann unser Nervensystem in seine ursprüngliche Balance zurückfinden. Wir können uns wieder regenerieren und die jahrelang gebundene emotionale und körperliche Ladung wird als Lebensenergie freigesetzt.

Aber VORSICHT: Was in der Theorie so leicht klingt, ist in der Praxis wirklich heftig! Es handelt sich bei der Angst und Wut immerhin um abgespaltene Traumagefühle! Wenn diese plötzlich aufkommen, kann es sich anfühlen, als ob sich der Boden unter den Füßen auftut.

Ob ich während des Schüttel-Workshops zu meiner Angst oder Wut vorgedrungen bin, welche Herausforderungen mir in den 21 Tagen begegnet sind und warum ich das Schütteln wieder einstellen musste, erfährst Du in meinem abschließenden Erfahrungsbericht.

Meine Erfahrungen mit dem Schüttel-Workshop

Allgemeine Infos zum Kurs

21 Tage lang ging der erstmalig angebotene Online-Kurs „Break Free Movement“, bei dem es sich um eine Kooperationsveranstaltung zwischen Freelosophy.Live und Ilan Stephanie handelte. Die Aufgabe lautete: Schüttle Dich in dieser Zeit einmal pro Tag.

In den insgesamt sechs Live-Calls mit unterschiedlichen Schwerpunktthemen gab es zu dem auch theoretischen Input und die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Außerdem konnten sich alle Teilnehmer/innen in einer Telegram-Gruppe vernetzten, um sich auszutauschen und zu unterstützen.

Die Live-Calls dauerten etwa 90 Minuten und waren in vier Teile untergliedert: Schütteleinheit – Theorieteil – Frage-Runde – Praxisteil (mit weiteren Übungen zur Regulierung des Nervensystems).

Natürlich wurde für uns Kursteilnehmer alles aufgezeichnet. Durch die verschiedenen Schwerpunktthemen (z.B.: Angst, Wut, Scham, Schuld, Ohnmacht, Grenzen etc.) hatten wir am Ende des Kurses also ein gutes Repertoire an angeleiteten Schüttelsequenzen und Übungen zur Regulierung unserer Nervensysteme zur Verfügung.

Am Anfang lief es super!

Ich hatte von Anfang an große Lust auf dieses Experiment und habe mich dementsprechend jeden Tag geschüttelt, sogar über die 21 Tage hinaus! Überraschenderweise musste ich mich an keinem Tag zum Schütteln zwingen oder überwinden. Ganz selbstverständlich habe ich mich jeden Morgen auf meine Yogamatte gestellt, um Ilans Anleitung zu folgen.

Schüttelworkshop
Als Thema für die ersten Tage wählte ich meine Angst vor Sichtbarkeit. Entgegen Ilans Empfehlung, sich einige Tage mit demselben Thema zu schütteln, damit das Nervensystem lernen kann und wir Veränderungen im Alltag beobachten können, switchte ich schon nach zwei oder drei Tagen. Ich wählte jeden Tag etwas anderes, je nachdem, was bei mir an dem Tag gerade aktiv war (Wut, Traurigkeit …). Habe ich damit womöglich schon einen wesentlichen Fehler gemacht?

Zumindest an den ersten Tagen fühlte es sich nicht nach einem Fehler an. Im Gegenteil. Ich nahm eher positive Veränderungen in meinem Alltag wahr, spürte mich mehr in meinem Körper und fühlte mich irgendwie lebendiger und selbstbewusster.

Während einiger Schütteleinheiten kamen zwar ab und zu starke Gefühle wie Traurigkeit, Scham, Schuld und Wut in mir hoch, aber ohne das sie mich im Anschluss weiter belastet haben. Das fühlte sich sehr befreiend an. 

Die Konfrontation mit meiner Angst

Nach etwa einer Woche stand mir in meinem Bürojob eine kleine Herausforderung bevor. Ich sollte eine Schulung vor einigen Kollegen geben. Diese Aufgabe löste Stress in mir aus, weil ich ungern vor Gruppen spreche. Am Tag der Schulung war ich sehr aufgeregt und ängstlich. Ich integrierte diese Gefühle, wozu auch meine Angst vor Sichtbarkeit gehörte, in die Schütteleinheit an diesem Tag und ging danach recht zuversichtlich zur Arbeit. Als ich vor den Kollegen saß, konnte ich leider keine Veränderung zu sonst wahrnehmen. Wie gewohnt war ich extrem nervös und angespannt. Irgendwie habe ich die Schulung dann hinter mich gebracht. Was aber weiter anhielt, waren Anspannung und Angst!  

Es kam in den kommenden Tagen zu kleineren Ereignissen, die mich völlig aus der Bahn geworfen haben. Obwohl es diese Auslöser nicht rechtfertigten, stand ich tagelang unter einem latenten Schockzustand, der von einem Gefühl von Bedrohung begleitet wurde. Ich fühlte mich unsicher, klein und allein. Es waren massive Gefühle, die ich bereits aus der Zeit kannte, in der ich erstmals mit meinen Traumagefühlen in Kontakt gekommen bin.

Im Kontakt mit meinen Traumagefühlen

Bedauerlicherweise konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht richtig einordnen, was bei mir los war. Die Gründe dafür sind mir bis heute ein Rätsel, denn Ilan beschrieb in ihren Vorträgen ja genau dieses Zurückfinden zu seinen Traumagefühlen. Ich habe jedoch zunächst gar nicht begriffen, dass mein Zustand mit dem Schüttelworkshop zusammenhing, weil sich die Gefühle außerhalb der Schütteleinheiten zeigten und nicht währenddessen. Vielleicht war meine Verwirrung aber auch Teil der Traumagefühle, die plötzlich an die Oberfläche kamen?

Nach etwa vier Wochen Schüttelpraxis und dem unterstützenden Austausch mit anderen Teilnehmer/innen in der Telegram-Gruppe erkannte ich dann endlich die Zusammenhänge. Weil es mir aber überhaupt nicht gut ging und ich so überfordert mit meinen Gefühlen war, sah ich mich gezwungen das Schütteln einzustellen.  

Mein Resümee

Im Nachhinein weiß ich, das Schütteln hat bei mir zum vollen Erfolg geführt, denn ich bin zu meiner abgespaltenen Angst vorgedrungen. Deshalb lautet mein Fazit, dass das regelmäßige Schütteln nach Ilan Stephanie das Potenzial hat, Traumata zu heilen. ABER!

Was war bei mir los? Warum sah ich mich gezwungen das Schütteln einzustellen? Ich habe die Theorie, dass ich einige Fehler gemacht habe. Ich bin zu leichtfertig an den Kurs ran gegangen, habe einen Zeitpunkt gewählt, in dem ich nicht besonders stabil war und ich hatte keinerlei Unterstützung im Außen. Ich war also nicht gut auf die Konfrontation mit meiner Trauma-Angst vorbereitet und fühlte mich völlig überflutet. Das Schütteln einzustellen war also zu diesem Zeitpunkt das einzig Richtige, damit ich erst mal wieder in einen Zustand von Sicherheit zurückfinden konnte. 

Für mich steht fest, dass ich den Kurs erneut machen möchte, beim nächsten Mal aber aufmerksamer und besser vorbereitet! Denn hätte ich schon beim ersten Mal die Zusammenhänge verstanden, hätte ich mich mit der Angst bewusst weiter schütteln können. Vielleicht hätte ich sie so endgültig integrieren und von den Erfahrungen meiner Vergangenheit loslösen können. 

Mein Rat an Dich

Wenn mein Beitrag Dich neugierig gemacht hat und Du tiefer in die Materie eintauchen willst, kann ich Dir die Teilnahme an einem von Ilans Online-Kursen grundsätzlich empfehlen, zumal auch das theoretische Wissen sehr bereichernd ist. Bitte mach jedoch nicht denselben Fehler wie ich und stelle vor einer Teilnahme sicher, dass Du folgende zwei Fragen mit ja beantworten kannst:  

  1. Fühlst Du Dich gerade stabil, sicher und in Deiner Kraft?
  2. Hast Du jemanden in Deinem Umfeld, der Dich während der Teilnahme begleiten kann, sei es ein/e gute/r Freund/in oder ein Therapeut/in?

Wenn Du ein klares Ja hast und bereit bist, Deinen Traumagefühlen zu begegnen, dann wünsche ich Dir viel Freude bei Ilans Kursen. Vielleicht hast Du sogar bereits an einem ihrer Schüttelkurse teilgenommen oder anderswo Erfahrungen mit dem Schütteln gemacht. Teile gerne Deine Erfahrungen in einem Kommentar! 

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Liebeskummer

Liebeskummer – Warum er sich anfühlt wie ein Trauma

Wir alle kennen ihn – den Herzschmerz, der uns nach einer Trennung den Boden unter den Füßen wegzieht. Liebeskummer wird oft bagatellisiert, obwohl er eine starke seelische Belastung darstellt, die uns regelrecht aus der Bahn werfen kann.

Wenn Du gerade unter Liebeskummer leidest, Dich verzweifelt, kraft- und orientierungslos fühlst, wird Dir der folgende Beitrag helfen. Du findest heraus, warum sich der Trennungsschmerz wie ein Trauma anfühlt und wieso er auch eine Chance zur Traumaheilung darstellt. Nach dem Lesen wirst Du mehr Verständnis für Deinen aktuellen Zustand haben und Zuversicht dafür entwickeln, dass Du den Liebeskummer gesund und nachhaltig verarbeiten kannst.

Wann entsteht Liebeskummer?

Liebeskummer bezeichnet die emotionale Reaktion auf eine verloren gegangene partnerschaftliche Liebe. Er entsteht durch die physische Trennung von dem Menschen, zu dem oder der Du eine Bindung aufgebaut hast. Häufig wird davon ausgegangen, dass der Beziehungsteil, von dem die Trennung ausgegangen ist, stärker unter dem Verlust leidet. Das muss jedoch nicht immer zutreffen und ist abhängig vom Trennungsgrund.

Egal in welcher Position Du Dich befindest, Du hast einen nahestehenden Menschen verloren, mit dem Du gemeinsame Erfahrungen, Erinnerungen und Zukunftspläne geteilt hast. Es ist ganz natürlich, dass diese Veränderung Gefühlsreaktionen in Dir auslöst, die von Deinem Nervensystem verarbeitet werden wollen.

Wie äußert sich Liebeskummer?

Die Merkmale von Liebeskummer ähneln häufig den Symptomen von Trauma. Denn wenn der wichtigste Bezugspunkt in Deinem Leben plötzlich nicht mehr da ist, kann der Schmerz darüber wie eine existenzielle Bedrohung wirken.

Liebeskummer

Neben Trauerreaktionen in Form von sozialem Rückzug und weinen leidest Du vielleicht vermehrt unter Ängsten. Du fängst an, an Dir selbst zu zweifeln, fühlst Dich allein, klein und wertlos. Deine Gedanken überschlagen sich und sind in Negativspiralen gefangen. Deine tiefe Traurigkeit überträgt sich auf Deinen Körper. Du fühlst Dich schlapp, hast Schmerzen und bist in Deinem Ess- und Schlafverhalten beeinträchtigt. Im schlimmsten Fall kann sich dieser Zustand sogar zu einer Depression entwickeln.

Viele Menschen greifen zu Alkohol, Medikamenten oder Drogen, um sich Erleichterung zu verschaffen. Eine Lösung ist das jedoch nicht. Im Gegenteil, auf diese Weise schaden wir unserem Körper und verschlechtern auch unseren mentalen Zustand langfristig betrachtet noch mehr.

Fühlt sich Liebeskummer für jeden gleich an?

Wie bereits erwähnt sind Trennungen immer mit schmerzlichen Gefühlen verbunden und doch fühlt sich Liebeskummer nicht für jeden gleich an. Bestimmte Faktoren beeinflussen unseren individuellen Umgang mit Liebeskummer. So spielen unser Hormonhaushalt, unsere persönliche Resilienz und psychische Vorbelastungen eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung von Trennungsschmerz.

Hormone

In einer Beziehung produziert unser Körper das sogenannte Bindungshormon Oxytocin. Auch Kuschelhormon genannt, stärkt es in uns das Gefühl von Vertrauen und Bindung und reduziert Stress. Nach einer Trennung nimmt die Oxytocinproduktion ab. Die Folgen können innere Unruhe auf der einen und Antriebslosigkeit auf der anderen Seite sein. Wir fühlen uns dann wie auf einem schmerzhaften Drogenentzug. Dieser Zustand scheint manchmal so unerträglich, dass wir unseren Partner mit allen Mitteln zurückgewinnen wollen, selbst dann, wenn wir die Trennung selbst veranlasst haben.

Persönliche Resilienz

Wie wir auf eine Trennung reagieren, hängt auch von unserer persönlichen Resilienz oder Anpassungsfähigkeit ab. Welche Eigenschaften es sind, die für eine gute Resilienz sprechen, verraten uns die sieben Säulen der Resilienz, welche hier nur kurz erwähnt und nicht genauer beschrieben werden:

    1. Akzeptanz
    2. Optimismus
    3. Lösungsorientierung
    4. Opferrolle verlassen
    5. Verantwortung übernehmen
    6. Netzwerke aufbauen
    7. Zukunft planen

Wie stark diese Säulen jeweils in uns ausgeprägt sind, ist abhängig von unseren Lebenserfahrungen, familiären Verhältnissen und sozialen Prägungen. 

Selbstverständlich sind resiliente Menschen auch nicht frei von Liebeskummer. Auch sie trauern um ihren Verlust und sind zeitweise niedergeschlagen, verzweifelt oder orientierungslos. Die Fähigkeit zur Selbsthilfe ist bei ihnen jedoch stärker ausgeprägt als bei weniger resilienten Menschen, sodass sie schneller über einen Verlust hinwegkommen.

Psychische Vorbelastungen (Trauma-Biografie)

In keinem Lebensbereich werden wir so stark mit unseren psychischen Vorbelastungen in Form von Traumata konfrontiert wie in unseren Liebesbeziehungen.
Haben wir bereits in frühen Jahren traumatische Erfahrungen gemacht, die mit Todesangst verbunden waren, kommen wir spätestens bei einer Trennung damit in Berührung. 

Trennungsschmerz

Aus der Bindungstheorie wissen wir, dass Babys und kleine Kinder ohne psychische und physische Nähe zu anderen nicht überleben können. Das wir heute am Leben sind bedeutet aber nicht, dass bei uns diese elementaren Bedürfnisse jederzeit gestillt wurden. Sind wir beispielsweise von einem Elternteil abgelehnt wurden oder hat man uns schreien lassen, war das für unsere Existenz tatsächlich lebensbedrohlich. Auch wenn wir keine bewussten Erinnerungen mehr daran haben, leiden wir durch derartige Erfahrungen an den Folgen von Bindungs- und/oder Entwicklungstraumata.

Mussten wir im Laufe unseres Lebens mit dem Verlust eines nahestehenden Menschen durch Tot, Trennung oder Scheidung umgehen und konnten diesen nicht ausreichend verarbeiten, haben wir mit großer Wahrscheinlichkeit ein Verlusttrauma erlitten. Wenn Gewalt und Missbrauch unser Leben geprägt haben, sind weitere unverarbeitete Traumatisierungen sehr wahrscheinlich.

Kann Liebeskummer zu einer (Re-) Traumatisierung führen?

Auch wenn eine Trennung als ein überwältigendes Ereignis wahrgenommen werden kann, das den Anschein macht, es nicht überleben zu können, kann hier nicht von einer Retraumatisierung gesprochen werden. Was traumatisierend erscheint, ist in Wahrheit „nur“ ein Trigger. 

Durch die Trennung von unserem Geliebten oder unserer Geliebten trifft der Herzschmerz auf unsere unverarbeiteten Kindheitstraumata und ruft diese wieder wach. Dies erklärt auch, warum wir uns in einem Trennungsprozess häufig wie ein kleines Kind fühlen: einsam, allein und unfähig zu überleben.

Eine Re-traumatisierung würde bedeuten, dass wir erneut einer Situation ausgesetzt sind, die der damaligen gleicht. Rein objektiv betrachtet ist das jetzt, wo wir erwachsen sind, nicht mehr der Fall. Auch wenn wir allein sind, ist jetzt unser Leben davon nicht mehr bedroht. Im Vergleich zu damals sind wir im Hier und Jetzt handlungsfähig und in der Lage, all die schmerzlichen Gefühle liebevoll anzunehmen. Wir werden den Liebeskummer überleben und so aus dem alten Modus er-wachsen.

Phasen von Liebeskummer

Um Deine Gefühle oder das Gefühlschaos, das Du gerade erlebst, besser einordnen zu können, ist es hilfreich, Dir die vier Phasen von Liebeskummer bewusst zu machen. Sie verdeutlichen Dir, dass Dein aktueller Zustand normal ist und auch wieder vorübergehen wird.

1. Nicht-wahrhaben-wollen-Phase

Diese Phase wird maßgeblich durch unseren Hormonhaushalt herbeigeführt. Wie bereits erwähnt, nimmt nach einer Trennung die Bildung des Bindungshormons Oxytocin ab. Wir fühlen uns dadurch wie auf einem Drogenentzug. Letztendlich sind wir auch Entzug, nämlich von dem bisher geliebten Menschen. Die Trennung in dieser Phase anzuzweifeln, auch wenn sie von uns selbst ausgegangen ist, ist eine typische Begleiterscheinung.  Auch das Leugnen der Trennung als Verlassene oder Verlassener ist typisch. Wir wollen nicht wahrhaben, dass die Beziehung vorbei ist und hoffen, dass für alles noch eine Lösung gefunden werden kann.

2. Phase von Akzeptanz und Trauer

Dass die Trennung real ist, begreifen wir in der zweiten Phase. Wir beginnen jetzt um unseren Verlust zu trauern und haben Liebeskummer. Damit wir unsere Trennung wirklich gut verarbeiten, ist es sehr wichtig, all unseren Gefühle Raum zu geben.

Häufig entwickeln wir in dieser Phase auch Groll oder sogar Rachefantasien, weil wir uns ungerecht behandelt fühlen. Dahinter verbirgt sich meist Wut, die auch gefühlt werden will, ohne dass wir sie an uns selbst oder dem Ex-Partner ausagieren.

3. Phase der Selbstreflexion

In der dritten Phase der Selbstreflexion beginnen wir die Trennung weniger emotional zu betrachten. Wir erkennen, welche Gründe zum Scheitern der Beziehung geführt haben und sind in der Lage, unseren eigenen Anteil daran zu sehen. Es kann durchaus sein, dass wir noch immer traurig über den Verlust sind, aber wir öffnen uns jetzt auch der Möglichkeit, dass unser Leben von nun an ohne den Ex-Partner weitergeht. Vielleicht sind wir sogar in der Lage anzuerkennen, dass die Trennung ein wichtiger Schritt für unsere eigene Entwicklung war.  

4. Phase der Neuorientierung

Liebeskummer verarbeiten

Abschließend kommt es zur Phase der Neuorientierung, in der wir unser Leben wieder selbst in die Hand nehmen. Diese Phase erkennen wir durch unsere zunehmende Neugier auf das Leben und die Offenheit für Neues. Wir stecken uns neue Ziele und widmen uns endlich wieder den Dingen, die uns Freude bereiten (z. B.: Sport, Kunst, Wandern, Tanzen etc). Die Trennung ist verarbeitet und wir fühlen uns emotional wieder stabil.

Bis es zur Phase der Neuorientierung kommt, ist es möglich, dass wir zwischen den drei vorherigen Phasen hin und her pendeln. Das ist Teil des Verarbeitungsprozesses und ganz normal. Wir sollten uns also nicht unter Druck setzen, egal wie lang es insgesamt dauert.  

6 Tipps zum Verarbeiten von Liebeskummer

Wie bereits erwähnt bist Du Deinem Trennungsschmerz nicht schutzlos ausgeliefert. Als erwachsener Mensch bist Du handlungsfähig und kannst Dir bei der Verarbeitung Deines Liebeskummers Hilfe suchen. Vielleicht gelingt es Dir sogar, die Trennung als Chance zu betrachten, um Deine alten Traumawunden zu heilen. Die folgenden Tipps sollen Dich bei der Verarbeitung Deiner Trennung unterstützen und Dir helfen, in einen Zustand von Stabilität und Sicherheit zurückzufinden.

Bleib Abstinent!

Mach Dir bewusst, dass Du Dich nach einer Trennung auf einem hormonellen Entzug befindest. Wenn Du immer wieder Kontakt zum Ex-Partner suchst, wirst Du nicht von der „Sucht“ loskommen und verlängerst Deinen Leidenszustand. Vermeide persönliche Begegnungen und andere Arten der Kontaktaufnahme (Anrufe, SMS, Nachrichten auf sozialen Medien), so gut es geht. Versuche bewusst Deine Gedanken von ihm oder ihr abzulenken, ohne Dir selbst dabei zu schaden. Statt in Erinnerungen zu schwelgen oder darüber nachzugrübeln, was falsch gelaufen ist, lenke Deine Aufmerksamkeit immer wieder in die Gegenwart.

Nimm Unterstützung an

Es ist normal, wenn Du Dich nach einer Trennung eine Zeit lang zurückziehen willst. Irgendwann solltest Du aber wieder aus Deinem Schneckenhaus herauskommen und die Unterstützung von Freunden, Bekannten und der Familie annehmen. Auch andere soziale Kontakte (Arbeitskollegen, Selbsthilfe-, Fitnessgruppen) können Dir dabei helfen zu begreifen, dass Du nicht allein bist und Dein Leben auch ohne Deinen Partner oder Deine Partnerin einen Sinn hat.

Erlaube Deine Gefühle

Auch wenn die Trennungsgefühle sehr schmerzhaft sind, ist Verdrängung keine Lösung. Statt Dich abzulenken oder direkt in eine neue Liebschaft zu stürzen, solltest Du versuchen, Deine Gefühle zuzulassen und zu fühlen. Trauer und Wut sind wichtig, um über Deinen Verlust hinwegzukommen. Versuche herauszufinden, welche Geschenke diese Gefühle für Dich bereithalten. Verbirgt sich hinter der Trauer womöglich Selbstliebe? Und schenkt Dir die Wut vielleicht innere Klarheit und Stärke?

Finde zu Deinem inneren Kind

Wir alle tragen ein verletztes Kind in uns, dass unter den unverarbeiteten Traumawunden leidet, die jetzt wach gerufen wurden. Indem Du Dich diesem Kind-Anteil in Dir zuwendest, heilst Du nicht nur Deinen Liebeskummer, sondern auch Deine Traumata. Wie Du den Zugang zu Deinem inneren Kind findest und es heilen kannst, erfährst Du in folgendem Beitrag:

Dein inneres Kind
Die wichtigste Beziehung in Deinem Leben! 

Inneres Kind


Fokussiere Dich auf Kraftquellen und Positives

Fokussiere Dich auf die positiven Dinge in Deinem Leben und alles, wofür Du dankbar bist. Finde Deine persönlichen Kraftquellen und schöpfe so oft es geht aus ihnen. Yoga, Meditation oder Atemübungen können genauso hilfreich sein wie Naturerfahrungen, Sport oder Kreatives (Basteln, Malen, Singen). Was hat Dir in der Vergangenheit immer gutgetan? Zögere nicht und tu es wieder, solange es Dir und anderen nicht schadet.

Such Dir therapeutische Unterstützung

Um Hilfe zu bitten, wenn Du Dich von schmerzlichen Gefühlen überwältigt fühlst, kennzeichnet ein liebevolles und verantwortungsbewusstes Verhalten Dir selbst gegenüber. Scheue Dich also nicht davor, Dir Hilfe zu suchen, sei es bei einem Therapeuten, einer Selbsthilfegruppe oder im Rahmen eines Coachings. Gerade jetzt gibt es auch online sehr viele Angebote.

Bitte setze Dich auch bei der Umsetzung dieser Tipps nicht unter Druck. Räume dem Prozess die Zeit ein, die er nun mal braucht. Egal ob es Wochen, Monate oder sogar Jahre sind. Wenn Du gut für Dich sorgst und Dir die Tipps zu Herzen nimmst, wird es aber sicher keine Jahre dauern, um über den Verlust hinwegzukommen. Indem Du Dir Zeit lässt, stellst Du außerdem sicher, dass Du die Trennung wirklich verarbeitest und keine Altlasten in eine neue Beziehung überträgst.

Sei Dir gewiss, dass Du am Ende geheilt und gestärkt aus dieser Phase Deines Lebens herauskommen wirst. Zweifellos folgt nach jedem Regen auch wieder Sonnenschein.

Liebeskummer verarbeiten

Wie bist Du nach Deiner letzten Trennung mit dem Herzschmerz umgegangen? Weißt Du noch, was Dir am meisten geholfen hat? Teile Deine Erfahrungen gerne in einem Kommentar, damit andere wissen, dass sie damit nicht allein sind. Teile diesen Beitrag bitte auch mit Menschen, die gerade unter Liebeskummer leiden. Herzlichen Dank! ♥

Schön, dass Du da bist!

Aktuelle Beiträge

Slow Sex zur Heilung Deiner Sexualität

Slow Sex zur Heilung Deiner Sexualität

Slow Sex soll Paaren dazu verhelfen, ihre Sexualität dauerhaft spannend und intensiv zu erleben. Außerdem ermöglicht er Heilung auf mehreren Ebenen. Was Slow Sex ist, wie er sich von konventionellem Sex unterscheidet und wie er zur Heilung Deiner Sexualität beitragen kann, erfährst Du in diesem Beitrag. Außerdem bekommst Du eine Kurzanleitung für Slow Sex, damit Du mit Deinem Partner oder Deiner Partnerin direkt die Vorzüge dieses Ansatzes kennenlernen kannst.   

Was ist konventioneller Sex?

Bevor wir uns anschauen, was es mit Slow Sex auf sich hat, widmen wir uns erst mal der Frage, was überhaupt unter konventionellem Sex verstanden wird.
Je nach kulturellen und subkulturellen Normen gibt es nämlich unterschiedliche Auffassungen.

In der westlichen Welt wird Geschlechtsverkehr in der Missionarsstellung bei heterosexuellen Paaren als konventionell bezeichnet. Viel treffender formuliert es die Sex-Expertin Yella Cremer in ihrem Buch *Liebe würde Slow Sex machen. Sie schreibt darin, dass es sich bei konventionellem Sex um den Stoff handelt, aus dem Hollywood-Filme, Porno- und Erotikromane, aber auch sexuelle Fantasien, Fetische und gesellschaftliche Normen gemacht sind. (Yella & Samuel Cremer, 2019).

Konventioneller Sex folgt eigentlich immer einem gleichen Muster, das man in drei Worten zusammenfassen kann: Aufladung – Bewegung – Entladung. So sind die meisten von uns sexuell darauf konditioniert, dass guter Sex mit einem Orgasmus (der Entladung) endet. Sobald dieses vermeintliche Ziel erreicht ist, sprechen wir von gelungenem Sex. 

Sex als Stressfaktor

Aber ist Sex wirklich nur dann gelungen, wenn er mit einem Orgasmus endet? Was ist denn, wenn wir mal nicht so funktionieren? Können wir dann keinen guten Sex haben?

In sämtlichen Lebensbereichen sind wir Leistungs- und Erfolgsdruck ausgesetzt. Und jetzt sollen wir auch noch im Bett ein Ziel erreichen? Wen verwundert es da, dass Impotenz, Frigidität und sexuelles Desinteresse immer weiter zunehmen.

Sexuelles Desinteresse

Trotzdem eifern viele von uns noch immer dem Orgasmus-Ziel hinterher und scheuen dabei keine Mittel. Spielzeuge, Rauschmittel, wechselnde Partner/innen oder nicht konventionelle Sexpraktiken kommen zum Einsatz. Aber irgendwas scheint dennoch zu fehlen, denn statt mehr spüren wir eher immer weniger.

Die Begründerin des Slow Sex Diana Richardson verrät uns in zahlreichen Büchern, was neben dem Orgasmus-Stress weitere Ursachen für unseren Gefühlsverlust sind. Zum einen ist es eine fehlende Verbindung zwischen den Paaren und zum anderen eine körperliche Überreizung

Fehlende Verbindung und Überreizung 

Fragst Du Dich jetzt, wie es an Verbindung fehlen kann, wenn man sich wortwörtlich voreinander nackig macht?
Neben der körperlichen Verbindung spielt besonders bei Frauen auch eine emotionale Nähe eine wesentliche Rolle für intensive Gefühle. Eine offene und ehrliche Kommunikation, Blickkontakt und körperliche Nähe, die nicht an Sex gekoppelt ist, fördern die Fähigkeit, sich beim Sex fallen zu lassen und Lust zu empfinden.

Das wir immer weniger spüren, weil unsere empfindlichsten Bereiche beim konventionellen Sex völlig überreizt werden, ist den wenigsten bewusst. Der männliche und der weibliche Geschlechtsbereich sowie die Brüste (vor allem die Brustperlen) der Frau sind sehr sensitiv und verletzlich. Durch intensives Reiben, Rubbeln, Beißen und heftige Stoßbewegungen werden diese Körperbereiche regelrecht traumatisiert. Auch bei der Selbstbefriedigung finden häufig sehr grobe, lieblose und vor allem einseitige Bewegungsabläufe statt. Mit Selbstliebe hat das oft nichts zu tun. Indem unsere intelligenten Körper weniger empfindsam werden, versuchen sie sich eigentlich nur vor diesen groben Einflüssen zu schützen.

Sex neu begreifen

Hast Du Dich schon mal gefragt, wie Dein Sexleben aussehen würde, wenn Du nie die Bilder aus Film- und Fernsehen, vor allen aus Pornos gesehen hättest?
Weil Sex so fehlverstanden und schambesetzt ist, wurde uns weder in der Schule noch von unseren Eltern erklärt, worum es dabei geht, geschweige denn wie er funktioniert. Also haben wir irgendwann angefangen, das zu imitieren, was wir darüber aufgeschnappt haben.

Sobald wir uns von unseren Konditionierungen lösen und mutig hinterfragen, was wir da beim Sex eigentlich tun, können wir uns einem völlig neuen Verständnis von Sexualität öffnen.

„Meine Reise in den Slow Sex bewirkte, dass ich mein Erwarten und Wollen verlernte. Slow Sex tauchte mich tief in eine Phase der sexuellen Wandlung, ich würde sagen: Meine ursprüngliche Sensibilität und Sinnlichkeit öffneten sich wieder. Statt Langeweile erlebte ich: Slow Sex ist Highspeed für sexuelle Transformation!“ (Ilan Stephanie, 2019)

Genaugenommen ist sexuelle Energie doch reinste Lebensenergie. Aus dieser Energie heraus können ein Mann und eine Frau gemeinsam neues Leben erschaffen. Wir alle sind aus dieser Energie entstanden und tragen sie ein Leben lang in uns.
Konventionell gelebte Sexualität ist zielgerichtet, angespannt und einseitig. Sie blockiert den Energiefluss in uns. Das ist der Grund dafür, weshalb die wenigsten von uns eine langfristig erfüllte Sexualität haben.  Es gilt also die sexuelle (Lebens-) Energie wieder in einen harmonischen Fluss zu bringen. Slow Sex ist dafür ein guter Ansatz.

Tantra Zitat - Osho

Slow Sex - was ist das?

Der Begriff Slow Sex wurde von der bereits kurz erwähnten Tantra-Lehrerin Diana Richardson geprägt. Sie und ihr Mann lehren Slow Sex in Workshops, haben bereits zahlreiche Bücher veröffentlicht und für den Film „Slow Sex – Wie Sex glücklich macht“ einen Filmpreis gewonnen.

Entgegen der weitläufigen Annahme handelt es sich beim Slow Sex nicht nur um langsameren oder gar langweiligen Sex, sondern um einen völlig neuen Zugang zur Sexualität. Durch Entschleunigung wird der Sex aufmerksam und bewusst erlebt, sodass er über das reine Miteinanderschlafen hinausgeht.

„Slow Sex eröffnet einen Weg für alle Liebenden, um ihre Sexualität dauerhaft spannend und intensiv, auch bis ins hohe Alter, zu erleben: sich Zeit für die Liebe nehmen, den Körper spüren, sich mit dem Partner verbinden, jeden Moment und jede Berührung bewusst wahrnehmen und genießen. So wird die heilende und spirituelle Kraft der Erotik freigesetzt und Sex zu einem wirklichen Akt der Liebe.“ (Diana Richardson, 2013)

Slow Sex kommt der Ausdrucksweise „Liebe machen“ viel näher. Er ist ein entspanntes aufeinander einlassen zweier Menschen, ohne Vorgaben und Ziele. In vollkommener Präsenz schenkt Slow Sex allem Erlaubnis, was gerade da sein will. Mithilfe dieses Ansatzes spüren wir eine tiefe Nähe und Verbindung zu unserem Geliebten oder unserer Geliebten die uns nährt und energetisiert.

„Die Magie des Slow Sex liegt nicht darin, dass er der bessere Sex wäre, der richtige oder der heiligste. Im Prinzip geht es beim Slow Sex gar nicht um Slow Sex, es geht um einen Weg, die ureigene Sexualität wiederzufinden – in ihrer individuellen, unverwechselbaren, einzigartigen und reichen Schönheit.“ (Ilan Stephanie, 2020)

Slow Sex - Heilung der Sexualität

Was unterscheidet Slow Sex von konventionellem Sex?

1. Es gibt kein Ziel zu erreichen
Während konventioneller Sex das Ziel verfolgt, zum Orgasmus zu kommen, gibt es beim Slow Sex kein Ziel. Es geht dabei viel mehr um den Genuss intimer Zweisamkeit und Nähe.

2. Entspannt euch!
Slow Sex ist ein langsamer und achtsamer Ansatz. Es geht um vollkommene Entspannung und nicht, wie beim konventionellem Sex um Stimulierung oder Sensation. Beim Ansteuern des Orgasmus ist jede Menge körperliche und geistige Anstrengung erforderlich, was dazu führt, dass unser Körper verspannt. Slow Sex ermöglicht uns den Zugang zu unserer natürlichen Ekstase, während wir uns vollkommen entspannen.

3. Lust ist kein Muss
Konventioneller Sex setzt voraus, dass zumindest der Mann Lust verspürt und eine Erektion hat. Beim Slow Sex gibt es diese Voraussetzung nicht. Wir verbinden uns achtsam mit unserem Körper und lassen uns von ihm führen. Lust entsteht von ganz allein, wenn wir loslassen, während wir beim konventionellen Sex häufig den Kopf einsetzen müssen, um Lust durch Fantasien oder Worte zu erzeugen.

4. Schaut euch in die Augen
Beim Slow Sex gehen wir eine tiefe Verbindung mit unserem Geliebten oder unserer Geliebten ein, die durch Blickkontakt noch intensiviert wird. Die Blicke beim konventionellen Sex richten sich eher auf äußere Reize oder weichen auf innere Bilder und Fantasien aus. 

5. Zeit spielt keine Rolle
Konventioneller Sex kann eine Sache von ein paar Minuten sein. Slow Sex hingegen hat kein Zeitlimit. Es ist wie ein warmes Entspannungsbad nach einem stressigen Tag, bei dem Du ganz loslässt und Zeit keine Rolle spielt.

6. Ladet euch auf
Während wir nach konventionellem Sex tendenziell eher erschöpft sind, schenkt Slow Sex uns langfristig Energie. Nicht nur, weil wir uns weniger bewegen und mehr entspannen, sondern weil wir die Energieblockaden auflösen, die durch Anspannung und Leistungsdruck beim konventionellen Sex entstanden sind.

Slow Sex vs normaler Sex

Wie kann Slow Sex heilen?

Heilung geschieht beim Slow Sex auf mehreren Ebenen. Auf der körperlichen Ebene, weil wir uns und unseren Körper achtsamer und liebevoller wahrnehmen lernen. Auf emotionaler Ebene, weil wir mithilfe von Slow Sex Zugang zu unseren tiefsten Wunden erhalten können, in denen unsere gesamte Gefühlswelt gebunden ist. Und auf der Beziehungsebene, weil wir mit unserem Partner oder unserer Partnerin eine echte und tiefe Verbindung eingehen.

Du erfährst körperliche Nähe, sanfte Berührungen und Streicheleinheiten, ohne etwas geben oder erfüllen zu müssen. Gerade als Betroffene/r von sexuellen Missbrauch kann das eine ganz neue und äußerst heilsame Erfahrung sein, weil Nähe und Sexualität bisher vielleicht nicht getrennt voneinander erlebt werden konnten.

Heilung bedeutet aber auch, unangenehme Gefühle einzuladen und zu erlauben. In vielen Schlafzimmern werden aus Angst und Scham die eigenen Bedürfnisse und Gefühle zurückgehalten, was natürlich unweigerlich zu Frustration führt. Wenn Du Dich mit Deinem Geliebten oder Deiner Geliebten auf Slow Sex einlässt, eröffnet ihr den Raum für alles, was euch menschlich macht. Dazu gehören eure Körperempfindungen, eure Gedanken und eure Gefühle. 

Vielleicht bemerkst Du, wie schwer es Dir fällt diese intensive Nähe überhaupt auszuhalten, wenn ohne das gewohnte Orgasmus-Ziel kein Ende in Sicht ist. Womöglich kommen Verlustängste oder ein Gefühl der Wertlosigkeit auf, weil Du glaubst, Deinem Partner oder Deiner Partnerin im Bett etwas bieten zu müssen. Wenn bei Dir als Mann Deine Erektion nachlässt, weil Du tief entspannt bist, steigen eventuell Scham auf oder die Befürchtung kein richtiger Mann zu sein.

Was zunächst beängstigend wirkt, wird euer Sexleben langfristig transformieren. All die limitierenden und begrenzenden Glaubensmuster und die damit einhergehenden Gefühle, die sich jetzt zeigen, sind das Fundament für die Heilung eurer Sexualität.  

Wo immer zwei Menschen in Freiheit und Vertrauen zusammenkommen und den universellen Charakter ihrer Vereinigung erkennen, lösen sich alte Begrenzungen auf. In angstfreier Sexualität liegt eine große Heilkraft. Sie verbindet uns mit den Vital- und Seelenkräften des Lebens. Wir erleben das, wenn immer wir die Muster der Angst, des Ekels und der Scham hinter uns lassen können. Wer volle erotische Liebe erfahren hat, kann anderen Wesen keine Gewalt mehr antun. Sinnliche Liebe ist das verlässlichste Fundament echter Gewaltfreiheit (Tamera.org).

Slow Sex - Kurzanleitung

Diese Kurzanleitung orientiert sich an dem Ansatz von *Yella Cremer aus dem Buch „Liebe würde Slow Sex machen“. Sie beschreibt darin drei Übungsphasen zum Erlernen dieses neuen Ansatzes. Mithilfe bestimmter Regeln sollen alte Konditionierungen losgelassen werden, um eine absichtslose und achtsame Haltung zu üben. In der ersten Phase wird geübt, gemeinsam ganz entspannt zu sein, ohne sich zu bewegen. Keine Sorge, langweilig wird das nicht!

Vorbereitung

Zur Vorbereitung auf Slow Sex solltet ihr sicherstellen, dass der Raum in dem ihr euch befindet, angenehm warm ist. Schaltet unbedingt eure Handys aus und stellt sicher, dass ihr nicht gestört werden könnt. Wenn ihr wollt, könnt ihr das Licht dimmen, Kerzen anzünden und sanfte Hintergrundmusik einschalten. Schaut, wie ihr euch wohlfühlt.

Macht euch noch mal bewusst, dass es beim Üben von Slow Sex darum geht euch miteinander zu verbinden und zu entspannen. Beschließt gemeinsam, dass ein Orgasmus in dieser Übungsphase ausgeschlossen ist. Beim Üben werdet ihr merken, warum das so wichtig ist, denn die Konditionierung sitzt sehr tief. Doch in den nächsten Stunden gib es nichts, was ihr leisten oder erfüllen müsst.

Zieht euch nun gerne nackt aus und begebt euch in eine für euch bequeme Haltung, am besten in den Schneider oder Fersensitz. Setzt euch gegenüber voneinander, sodass ihr euch anschauen könnt. Wenn ihr möchtet, schließt für einen Moment die Augen und spürt in eure Körper hinein. Kommt ganz im Hier und Jetzt an, atmet durch die Nase tief in den Bauch ein und aus und lasst den Alltag bewusst hinter euch.

Einstimmung

Öffnet nun eure Augen und schaut euch für einige Momente liebevoll in die Augen. Ihr werdet feststellen, wie selten ihr das macht und das das allein das schon viel bewirkt. Vertieft eure Verbindung, indem ihre Eure Hände haltet. Ihr sitzt also voreinander da, haltet euch an den Händen und schaut euch in die Augen. Alternativ könnt ihr auch jeweils eine Hand auf den Herzbereich des anderen legen und einfach einige Minuten so da sitzen.

Beginnt dann, ganz langsam und achtsam den Körper des Geliebten oder der Geliebten mit streichelnden Bewegungen zu erkunden. Denkt aber dran, dass es nicht darum geht Erregung zu erzeugen. Am besten widmet ihr euch den Stellen, die sonst wenig Aufmerksamkeit erhalten und schenkt ihnen jetzt sanfte und liebevolle Berührungen.

Bitte gebt euch gegenseitig auch Feedback darüber, was sich gut anfühlt und was vielleicht nicht und bleibt dabei aufgeschlossen und wohlwollend. Auf diese Weise erfahrt ihr vielleicht ganz neu, welche Berührungen Dein Geliebter oder Deine Geliebte überhaupt mag.

Praxisteil

Wenn ihr möchtet, könnt ihr euch nun hinlegen. Für die ersten Runde ist es empfehlenswert, keine spezielle Stellung einzunehmen, sondern euch auf die Seite zu legen, sodass ihr euch weiterhin anschauen könnt. Macht es euch so gemütlich wie möglich und stellt sicher, dass ihr euch warm und wohl fühlt. Streichelt euch gerne weiter und teilt euch weiterhin mit, was euch gefällt und was nicht. Wenn ihr euch küsst, achtet darauf, dass es ruhig bleibt. Ihr wollt als Beginner keine übermäßige Lust erzeugen. Vermutlich werdet ihr merken, wie ihr alten Konditionierungen folgen wollt. Sprecht darüber und lasst alle Anspannung in Körper und Geist immer wieder los.

Slow Sex

Ihr könnt dann eure Genitalien zusammenbringen. Entweder lasst ihr sie so eine Weile zusammenliegen und beobachtet, was geschieht oder ihr führt den Penis in die Vagina ein. Macht das ganz achtsam und langsam und versucht zu spüren, wie sich der Körper dabei anfühlt. Solltest Du als Mann keine Erektion haben, ist das beim Slow Sex kein Problem. Das mag vielleicht ungewohnt sein, aber es funktioniert! Liebkost euch gerne weiter, wenn euch danach ist aber versucht dem Drang euch zu bewegen zu widerstehen.

Wenn ihr merkt, dass eure Gedanken abschweifen, könnt ihr euch auf euren Atem oder die körperlichen Empfindungen konzentrieren und diese beobachten, um wieder im Moment anzukommen. Auch der Blickkontakt holt euch zu jeder Zeit zurück in den Augenblick.
Genießt und beobachtet einfach, was geschieht. Wie fühlt ihr euch? Welche Gedanken kommen auf? Welche körperlichen Empfindungen?

Ausklang

Beim Slow Sex gibt es kein Ende im Sinne des Orgasmus, deshalb seid ihr vielleicht unsicher, wann ihr aufhören sollt. Das liegt ganz in eurer Hand. Slow Sex kann sich aufgrund des Entspannungs- und Wohlfühlfaktors über Stunden hinwegziehen. Solange es sich gut anfühlt, macht weiter. Ihr könnt auch in dieser eng umschlungenen Position gemeinsam einschlafen, wenn ihr wollt. Solltet ihr wach bleiben wollen, beschließt gemeinsam den Endzeitpunkt und lasst die Übung genauso achtsam ausklingen, wie ihr begonnen habt. Wie genau das aussieht, könnt ihr euch selbst überlegen.

Wenn euch die Übung gefallen hat und ihr neugierig auf die übrigen Lernphasen geworden seid, empfehle ich euch den Kauf des Buchs *„Liebe würde Slow Sex machen von Yella und Samuel Cremer, weil es eine detaillierte Übungsanleitung und wertvolle Tipps enthält. Für eine vertiefende Beschäftigung mit den Themen Tantra und Slow Sex, solltet ihr meiner Meinung nach zu den *Büchern von Diana Richardson greifen. Oder ihr bucht den *Online-Kurs #MovingSlowSex von der Körperforscherin und Bestseller-Autorin Ilan Stephanie.

Gerne darfst Du den Beitrag teilen und weiterempfehlen, wenn er Dir gefallen hat! Vielleicht magst Du auch einen Kommentar hinterlassen und mich an Deinen Erfahrungen mit Slow Sex teilhaben lassen. Ansonsten wünsche ich viel Spaß beim Üben! 

Schön, dass Du da bist!

Die mit Sternchen (*) gekennzeichneten Links sind sogenannte Affiliate-Links. Wenn du auf so einen Link klickst und über diesen Link einkaufst, bekomme ich von dem betreffenden Online-Shop oder Anbieter eine Provision. Für dich verändert sich der Preis nicht.

Quellenverweise: 

Cremer, Yella & Samuel (2019): Sex, der Männer und Frauen wirklich glücklich macht – endlich konkret erklärt. Mit einem Vorwurt von Ilan Stephanie. 1. Edition, Hamburg

Richardson, Diana (2013): Zeit für die Liebe: Sex, Intimität und Extase in Beziehungen, Köln

Tamera (Autor unbekannt): Sexualität als heilige Kraft. Abgerufen am 20.05.22, von https://www.tamera.org/de/sexualitaet-als-heilige-kraft/

Tuba, Frank (2018): Langeweile im Bett oder Probleme, einen Orgasmus zu bekommen? Probiere es mit Slow Sex. Abgerufen am 10.05.2022, von https://www.refinery29.com/de-de/slow-sex-die-anleitung-zum-neuesten-trend


Bildnachweise: 

Schönes Paar im Bett unter der Decke:
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Dieser Moment, wenn wir zusammen sind:
Frau Foto erstellt von gpointstudio – de.freepik.com

Aktuelle Beiträge

Lebenstraum

Vom Trauma zum Lebenstraum – Ein Interview, das Hoffnung macht

Corinne E. Sutter Meier bezeichnet sich selbst als Meisterin der Selbstheilung, Traumaheilerin aus Leidenschaft und Inspiratorin. In ihren Coaching-Programmen begleitet sie Frauen raus aus dem Stress, rein ins volle Selbstvertrauen und ein sinnerfülltes Leben. Durch meinen Beitrag über die Logosynthese ist sie auf Ganzwerdung aufmerksam geworden. Weil es ihre Lebensmission ist, eine positive Sichtweise über Trauma in die Welt zu bringen und mit ihrer Geschichte Mut zu machen, habe ich sie dazu befragt, wie sie es geschafft hat, trotz oder durch ihre Traumata ihren Lebenstraum zu verwirklichen.

Ein Lebenstraum - was ist das?

Liebe Corinne, was verstehst Du unter Lebensträumen? Sind das Träume, die uns schon von klein auf begleiten oder entwickeln sie sich erst im Laufe des Lebens?

Corinne: Wenn ich zurückschaue auf Klein-Corinne und ihre Träume, sticht ein Thema hervor: Klein-Corinne hat vom Prinz geträumt, der sie küsst, auf Händen trägt, in seine starken Arme schließt, einkuschelt und lustig ist. Stundenlang habe ich mit meinen Freundinnen „Barbie“ gespielt. Egal welche Abenteuer die Barbies erlebten, am Schluss küssten sie immer ihre Traumprinzen und waren bis ans Ende ihres Lebens glücklich verliebt.
Andere Menschen träumen von schönen Häusern, Leben am Meer, Autos, Geld, Weltraumstationen, Miss-Wahlen, Karrieren oder was es sonst für attraktive Träume geben kann. Ich träumte von der schönsten Liebesbeziehung.

Diese Tagträume, in denen man sich sein Leben ausmalt, bezeichne ich als Lebensträume. Sie führen zum Traumleben und stehen im direkten Zusammenhang mit unserer Lebensmission – nur erkennen wir das selten sofort.

Im Laufe des Lebens können sich Lebensträume verändern und neue können dazu kommen, manchmal sogar aus aktuellen Problemen heraus.  Etwas gefällt dir nicht in deinem Leben? Du willst es anders haben? Das ist eine wertvolle Erkenntnis! Sobald du weißt, was du nicht willst, kannst du erforschen, was du stattdessen willst. Bei mir zum Beispiel war das Problem „Dauerstress im Beruf“. Ich arbeitete eigentlich gern, sowohl als Führungskraft wie auch als Coach. Aber ich fühlte mich ständig unter Druck und hatte diffuse Ängste, nicht gut genug zu sein. Ich träumte also von Flow in meiner Arbeit und ging dafür, bis ich ihn fand.

Der Einfluss von Traumata auf die Lebensträume

Welchen Einfluss haben frühe Traumatisierungen auf unsere Lebensträume?

Corinne: Ein Trauma kann die Verwirklichung von einem Lebenstraum erschweren oder sogar ganz verhindern. Mein Lebenstraum war ja diese erfüllende, nährende Liebesbeziehung. Träumen konnte ich stundenlang davon. Doch in der Realität ließ ich keinen Mann an mich ran. Nur schon der Gedanke an einen Kuss ließ mich innerlich erstarren. Ekelhaft. Igitt! Als ich 19 Jahre alt war, hinterfragte ich mich stark. Bin ich frigide? Bin ich lesbisch? Was ist nur mit mir los? Ich verstand mich nicht. Alle meine Freundinnen hatten schon Liebesbeziehungen gehabt, nur ich nicht.

Auch mein Körper spielte verrückt. Seit meinem sechsten Lebensjahr hatte ich gravierende Knieschmerzen mit unklarer Ursache. Wachstumsstörungen, sagten die Ärzte. Später kamen Gelenksschwellungen und nervale Ausstrahlungen dazu – einfach aus dem Nichts. Ich war dauernd müde und fühlte mich erschöpft. Ebenso verwirrend war meine Entwicklung vom Mädchen zur Frau. Ich bekam keine Menstruation trotz starker Bauch- und Rückenschmerzen. Die Frauenärztin sagte mir, ich hätte verschrumpelte Eierstöcke wie eine 90-jährige Frau und ich werde nie Kinder bekommen können.

Irgendwann mit 21 Jahren zwang ich mich, eine Beziehung zu einem Mann zuzulassen. Ich liebte ihn sehr. Doch das körperliche Zusammensein war der absolute Horror. Irgendwann trennte ich mich deswegen. Ich wusste einfach nicht, was mit mir los war. Im Alter von 24 Jahren lernte ich meinen jetzigen Mann kennen. Um ihn nicht zu verlieren, erfüllte ich meine Pflichten als Liebespartnerin: mechanisch, innerlich tot, ohne Freude. Ich spielte eine Rolle. Irgendwann gewöhnte ich mich daran, auch wenn es sehr belastend war.  Ich funktionierte. Die Jahre verstrichen. Ich wusste nichts von einem Trauma. Ich spürte einfach, dass mich ETWAS innerlich auffraß. Irgendetwas blockierte mich von innen heraus.

Rückblickend weiß ich es waren Traumata, die mich aus dem Unterbewusstsein heraus steuerten und meinen Lebenstraum blockierten.

Wie hast Du damals erkannt, dass Traumatisierungen die Ursache für Deine Probleme waren?

Corinne: Im Alter von 37 Jahren näherte ich mich dem Burnout. Ich buchte einen Coach, um folgende Fragen zu klären: Was stimmt nicht mit mir? Ich bin intelligent. Ich bin gut ausgebildet. Ich bin talentiert. Ich habe Erfolge. Und doch bin ich gestresster als alle meine Berufskollegen? Wie komme ich raus aus dem Stress und rein in den Flow?

Im Rahmen von diesem Coaching mit Dr. Willem Lammers tauchten schockierende Flashbacks auf. Die wahre Ursache für den Stress im Beruf genauso wie für den Stress im Liebesleben zeigte sich:  Mit sechs Jahren wurde ich von zwei Jungs in einem Schrank eingesperrt und genötigt. Mit 14 Jahren missbrauchte mich mein Papa sexuell.
Diese Erfahrungen waren dermaßen belastend für mich als Mädchen, dass ich sie unbewusst komplett abgespalten hatte. Ich hatte kognitiv keinen Zugriff mehr auf diese Vorkommnisse. „Totalamnesie nach komplexen Traumata“ nennt man das in der Psychologie.

Da wurde mir klar, was mit mir los war. Diese traumatischen Erfahrungen trieben aus meinem Unterbewusstsein heraus ihr Unwesen. Die Abspaltungen hatten dazu geführt, dass ich getrennt war von meinem Urvertrauen. Diffuse Ängste plagten mich. Etwas in mir glaubte, das Leben sei gefährlich und ich müsse für die Erfüllung meiner Bedürfnisse kämpfen.  Ich hatte kaum mehr Zugriff auf mein Potential. Meine Lebenskraft schwand. Deshalb war mein Liebes- und Berufsleben so dermaßen belastend für mich.

Eindrücklich, oder? Abspaltung hilft, belastende Erfahrungen auszuhalten und „fürs Erste“ zu überleben. Wenn die Erfahrungen aber nicht geheilt werden, dann können sie zu einer unerträglichen Bürde werden.

Bist Du der Meinung, dass Deine Traumata das Tor zu Deinem Lebenstraum waren?

Corinne: Ja, davon bin ich überzeugt!

Um eine erfüllende, nährende Beziehung auf allen Ebenen wirklich leben zu können, war ich aufgefordert, den Stress im Liebesleben von der tiefsten Wurzel her zu heilen: von den sexuellen Übergriffe her. Das war schmerzhaft. Doch mein Lebenstraum war kraftvoll genug, um mir über alle Hindernisse hinweg zu helfen. Ich heilte und transformierte jede Berührung, die mich innerlich erstarren ließ. Liebevoll geduldig, über Jahre.

Heute leben mein Mann und ich genau diese lebendige, liebevolle, authentische Beziehung, von der ich als Klein-Corinne geträumt hatte. Wir lachen viel, tauschen uns aus, sind Mama und Papa von unserem wunderbaren Sohn Noah. Das Liebesleben ist eine unendliche Entdeckungsreise – die Liebe wird grösser, tiefer, weiter.
Ich weiß nicht, ob ich ohne diese traumatischen Erfahrungen und dieser bewussten Auseinandersetzung mit dem Thema „Liebesleben“ jemals in diese tiefe Erfüllung gefunden hätte. Ich glaube, diese Traumata haben meinen Lebenstraum unterstützt, auch wenn es holprig war.

Lebenstraum leben

Wie Traumatisierungen heilen können

Wie ist es Dir gelungen, deine Traumaerfahrungen weitestgehend zu heilen?

Corinne: Zuerst war externe Hilfe zentral. Dr. Willem Lammers half mir, den Schock zu verarbeiten und mit dieser neuen Wahrheit zurecht zu kommen. Diese sechs Monate im Jahr 2012 zählen zu den schlimmsten meines Lebens. Dank Willem fand ich Kraft, Vertrauen und die nötigen Tools, um meinen Weg zu finden.

Ich lernte das Modell der Logosynthese kennen und das Selbstcoaching damit. Was für ein Geschenk! Von da an ging es in meinem Leben zügig aufwärts: ich konnte Stress im Beruf, im Liebesleben, in der Beziehung zu meinem Vater etc. von der tiefsten Ursache her auflösen. Ich fühlte mich plötzlich selbstermächtigt. Ich war belastenden Situationen nicht mehr ausgeliefert, sondern verstand die Zusammenhänge zu meiner Vergangenheit und konnte Angst in Vertrauen wandeln.

Im Mai 2017 besuchten mein Mann und ich dann das einwöchige „Making Love Retreat“ von Diana & Michael Richardson. In diesem geschützten Rahmen wurden wieder unverarbeitete Aspekte vom Missbrauch aktiviert. Im Wissen um meine Fähigkeit der Selbstheilung konnte ich all den Schmerz zulassen und transformieren. Es war eine extreme Erfahrung, ich dachte, ich sterbe… und gleichzeitig konnte ich die traumatischen Erfahrungen weiter heilen, die „gefangene Energie“ freisetzen. Später an diesem Abend schrieb ich in mein Tagebuch „Es ist vorbei. Es gibt nichts mehr zu verzeihen. Die Liebe fließt. Papa, ich liebe dich!“

Wie wirkte sich die Selbstheilung auf Dein Leben und vor allem auf Deine Lebensträume aus?

Corinne: Mit der Selbstheilung kläre ich jeden Tag mein Körper-Geist-Energiesystem und staune, wie leicht und teilweise magisch meine Lebensträume in Erfüllung gehen.

Das Eindrücklichste für mich ist mein Körper! Meine jahrzehntelangen Symptome und die dauernde Müdigkeit verschwanden. Heute bin 46 Jahre alt und fit wie ein Turnschuh. Ich gehe wieder auf Skitouren, bin regelmäßig auf dem Bike unterwegs und walke dem Thunersee entlang. Ich brauche weniger Schlaf und sprudle meistens vor Energie. Und mein Mann und ich haben einen gesunden Sohn, entgegen der Prognose meiner Frauenärztin.

Lebenstraum Corinne E. Sutter

Auch die Veränderung im Beruf berührt mich zutiefst. Die unlogischen Selbstzweifel sind weg. Existentielle Ängste sind verschwunden. Das Vertrauen fließt: in meine Leistung, meine Kompetenz, in meine Kundinnen, in Erfolg und Geld. Ich verwirkliche meine Mission mit meinem Business und genieße es!

Und natürlich das Liebesleben! Ich fühle mich wie ein Teenager. Mein Mann und ich sind seit 22 Jahren zusammen und genießen uns gegenseitig mehr denn je. Die Schranken in mir sind gefallen. Hingabe. Fühlen. Frei von Scham. Und tritt mal eine Blockade auf – transformieren, gemeinsam lachen oder weinen und weitergehen.

Von einem solchen Leben voller Abenteuer und Leichtigkeit hatte ich geträumt. Schöpferin sein. Dem Leben vertrauen. Meine Berufung leben. Inspiratorin sein. Spaß haben!

Was rätst Du Menschen, die in ihrer persönlichen Entwicklung feststecken?

Corinne:

1. Mutig von der schönsten Version ihres Lebens zu träumen!

Denn Energie folgt immer den eigenen Gedanken und Gefühlen. Träumst du regelmäßig von deiner schönsten Version, gehst du automatisch in diese Richtung. Denkst du häufig über Dinge nach, die nicht gut funktionieren oder über Szenarien, was noch alles Schlechtes passieren könnte, ziehst du mehr davon in dein Leben. Deshalb: Träume mutig, groß und schön!

2. Mit Entschlossenheit jeden Tag den nächsten Schritt hin zu ihrem Lebenstraum zu tun und die kleinsten Erfolge großartig zu feiern!

Manchmal läuft es nicht so, wie du willst. Atme. Finde Frieden mit dem Status Quo. Richte dich aus auf deinen Lebenstraum, stelle die Frage „wie kann ich ihn verwirklichen?“ Tue den nächsten Schritt. Und feiere dich.

3. Sich für EINE Heilmethode zu entscheiden und damit in der Tiefe die Ursache für Stress zu transformieren.

Viele hüpfen von einer Heilmethode zur anderen, immer in der Hoffnung, einen noch besseren, wirksameren oder schnelleren Weg in den Flow zu finden. Doch genau durch dieses Rumhüpfen bleiben sie an der Oberfläche der Heilung. Es gibt unterschiedlichste, geniale Methoden. The Work. The HealingCode. Logosynthese. Schamanische Praktiken und viele mehr. Entscheide dich für eine. Übe. Vertiefe. Verfeinere.

Vom Trauma zum Lebenstraum

Lebenstraum - Corinne E. Sutter Meier

Was ist der Schwerpunkt Deiner Arbeit als Traumaheilerin und Coach?

Corinne: Ich entwickelte in den vergangenen Jahren meine ganz eigene Form der Selbstheilung. Sie integriert wesentliche Aspekte aus der Körperarbeit, dem Modell der Logosynthese und der„Kraft der Anziehung“. Diese einfache Art der Selbstheilung befähigt dich, die innere Handbremse selbständig zu lösen und die eigene Lebensaufgabe entspannt zu verwirklichen.

In meist mehrwöchigen Programmen vermittle ich die Bausteine, damit du selbständig und zuverlässig belastende Erlebnisse heilen und verarbeiten kannst. Denn es ist doch oft so: Viele Menschen wünschen sich den „großen Durchbruch“ in die Leichtigkeit. Wieder und wieder buchen sie eine Fachperson, machen Fortschritte und freuen sich darüber, nur um einige Wochen später frustriert festzustellen, dass sie doch immer noch im Stressstrudel gefangen sind. Das ist zermürbend.

Meiner Erfahrung nach ist eine Fachperson wertvoll und manchmal sogar nötig, um Schritte zu tun, die einem im Alleingang verwehrt bleiben. Die Transformation von Stress in Flow geschieht jedoch am schnellsten und zuverlässigsten, wenn du direkt in deinem Alltag selbständig ansetzen kannst. Dann, wenn eine Blockade auftritt, wenn Ängste und Zweifel nagen, wenn die Symptome überhandnehmen.
Diese „Arbeit“ kann einem niemand abnehmen. Heilung geschieht von innen, nicht von außen. Man muss sich selber auf den Weg machen.

Heilung oder eben Selbstheilung findet mitten im Leben statt. Und genau hier unterstütze ich Frauen. Ich öffne den Raum für Transformation auf der tiefsten Ebene und gebe ihnen das Rüstzeug mit für ihre Heilreise. Meine Geschichte und die damit verbundene Lebenserfahrung begleiten uns dabei und beschleunigen das individuelle Wachstum.

Wie ist ein Coaching bei Dir aufgebaut?

Corinne: Das Basisprogramm für Selbstheilung dauert 10 Wochen und ist exklusiv für Frauen. Das Coaching findet in der Gruppe statt, denn die Gruppe ist ein wesentliches Arbeitsinstrument. Die „Energie“ ist hoch und beschleunigt die Transformation. Es ist ein ideales „Trainingsfeld“, denn individuelle Blockaden aus dem realen Leben zeigen sich schnell und konkret: Angst vor Sichtbarkeit, Angst Fehler zu machen oder etwas Falsches zu sagen, sich ausgeschlossen oder nicht geliebt fühlen, Stress mit Überflutung und Abgrenzung etc. Diese Blockaden lösen sich während diesen Wochen immer mehr auf, ohne viel Zeitaufwand. Mit Hilfe von Lernvideos und regelmäßigen Coachings vermittle ich dabei insbesondere die vier folgenden Schritte: 

1. Wir öffnen mit einfachen und effektiven Körperübungen die inneren „Barrieren“, die du unbewusst aufgebaut hast. Du spürst deine weibliche Urkraft auf eine neue, lebendige Art. Dein Verstand kommt zur Ruhe. Dein Körper wird weicher und empfänglicher – das ist die Basis für Flow in deinem Leben.

2. Du lernst mit einer einfachen Technik aus dem Modell der Logosynthese, aktuelle Belastungen selbständig und sicher zu reduzieren bzw. ganz aufzulösen.

Die Technik jedoch ist nicht das Entscheidende. Ich lege besonderen Fokus auf die Unterscheidung von Stressreaktionen und der URSACHE dafür. Viele Heilmethoden setzen bei den Stressreaktionen an, während die Ursachen unverarbeitet bleiben und weiterhin ihr Unwesen treiben. Das kann anstrengend und frustrierend sein. Sobald du jedoch Stressreaktion und Auslöser differenziert wahrnehmen kannst, ist die Methode, wie du Heilung geschehen lässt, sekundär. Einige Kundinnen haben diesen Ansatz auf ihre vertrauten Methoden angewendet und wunderbare Ergebnisse erreicht.

Im Verlauf des Programms tauchen wir dann gemeinsam ein in die schmerzhafteste Erfahrung, die sich bei dir zeigt. Weshalb? Weil in diesem Trauma am meisten Energie befreit werden kann und weil die Heilung dieses Traumas dir im Moment am meisten Leichtigkeit zurückbringt. Wir lösen deine innere Handbremse und befreien Urvertrauen. Du fühlst immer klarer, dass du alles erreichen kannst, was du dir von Herzen wünschst.

Lebenstraum Erfüllung

3. Wir geben der Stimme deiner Seele bewusst Raum. Wir widmen uns deinen Lebensträumen und du erkennst deine Lebensmission. Du findest Antwort auf die Frage „wozu bin ich hier auf dieser Welt“. Warum ist diese Antwort wichtig für deine Heilung? Diese Klarheit beflügelt dein Wirken, sie gibt dir positive Orientierung. Dein Fokus richtet sich darauf aus und ist nicht länger gefangen in Angst und Drama.

4. Schließlich stärken wir deine Intuition, damit du die Schritte hin zu deinen Lebensträumen auf die leichtmöglichste, schönste und effektivste Art tun kannst. Warum solltest du weiterhin mit dem Verstand durchs Leben kämpfen, wenn es einen einfacheren Weg gibt? Diesen Weg zeige ich dir.  

Hast du Lust, die Selbstheilung zu lernen? Stress aufzulösen und dein Leben aus dem Urvertrauen heraus zu gestalten? Hier findest du weitere Informationen zu mir und meinen Angeboten: www.flowmastercoaching.com

Danke liebe Corinne für dieses authentische und inspirierende Interview. Da unsere Geschichten einige Parallelen aufweisen, habe ich durch Deine Worte Hoffnung, dass auch ich schon bald meine Lebensträume verwirklicht haben werde.  

Corinne: Liebste Janine, vielen, vielen Dank für unseren Austausch! Deine Fragen haben auch in mir einiges sortiert – voll schön!

Logosynthese Sitzung

Logosynthese® zur Unterstützung der Traumaheilung

Der Weg der Ganzwerdung ist ein Weg der Transformation, der viele Veränderungen mit sich bringt. Wir begegnen verschiedenen Gefühlen und stoßen gelegentlich auch auf Schwierigkeiten oder Blockaden. Heute stelle ich Dir eine leichte und effektive Methode vor, die genau dort ansetzt, indem sie Deine Entwicklung unterstützt. Dafür habe ich Karsten Blauel interviewt, der Menschen mithilfe der Logosynthese bei der Bewältigung von Herausforderungen unterstützt.

Wer ist Karsten Blauel? 

Karsten ist zertifizierter Trainer in Logosynthese®, systemischer Coach, Trainer in Stressmanagement und Berufspädagoge. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Auflösen von Blockaden und Konflikten in Beruf, Bildung, persönlicher Entwicklung sowie bei stressbedingten körperlichen Belastungen, wozu auch Trauma-Folgesymptome zählen können.  

In Einzelcoachings, Gruppensitzungen und Supervisionen begleitet Karsten Erwachsene und Jugendliche bei der Auflösung belastender Themen. Zudem ermöglicht er seinen Klienten, die Logosynthese in seinen Selbstcoaching-Kursen für die eigene Anwendung zu erlernen, um eine effektive Möglichkeit der Selbstregulation zu erhalten.

Karsten Blauel

Was ist Logosynthese

Janine: Lieber Karsten, was ist Logosynthese?

Karsten: Die Logosynthese® dient der persönlichen Entwicklung. Sie wird eingesetzt in Coaching, Beratung, Pädagogik und therapeutischer Begleitung – und als Hilfe zur Selbsthilfe.

Entwickelt wurde die Logosynthese von Dr. Willem Lammers, der die Grundannahme vertritt, dass jedes Symptom, also belastende Gedanken, emotionales Ungleichgewicht oder störende Verhaltensweisen einen oder mehrere Auslöser haben. Diese Auslöser sind im Unterbewusstsein gespeichert, etwa als Erinnerungen, Glaubenssätze oder Zukunftsfantasien. Bei der Logosynthese wird dieser Auslöser mit der Macht von Worten neutralisiert, sodass die belastende Reaktion darauf in Zukunft ausbleibt. Dadurch können nachhaltig positive Veränderungen in der Persönlichkeit eines Menschen herbeigeführt werden.

Janine: Was heißt mit der Macht von Worten?

Karsten: Genau das macht die Logosynthese so besonders und einfach. Es wird mit speziellen Lösungssätzen gearbeitet, um den Auslöser für Belastungssymptome oder Stress zu neutralisieren. Diese spezifischen Sätze haben eine ordnende und befreiende Wirkung. Durch das laute Aussprechen fühlt sich der Klient oder die Klientin augenblicklich erleichtert. Belastende Bilder oder Erinnerungen und die damit bisher verbundenen Reaktionen sind entkräftet und das System kommt wieder ins Fließen.

Oftmals braucht es nur eine oder sehr wenige Sitzungen, um Belastungsreaktionen nachhaltig aufzulösen. Immer wieder ernte ich verwunderte Blicke, wenn ich erkläre, dass spezifische Ängste manchmal in nur 30 Minuten Coaching vollständig und nachhaltig aufgelöst werden können.

Worte haben Macht

Für wen ist Logosynthese geeignet?

Janine: Mit welchen Themen wenden sich die Menschen an Dich?

Karsten: Als Berufspädagoge bin ich beinahe täglich mit den Themen Prüfungsangst, Vortragsblockaden, Aufschieberitis sowie fehlendem Selbstwertgefühl aufgrund negativer Erfahrungen mit Lehrpersonal und Lehreinrichtungen konfrontiert.

Außerdem wenden sich Menschen sehr häufig mit Ängsten an mich, unter denen sie im Alltag leiden. Weitere Belastungsthemen, die mir regelmäßig begegnen, sind Probleme in Beziehungen und Sexualität, Folgen von Gewalterfahrungen sowie beruflicher Leistungsdruck, verbunden mit Stressempfinden.

Janine: Was ist Deiner Erfahrung nach die häufigste Ursache von den Ängsten, Blockaden und Konflikten Deiner Klienten?

Karsten: Tatsächlich ist es so, dass bei einem Großteil der Sitzungen, die ich mit der Logosynthese durchgeführt habe, die Auslöser für persönliche Leiden auf frühe Erfahrungen und Prägungen zurückzuführen sind, wozu teilweise auch traumatische Erlebnisse gehören.

Da die Menschen sehr häufig wegen Ängsten zur mir kommen, möchte ich darauf kurz eingehen. Es ist ja so, dass die meisten Menschen nicht bereits mit Ängsten geboren werden. Sie erlernen ängstliches Verhalten z. B. durch ihre Vorbilder. Erlebt zum Beispiel ein kleines Kind, dass die Mutter mit Angst und Schrecken auf eine Spinne reagiert, spürt es die Überwältigung, Überforderung oder sogar die Handlungsunfähigkeit, die von ihr ausgeht. Das Kind speichert die Spinne als gefährlich oder sogar als lebensbedrohlich ab und wird womöglich die Reaktion der Mutter auf die Spinne übernehmen. Es ist auch möglich, dass eigene Reaktionen dazukommen, zum Beispiel starke Emotionen, Schweißausbrüche, Zittern bis hin zu körperlicher Erstarrung. Es kann schon ein Foto von einer Spinne ausreichen, um diese im System gespeicherten Reaktionen auf diese Tiere zu reaktivieren.

Genauso verhält es sich auch bei traumatischen Erfahrungen. Bestimmte Auslöser im Hier und Jetzt lösen dieselben Reaktionen aus, die während des traumatischen Erlebnisses gefühlt und teilweise unterdrückt wurden.
Mit der Logosynthese haben wir die Möglichkeit, diesen Auslöser für unsere Reaktionen auf etwas oder jemanden zu identifizieren und aufzulösen. Dadurch bleibt dann die belastende Reaktion aus. Bei dem Beispiel mit der Spinne wird diese dann nur noch als Solche wahrgenommen und löst nicht mehr die bekannten Stressreaktionen aus. 

Wie kann Logosynthese die Traumaheilung unterstützen?

Janine: Können also Deiner Meinung nach auch Traumafolgesymptome mit der Logosynthese nachhaltig geheilt werden?

Karsten: Meine Arbeit mit der Logosynthese ersetzt natürlich keine Psychotherapie, kann aber definitiv eine wertvolle Unterstützung bei der Traumaheilung sein, wenn sie in ein traumasensibles Coaching eingebettet wird. Auch wenn beispielsweise Psychotherapeuten oder Psychiater in der Anwendung der Logosynthese ausgebildet sind und Erfahrung in der Anwendung bei Traumafolgesymptomen haben, kann dies zu einer spürbar schnelleren Verbesserung der persönlichen Entwicklung und psychischen Gesundheit führen.

Logosynthese in der Therapie

Die Logosynthese verfolgt das Ziel, belastende Erinnerungen durch Bilder, Szenen, Begegnungen und Situationen des Alltags ausfindig zu machen und zu neutralisieren. In den von mir angebotenen traumasensiblen Coachings setze ich sie ein, um der Klientin oder dem Klienten dazu zu verhelfen, den Lebensalltag selbstständig und gut zu bewältigen. Sie sind in der Lage, über ihre belastenden Erlebnisse und Erfahrungen zu sprechen, Gefühle wiederzugeben und Fragen diesbezüglich zu beantworten. Sie können erkennen, in welchen Lebensbereichen die Erfahrungen der Vergangenheit einen störenden Einfluss im Hier und Jetzt haben, ohne eine Retraumatisierung zu erfahren.

Janine: Ist es möglich durch Logosynthese unbewusste oder vergessene Traumatisierung festzustellen?

Karsten: Das ist durchaus möglich. Deshalb lege ich großen Wert darauf, vor einem Coaching mit Logosynthese eine normale psychische Belastbarkeit bei dem Klienten oder der Klientin sicherzustellen. 

Ich hatte mal einen Klienten, der unter starker Flugangst gelitten hat. Während der Logosynthese Sitzung stellte sich heraus, dass die Quelle dieser Angst in seiner Kindheit lag. Als Kind war er im Internat, wo er körperliche und psychische Gewalt erfahren musste.
Die Kontrollen am Flughafen erinnerten ihn unbewusst an diese frühen Erfahrungen und reaktivierten die Gefühle von Ohnmacht und Überwältigung, die ihren Ursprung vor über 15 Jahren hatten.

Eine andere Klientin wandte sich an mit dem Thema „Aufschieberitis bei der Masterarbeit“ an mich. Während der Sitzung kamen dann plötzlich Erinnerungen an einen sexuellen Übergriff in ihrer Vergangenheit an die Oberfläche.

Es kann für heilsame Klarheit sorgen, wenn derartige Bilder zurück in das Bewusstsein kommen. Mit der Logosynthese können diese Bilder sanft und schnell aufgelöst werden und mit ihnen auch die daraus resultierende Belastung (Flugangst, Aufschieberitis).

Buchtipp:

*Stressfrei in Beruf und Lebensalltag – Anwendung der Logosynthese® in der Persönlichkeitsentwicklung.

In unserem 2. Buch haben Mathias Egger und ich sehr viele Fallbeispiel zusammengetragen und gezeigt, wie die Logosynthese wirkungsvoll angewendet werden kann. 

Janine: Wie viele Logosynthese-Coachings sind nötig?

Karsten: Das ist natürlich sehr individuell und hängt von dem bearbeiteten Thema sowie vom Klienten ab. Es gibt Belastungen, die bereits nach einer Sitzung aufgehoben sind, und andere, die mehrere Sitzungen oder eine längerfristige Begleitung erfordern.

Auch wenn die Logosynthese oftmals schnell wirkt, ist es sehr wichtig, dass die Klientinnen und Klienten die Zeit bekommen, die sie benötigen. Manchmal dauert es eine Weile, bis man sich dem Coach oder den eigenen Themen öffnen kann. Auch die Integration der Ergebnisse in das eigene Leben erfordert Zeit, Ruhe und Geduld.

Wenn sich während eines Coachings Traumaerinnerungen auftun, empfehle ich zudem eine therapeutische Begleitung durch einen erfahrenen Psycho- oder Traumatherapeuten.

Ablauf einer Logosynthese-Sitzung

Janine: Wie kann man sich eine typische Sitzung bei Dir vorstellen?

Karsten: Bevor es zum eigentlichen Coaching kommt, schilderst du mir in einem Vorgespräch dein Anliegen beziehungsweise dein Thema. Gemeinsam legen wir dann Ziele und Grenzen der Arbeit fest. Dieses Vorgespräch dauert etwa 20 – 30 Minuten und ermöglicht uns, das passende Vorgehen für dich zu finden.
Im Anschluss vereinbaren wir dann einen Termin in Präsenz oder online. Pro Sitzung bearbeiten wir ein Thema. Im Idealfall beschränkt sich die Dauer der Sitzung auf maximal eine Stunde, da es sich um einen intensiven Veränderungsprozess für dein ganzes System handelt.

Bei dem Termin wird dann geschaut, was sich im Rahmen des übergeordneten Themas zeigt und was du jetzt gerade bearbeiten willst. Du musst dabei nichts weiter tun, als meine Fragen zu beantworten und die bereits beschriebenen Lösungssätze nachsprechen, die ich Dir vorgebe. Zwischen dem Aussprechen der Sätze gibt es kurze Wirkpausen, in denen Du wahrscheinlich bereits eine Veränderung der Belastungsreaktionen spüren wirst.

Nach der „ersten Runde“ stelle ich Dir erneut einige Fragen, um zu schauen, wie sich Deine Situation verändert hat. In einer „nächsten Runde“ arbeiten wir mit diesem aktuellen Stand weiter. Dies tun wir so lange, bis Deine Belastung so deutlich abgenommen hat, dass Du eine Befreiung spüren kannst, oder keine Veränderung mehr spürbar ist.

Blockaden lösen mit Logosynthese

Im Anschluss an das erste Coaching gilt es dem Veränderungsprozess Zeit und Raum zu geben. Du überprüfst im Alltag, wie sich Dein Thema verändert hat. Wenn Du von der Wirkungsweise überzeugt bist und Dir die Arbeitsweise gefallen hat, steht es Dir frei, den im Vorfeld angedachten Prozess mit mir als Begleitperson weiterzugehen.

Janine: Wie kann man Kontakt zu Dir aufnehmen, wenn man eine Sitzung buchen möchte?

Karsten: Interessenten können mich über verschiedene Kanäle kontaktieren. Der beste Weg ist eine Anfrage über das Kontaktformular meiner Homepage:

www.karsten-blauel.de

Wenn Du Dich zunächst über meine Arbeit belesen willst, findest Du auf meiner Homepage, sowie hier von Janine verlinkt zwei Bücher, die ich gemeinsam mit Mathias Egger geschrieben habe:


Affiliate-/Werbelink: Wenn Du Dir das Buch über diesen Link kaufst, unterstützt Du meine Arbeit,
ohne das Dir dadurch ein Nachteil entsteht. Lieben Dank!

Janine: Danke lieber Karsten für dieses spannende und informative Interview.

Karsten: Sehr gerne. Ich danke Dir für die Einladung und die tollen Fragen. Möchtest Du denn Deinen Leser/innen noch von Deinen Erfahrungen mit der Logosynthese berichten?

Meine Erfahrungen mit der Logosynthese

Ich habe von der Logosynthese erfahren, als ich vor einiger Zeit unter akuter Hundeangst gelitten habe. Meine Angst vor Hunden war mir nicht neu, aber sie nahm ein unerträgliches Ausmaß an, als ich in meinem Arbeitsumfeld plötzlich mehreren Hunden ausgesetzt war. Vor allem einer dieser Hunde löste große Angst in mir aus. Ich nehme an, weil er Ähnlichkeit zu einem Kampfhund aufweist, mit denen ich bereits negative Erfahrungen gemacht habe.

Sobald ich diesem Hund auf dem Gang vor meinem Büro begegnete, wurde meine Angst so groß, dass mein Herz anfing zu rasen, ich zitterte und kaum noch Luft bekam. Ich hatte Todesangst! Das ging so weit, dass ich mich nicht mehr aus meinem Büro heraus traute, wenn ich den Hund vor der Tür vermutete.

Weil ich mich intensiv mit meinen Traumatisierungen auseinandersetze, habe ich mich natürlich gefragt, wo diese Hundeangst ihren Ursprung hatte. Gab es da einen Zusammenhang zu meinen Missbrauchserfahrungen?

Als ich von einer guten Freundin von Deiner Arbeit erfahren habe, hatte ich große Hoffnung, Licht ins Dunkel zu bringen und Hilfe für meine Angst zu finden. Meine Hoffnung wurde nicht enttäuscht, denn durch die Sitzung mit Dir hat sich einiges verändert. Meine Angst vor Hunden ist zwar nicht vollständig verschwunden, sie hat aber um ein Vielfaches abgenommen. Inzwischen kann ich relativ entspannt an dem Hund vorbeigehen und mir manchmal sogar vorstellen, ihn zu streicheln.

Außerdem konnte ich eine körperliche Anspannung auf meiner linken Körperseite auflösen, die mich monatelang belastete. Es war, als ob da etwas von mir abgefallen ist. Anspannung und Schwere wurden von einer entspannten Leichtigkeit abgelöst. Was genau da von mir abfiel und wie die Hundeangst mit meinen Traumatisierungen zusammenhing, erfahren meine Leser/innen abschließend im folgenden Fallbericht, den Du für Dein Buch verfasst hast:

Sexueller Missbrauch - Schritte zur Heilung

Sexueller Missbrauch in der Kindheit – Schritte der Heilung

Sexueller Missbrauch in der Kindheit hinterlässt bei Betroffenen tiefe Wunden, die sich anhaltend auf sämtliche Bereiche des Lebens auswirken können. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schmerzhaft und herausfordernd es ist, sich mit den Folgen von Missbrauch auseinanderzusetzen. Doch um zu heilen, führt kein Weg daran vorbei. Du kannst Dir aber gewiss sein, dass es sich lohnt. Es ist um ein Vielfaches schwerer, mit den unverarbeiteten Erfahrungen zu leben. In diesem Beitrag stelle ich Dir vier bedeutsame Schritte vor, die Dir helfen können, den Heilungsprozess aktiv zu gestalten und wieder Kontrolle über Dein Leben zu gewinnen.

Sexueller Missbrauch in der Kindheit führt zu einem schweren Trauma, dass Dein Leben bewusst oder unbewusst in allen Lebensbereichen beeinflusst. Auf meiner Infoseite Traumaheilung habe ich acht Einflussfaktoren zusammengefasst, die für die Traumaheilung maßgeblich sind. Um von den Wunden sexueller Übergriffe zu heilen, sind jedoch teilweise andere oder zusätzliche Schritte notwendig. Im Folgenden habe ich vier Schritte herausgearbeitet, die mir geholfen haben und auch Dir helfen können.

1. Akzeptanz

Wenn Du sexuellen Missbrauch in Deiner Kindheit überlebt hast, kannst Du unheimlich stolz auf Dich sein. Es gibt keinen Grund, dies zu verstecken, vor allem nicht vor Dir selbst. Der erste Schritt zur Heilung besteht darin, Dir selbst zu glauben, dass der Missbrauch wirklich stattgefunden hat und dass er Dich nachhaltig verletzt hat. Du wirst nicht heilen, wenn Du leugnest, dass es so war.
Zu akzeptieren, dass es tatsächlich passiert ist, legt den Grundstein für Deine Heilung. Es ist der wichtigste Schritt und gleichzeitig auch mit der Schwerste. Aber warum fällt dieser Schritt so unsagbar schwer?

Wir können uns nicht bewusst an den Missbrauch erinnern.

Zu vergessen ist eine der häufigsten und wirkungsvollsten Methoden, mit denen Kinder auf sexuellen Missbrauch reagieren. Aber auch wenn Du keine Erinnerungen hast, so gibt es einen Teil in Dir, der um die Wahrheit weiß. Wenn vieles in Deiner Gefühls- und Erlebenswelt darauf hindeutet, dass Du als Kind sexuellen Übergriffen ausgeliefert warst, dann darfst Du jetzt anfangen, Deinen eigenen Wahrnehmungen zu vertrauen.

Sexueller Missbrauch - Fehlende Erinnerungen

Ich selbst konnte mich lange Zeit nicht an den Missbrauch in meiner Kindheit erinnern. Jedoch begleitete mich in meinem Leben eine anhaltende traurige Grundstimmung. Außerdem haben mich mein Verhältnis zu meinem Körper, zu Nähe und Sexualität sowie sich immer wiederholende Muster in zwischenmenschlichen Beziehungen vermuten lassen, dass irgendetwas mit mir nicht stimmte.

Dass ich selbst betroffen bin, verstand ich erst durch die zunehmende Beschäftigung mit dem Thema Missbrauch. Als es dann beim Sex zu emotionalen und körperlichen Flashbacks kam, konnte ich es nicht länger leugnen. Ich musste akzeptieren, dass es passiert ist: Ich wurde als Kind sexuell missbraucht.

Wir verharmlosen, was uns passiert ist

Einige Überlebende erinnern sich an die sexuelle Gewalt, die sie erfahren haben aber sie bagatellisieren die Erfahrungen. Vielleicht ergeht es auch Dir so. Du vergleichst Dich mit anderen, denen vermeintlich schlimmere Dinge widerfahren sind und wertest dadurch Deine eigene Erfahrungswelt ab. Womöglich gibst Du Dir sogar selbst die Schuld und triffst Äußerungen, die so oder ähnlich lauten könnten:

    • Ich lebe ja schließlich noch.
    • Es tat mir ja nicht wirklich weh.
    • Ich wurde ja nicht vergewaltigt, sondern nur gestreichelt.
    • Ich hätte halt nicht kuscheln oder mich auf den Schoß setzen sollen.
    • Alle Kinder wurden früher ausgeschimpft, wenn sie sich an ihren Genitalien berührt haben.

Es ist wichtig zu begreifen, dass Du als Kind niemals Schuld daran hattest, wenn ein älteres Kind oder ein Erwachsener sexuelle Handlungen vor, an oder mit Dir verübt hat. Du trägst nicht die Verantwortung für diese Taten, sondern einzig und allein die Person, die sie ausgeführt hat.

Vielleicht hat man Dir gesagt, Du sollst Dich nicht so anstellen oder das das doch alles halb so wild ist. Indem Du das Dir Widerfahrene jetzt bagatellisierst, gehst Du womöglich genauso mit Dir selbst um, wie damals mit Dir umgegangen wurde.

Wir leugnen den Missbrauch

Wenn Du den Missbrauch Dein Leben lang verdrängen musstest, ist es normal, dass Du von Zeit zu Zeit an Deiner Erfahrung zweifelst. Der seelische Schmerz, der mit der Akzeptanz verbunden ist, erscheint zu groß. Vor allem dann, wenn der Täter oder die Täterin ein Familienmitglied ist oder Dir sehr nahe steht.

Ein Teil von uns will nicht wahrhaben, dass die Menschen, die wir so lieben, uns so schlimme Dinge angetan haben. Aber wenn wir die Tat leugnen, verlängern wir unseren Leidenszustand. Gelegentlich zu zweifeln, weil die Erinnerungen schmerzhaft sind, ist normal, aber das bedeutet nicht, dass der Missbrauch nicht geschehen ist.

Jemand hält sich selbst

Wir fürchten die Konsequenzen der Akzeptanz

Die Verwirrung als Folge von sexuellen Übergriffen bei Kindern zeigt sich sehr deutlich an der Angst, den Täter oder die Täterin zu Unrecht anzuklagen. Wir schämen uns überhaupt darüber nachzudenken und versuchen die Täter sogar zu schützen. Manchmal auch, weil wir befürchten, dass der Kontakt zu dieser Person dann leidet.

Dabei handelt es sich um gut funktionierende Überlebensmechanismen. Den Täter oder die Täterin zu schützen und die Aufrechterhaltung der Illusion eines harmonischen Miteinanders erscheinen kurzfristig betrachtet leichter, als die schmerzhafte Realität zu akzeptieren, geschweige denn auszusprechen.

2. Das Schweigen berechen

Der zweite wichtige Schritt zur Heilung des Missbrauchs besteht darin, das Schweigen zu brechen. Sexueller Missbrauch an Kindern und die Schamgefühle, die damit einhergehen, gedeihen in einer Atmosphäre des Schweigens. Nur wenn alle Beteiligten wegschauen, kann er ungesehen bleiben.

Du hast es bereits versucht?

Mit großer Wahrscheinlichkeit hast Du als Kind auf irgendeine Weise versucht auszudrücken, was Dir angetan wurde. Vielleicht hast Du sogar jemandem von dem Missbrauch erzählt. Vermutlich wurdest Du jedoch ignoriert oder nicht ernst genommen. Eventuell hat man Dich sogar als Lügner*in beschimpft oder Dir die Schuld gegeben. Oder wurde Dir immer wieder gesagt Du seist schlecht oder verrückt und hat Dich so zum Sündenbock der Familie gemacht?

„In Inzest Familien sind die Beziehungen verzerrt. Das Wichtigste – Grundvertrauen, Kommunikation und Sicherheit – fehlt, stattdessen gibt es Heimlichkeit, Isolation und Angst.“ Bass, Ellen & Davis, Laura (1990)

Wenn es Dir so oder ähnlich ergangen ist, hast Du verinnerlicht, dass das, was Du erfahren hast, zu schlimm ist, um ausgesprochen zu werden. Als Kind hast Du daraus gefolgert, dass Du selbst schlimm bist. Und so hast Du Dir angewöhnt zu schweigen, weil alles andere Deine Situation noch verschlimmert hätte.

Sexueller Missbrauch - Trauriger Junge

Vielleicht glaubst Du noch heute, dass es Dir schadet, wenn Du die Wahrheit aussprichst. Du hast Dich mit den Gefühlen von Scham und Einsamkeit arrangiert und bewusst oder unbewusst entschieden zu schweigen.

Wage einen neuen Versuch!

Selbst wenn Du in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit dem Aussprechen der Wahrheit gemacht hast, es ist nötig, es jetzt erneut zu versuchen. Dein Leben lang trägst Du dieses schwere Geheimnis auf Deinen Schultern und damit auch die Verantwortung für die Täter. Wenn Du zum ersten Mal aussprichst, was passiert ist, ist das unsagbar befreiend. In diesem Moment akzeptierst Du nämlich, dass Du ein Opfer warst und gibst die Verantwortung dahin zurück, wo sie hingehört. Zu den Tätern.

„Einer anderen Person zu erzählen, was geschehen ist, hat eine starke heilende Wirkung, die das demütigende Gefühl, ein Opfer zu sein, auflösen kann.“ Bass, Ellen & Davis, Laura (1990)

Vertraue Dich einem Menschen an, der Dich respektiert und schätzt, bei dem Du Dich sicher fühlst und bei dem Du auch früher bereits über Deine Gefühle sprechen konntest. Das kann auch ein Therapeut oder eine Therapeutin sein.

Wenn Du niemanden hast, dem Du Dich anvertrauen kannst, sind Selbsthilfegruppen eine gute Wahl. Hier triffst Du auf Menschen, die dasselbe durchgemacht haben wie Du. Sie werden Dir glauben und dadurch wirst Du lernen, Dir selbst zu glauben.

Sollte Dir auch das noch zu schwerfallen, dann schreibe es wenigstens für Dich auf. Dieses Eingeständnis ist sehr schmerzhaft und bringt Deine bisherige Realität – die Welt, die Du kreieren musstest, um zu überleben – ins Wanken. Aber aus eigener Erfahrung kann ich Dir sagen, dass es sich lohnt. Das Ende des Überlebens bedeutet, dass Du jetzt anfangen kannst, wirklich zu leben. Du wirst Dich selbst und das Leben mit der Zeit auf neue, bessere und kraftvollere Weise erfahren können.

Indem Du das Schweigen brichst,
wirst zum Vorbild für andere Betroffene
und leistest einen wertvollen Beitrag
zur Beendigung von Missbrauch an Kindern.

3. Distanz zu den Tätern

Wenn Du annimmst, den eigenen Missbrauch aufarbeiten zu können, während Du weiterhin im Kontakt mit den Tätern stehst, handelt es sich vermutlich um eine Vermeidungsstrategie, mit der Du auch Mitgefühl für Dich selbst untergräbst.

Du musst Dir bewusst darüber werden, dass in Dir noch immer dieses kleine Kind ist, das dem Missbrauch schutzlos ausgeliefert war. Es sind die Gefühle des inneren Kindes, die für Deine Heilung gefühlt und integriert werden wollen. Dieser kindliche Anteil in Dir muss sich absolut sicher fühlen, damit er sich Dir zeigt und es liegt an Dir dafür zu sorgen!

Inneres Kind

Erst wenn Du Mitgefühl für Dich selbst und Deine Missbrauchserfahrungen entwickelst, kann sich auch Deine unterdrückte Wut auf die Täter ausdrücken. Das ist ein notwendiger und heilsamer Schritt und es gibt keinen Grund, Dich dafür zu schämen oder schuldig zu fühlen. Du bist heute erwachsen und selbst verantwortlich für Dein Leben. Es ist Deine Pflicht, alles Notwendige zu unternehmen, um zu heilen und den Missbrauch aus Deiner Kindheit aufzuarbeiten.

Kontakt zu den Tätern sollte auf dem Heilungsweg nur dann eine Option sein, wenn diese bereit sind, Dir zu glauben, die Taten offen zuzugeben, Reue auszusprechen und sich in therapeutische Hilfe zu begeben. Aber wie realistisch ist es, dass dieser Fall eintritt, wenn Du die Täter mit Deiner Erfahrung konfrontierst?

Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie Dich weiterhin nicht ernst nehmen und die Taten abstreiten oder herunterspielen. Mit Sätzen wie „Lass die Vergangenheit doch endlich mal ruhen“, wollen sie weitere Konfrontationen vermeiden. In einem Umfeld, dass die Wahrheit verleugnet, kannst Du nicht heilen. Also lass Dich davon bitte nicht unterkriegen!

Verbinde Dich mit Menschen, die Dir glauben, Dich ernst nehmen und Dir helfen, Deine Traumatisierungen aufzuarbeiten. Und scheue Dich nicht davor, Dir therapeutische Unterstützung zu suchen.

Vor allem, wen es sich bei den Tätern und Mittätern um Mitglieder der eigenen Familie handelt, ist die Vorstellung eines Kontaktabbruchs mit großen Ängsten und Zweifeln verbunden. Du solltest Dir im Klaren darüber sein, dass in Familien mit Traumahintergrund oft massive Verstrickungen wirken.  Wie Du diese auflösen kannst, erfährst Du in diesem Beitrag: 

4. Finde Dein Wofür

Der Weg der Ganzwerdung nach sexuellem Missbrauch in der Kindheit ist schmerzhaft und lang. Aber es lohnt sich in ihn zu gehen, denn mit jedem neuen Schritt, entwickelst Du mehr Kraft und Zuversicht.

Hinter den Traumagefühlen wartet ein neues Leben auf Dich. Es ist das Leben, das Du von Anfang an verdient hast! Du selbst kannst Dir dieses Leben jetzt schenken!

Um auf dem Weg zu bleiben und bei Herausforderungen nicht aufzugeben, hilft Dir ein Wofür! Finde also einen Grund, der Dich daran erinnert, warum Du das alles machst. Entdecke Deine persönlichen Kraftquellen und schöpfe so oft wie möglich aus ihnen. Versuch an etwas zu glauben, das größer ist als Du. Finde heraus, wofür es sich lohnt zu leben. Und dann fang damit an!

Heilung sexueller Missbrauch

Bei mir war es zunächst eine innere Stimme, die mir immer wieder zugeflüstert hat, dass es einen Sinn für all das geben muss. Ich wusste insgeheim, dass ich nicht umsonst auf dieser Welt bin und ich wollte herausfinden, warum.

Nachdem ich die Schritte eins bis drei umgesetzt hatte, entstand in mir der Wunsch, anderen Menschen zu helfen, denen Ähnliches widerfahren ist. Auf diese Weise habe ich meine Berufung erkannt, nämlich das Schreiben, das ich schon von klein auf liebte. Dieses Wofür ist mein Antreiber. Es motiviert mich, am Ball zu bleiben und schenkt mir Kraft.

Wenn Du keine Idee hast, was Dein Wofür ist, dann begib Dich auf die Suche! Bist Du vielleicht auch schon immer einer Sache sehr gerne nachgegangen? Gibt es etwas in Deinem Leben, dass Dir Kraft und Zuversicht schenkt? Hast Du womöglich Kinder, deren Wohlergehen zu Deinem Wofür werden kann? Für ein Kind gibt es wahrscheinlich kein wertvolleres Geschenk als Eltern, die sich trauen hinzusehen, um zu heilen!

Ein Wofür hast Du mit Sicherheit schon jetzt:
Für Dich selbst ein freies und erfülltes Leben gestalten!

Mit diesen vier Schritten hast auch Du die Möglichkeit, Einfluss auf Deine Heilung nach sexuellem Missbrauch zu nehmen. Bitte gehe ganz behutsam und in Deiner Zeit einen Schritt nach dem anderen. Mach Dir immer wieder bewusst, dass Du das Schlimmste, den Missbrauch selbst, bereits überlebt hast.

Besinne Dich darauf, dass diese schrecklichen Erfahrungen Dich auch stark gemacht haben. Solltest Du Dir Deiner Stärken (noch) nicht bewusst sein, hilft Dir vielleicht die Übung für mehr Selbstwertgefühl auf meiner Für Dich-Seite oder die Übung aus dem Beitrag Missbrauch und Trauma als Chance.

Ich glaube fest an Dich und weiß, dass auch Du Schritt für Schritt von Deinen Wunden heilen kannst. Vergiss bitte nie: 

Es ist schön, dass Du da bist!

Quellenverweise: 

Bass, Ellen & Davis, Laura (1990): Trotz allem. Wege zur Selbstheilung für sexuell missbrauchte Frauen, 1. Ausgabe, Berlin

Aktuelle Beiträge

Finanzielles Trauma

Trauma und Geld – Finanzielles Trauma verstehen und heilen

Statistiken zufolge leben 13,4 Millionen Menschen in Deutschland in Armut. Obwohl so viele Menschen Mangel leiden, gibt es relativ wenige Quellen, die sich mit den Ursachen von finanziellen Problemen des Einzelnen auseinandersetzen. Ein wenig bekannter, aber häufiger Grund ist ein finanzielles Trauma. Entweder durch selbst gemachte Erfahrungen in der Kindheit oder transgenerational übernommene Traumata. Woran Du so ein finanzielles Trauma erkennst, wie es sich auf Deinen Umgang mit Geld auswirkt und wie Du es heilen kannst, erfährst Du in diesem Beitrag.

Was formt unseren Umgang mit Geld?

Der Ursprung unseres Denkens und Handelns liegt in tief verwurzelten Überzeugungen und verinnerlichten Glaubenssätzen. Diese Glaubensmuster haben wir uns meist nicht selbst ausgesucht. Sie sind das Resultat unserer Erziehung sowie der Prägungen unserer Kindheit und schlummern größtenteils in unserem Unterbewusstsein.

Als Kinder sind wir wie Schwämme. Sehr aufmerksam nehmen wir alles aus unserer Umgebung auf. Unsere nahen Bezugspersonen sind für uns wie Götter und was sie uns vorleben, speichern wir unbewusst als Vor-Bild ab.

Wenn Du immer wieder in finanziellen Schwierigkeiten steckst oder Geld für Dich ein leidiges Thema ist, weil einfach nicht genug davon da ist, dann hast Du mit großer Wahrscheinlichkeit negative und begrenzende Überzeugungen über Geld verinnerlicht. Vielleicht hast Du als Kind immer wieder ähnliche Sätze wie diese zu hören bekommen:

  • „Bei Geld hört die Freundschaft auf“
  • „Geld muss man sich erst verdienen“
  • „Für Geld muss man hart arbeiten“,
  • „Über Geld spricht man nicht“,
  • „Geld stinkt“.

Womöglich hast Du auch mitbekommen, wie sich Deine Eltern oder andere Bezugspersonen wegen der Finanzen viel gestritten haben. Entweder hast Du dann verinnerlicht, dass Geld nur Ärger einbringt und Du besser die Hände davonlassen solltest oder Du hast den Schluss gezogen, dass es wichtig ist, Geld zu haben, um sich später nie streiten zu müssen.

In beiden Fällen hast Du ein Thema mit Geld. Wenn Deine Eltern ein angespanntes Verhältnis zu Geld hatten, kannst Du davon ausgehen, dass Du ein genauso angespanntes Verhältnis in Dein Erwachsenenleben übernommen hast.

Finanzielles Trauma - Geldprobleme

Warst Du als Kind von traumatischen Erfahrungen betroffen, musstest Du mithilfe von Bewältigungsmechanismen Dein Überleben sichern. Auch dieser Überlebenskampf hat Dich geprägt und es ist durchaus möglich, dass Du ihn im Umgang mit Geld aufrechterhältst. Eine ständige, mit Angst verbundene Fixierung auf das Thema Geld kann eine Reinszenierung unserer frühen Traumatisierungen darstellen, genauso wie Bindungsängste eine Reinszenierung früher Bindungstraumata darstellen. Ein finanzielles Trauma ist das jedoch nicht.

Was ist ein finanzielles Trauma?

Von einem finanziellen Trauma sprechen wir erst dann, wenn der Mangel an Geld zum Dauerstress wird und mit eigenen Ressourcen nicht mehr bewältigt werden kann. Wenn das eigene Leben bedroht ist, weil die finanziellen Mittel fehlen, um sich Obdach leisten und Nahrung kaufen zu können, ist das lebensbedrohlich, besonders für ein Kind.

„Finanzielle Traumatisierungen sind eine dysfunktionale Reaktion auf chronischen finanziellen Stress. Die Indikatoren ähneln oft posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Sie manifestieren sich in mehreren Bereichen des Lebens und verhindern oft, dass sich Betroffene jemals erfolgreich, sicher oder wohl fühlen, wenn es ums Thema Geld geht“. (Anya Meyerowitz, Q~E.T.)

Wenn Deine Eltern beispielsweise ihre Arbeitsstellen verloren hatten und dadurch in finanzielle Not geraten sind, als Du noch ein Baby warst, bedeutete das auch für Dich enormen Stress. Ohne zu wissen, wie das Leben funktioniert und was Geld überhaupt ist, war Dein Leben durch den Mangel an Geld bedroht. Vielleicht gab es nicht ausreichend zu essen oder Deine Eltern konnten die Heizkosten nicht zahlen, sodass Du frieren musstest und womöglich habt ihr sogar euer zu Hause verloren. Je nachdem, wie intensiv und lang eine solch belastende Zeit ist, kann sie zu einem finanziellen Trauma führen.

Finanzielles Trauma übernommen

Mögliche Anzeichen für ein finanzielles Trauma

Die Indikatoren von finanziellen Traumata ähneln häufig denen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und betreffen mehrere bis hin zu allen Lebensbereichen:

  • Vermeidung und Verdrängung des Geschehens oder die Auseinandersetzung mit dem Thema Geld
  • unwillkürliches Erinnern und Wiedererleben (oft nur emotional oder körperlich) der belastenden Situation (Armut, Kälte, Hungersnot, Obdachlosigkeit)
  • Allgemeine Ängste, Nervosität, Reizbarkeit, Aggressivität oder auch Taubheit der Gefühle sowie Interessensverlust.

Ich persönlich habe in Bezug auf Geld einige dieser Anzeichen bei mir beobachten können. Vor allem, wenn es mal wieder eng wurde, habe ich oft mit starken Emotionen wie Angst, Nervosität und Reizbarkeit zu tun gehabt. Obwohl es rückblickend irrational ist, hatte ich oft Angst, mir nicht genug Essen kaufen zu können und daran letztlich zu sterben. Doch wo kam diese schreckliche Angst her? Ich selbst habe in meiner Kindheit keinen finanziellen Mangel miterlebt.

Selbst wenn es Dir in Deiner Kindheit nie an etwas gefehlt hat, kann es sein, dass Du von einem finanziellen Trauma betroffen bist. Denn viele Menschen leiden auch unter transgenerational übernommenen Traumatisierungen.

Übernommenes finanzielles Trauma

Aus der Epigenetik wissen wir, dass Traumata von Generation zu Generation weitergegeben werden können. Gerade in den Nachkriegsgenerationen kommen finanzielle Traumata als weitergegebenes, unbewusstes Glaubenssystem deshalb sehr häufig vor.

Waren unsere Großeltern in Kriegszeiten, Obdachlosigkeit und Hungersnot infolge von finanzieller Knappheit ausgesetzt, war dieser lebensbedrohliche Zustand nicht zu bewältigen. Durch das Empfinden von Ohnmacht und Ausgeliefertsein kam es zu einer Übererregung des Nervensystems und einer psychischen Spaltung. Zahlreiche Bewältigungsmechanismen mussten zum Tragen kommen, die, solange dieses Trauma nicht aufgearbeitet wurde, an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden.

Der uns allen bekannte Glaubenssatz: „Über Geld spricht man nicht“ kann beispielsweise ein Anzeichen für ein finanzielles Trauma sein, denn er fungiert als Verdrängungsmechanismus, um sich nicht mit dem belastenden Thema (Geld) auseinandersetzen zu müssen.

Wie beeinflusst ein finanzielles Trauma Dein Leben?

Um besser einordnen zu können, ob auch Du unter einem selbst erlebten oder übernommenen finanziellen Trauma leidest, möchte ich Dir nachstehend aufzeigen, wie ein solches Dein Leben beeinflussen kann.  

  • Starke, meist negative Gedanken und Gefühle in Bezug auf Geld
  • Begrenzende Glaubenssätze und Überzeugungen in Bezug auf Geld
  • Wiederkehrender Mangel an Geld (Budgetüberschreitungen; zu geringes Einkommen; Anhäufung von Schulden; mehr ausgeben als vorhanden)
  • Zwanghaftes Sparen von Geld oder Anhäufen von materiellen Dingen
  • Arbeiten bis zur Erschöpfung, um Geld zu verdienen
  • Irrationale Existenz-Ängste vor Armut, Hungersnot, Obdachlosigkeit etc.
  • Vermeidung der Auseinandersetzung mit allem, was mit Geld zu tun hat
  • Finanzielle Abhängigkeit zu Ehepartner, Elternteil oder Geschwistern
  • Mangel am eigenen Selbst-WERT (besonders im Umgang mit erfolgreichen Menschen)

Die meiste Zeit meines Lebens konnte ich nicht gut mit Geld umgehen. Selbst als ich gut verdiente, war am Ende des Monats doch immer zu wenig vorhanden. Auch die intensive Auseinandersetzung mit meinen Glaubenssätzen führte nicht zu nachhaltigen Veränderungen. Heute weiß ich, dass es an den übernommenen Traumatisierungen meiner Eltern und Großeltern lag. 

Erst mit Mitte dreißig, als ich den Kontakt zu meinen Eltern abgebrochen habe, erkannte ich, dass ich mich in einem finanziellen Abhängigkeitsverhältnis mit meiner Mutter befand. 

Dass sie in ihrer Kindheit Mangel leiden musste, kompensierte sie bei meinem Bruder und mir mit materiellem Überfluss. Durch diese Bewältigungsstrategie hat es mir finanziell glücklicherweise nie an etwas gefehlt. Selbstständig mit Geld umzugehen, habe ich dadurch jedoch nie gelernt.

Finanziell abhängig

Als ich erwachsen war, bot meine Mutter mir bei jeder Gelegenheit Geld an. Manchmal hat sie es mir regelrecht aufgezwungen, obwohl es mir unangenehm war. Ich schämte mich, wenn ich sie bei Engpässen um Geld bitten musste. Gleichzeitig wusste ich aber, dass sie es mir gerne gibt und machte deshalb öfter davon Gebrauch. 

Ohne den Kontakt zu ihr war ich plötzlich das erste Mal in meinem Leben finanziell ganz auf mich allein gestellt. Das konfrontierte mich mit den bereits weiter oben beschriebenen Existenzängsten. Die Angst zu verhungern, hatte aber nichts mit meiner Realität zu tun. Es war nicht mein eigenes Gefühl, sondern ein übernommenes finanzielles Trauma meiner Mutter und ihren Eltern. 

Wie heile ich ein finanzielles Trauma?

Sobald Du festgestellt hast, dass auch Du unverarbeitete finanzielle Traumatisierungen in Dir trägst, helfen Dir diese drei Schritte, um zu heilen:

1. Zuwendung und Akzeptanz

Um ein finanzielles Trauma zu heilen und nicht erneut an nachfolgende Generationen weiterzugeben, ist es notwendig, Dich dem übernommenem oder selbst erlebtem Trauma zuzuwenden und die Gefühle zu fühlen, die das in Dir auslöst.

Vielleicht empfindest Du es als ungerecht, dass die Aufarbeitung jetzt an Dir hängen bleibt, wenn Du ein übernommenes Trauma vermutest. Natürlich wäre es schön gewesen, wenn Deine Eltern ihre finanziellen Traumatisierungen selbst geheilt hätten. Jetzt ist die Situation aber so, wie sie ist und wenn Du aus dem Opfermodus aussteigen willst, um jetzt die Verantwortung für Deine finanzielle Situation zu übernehmen, dann musst Du den Fokus ganz auf Dich selbst richten.

Wir können nicht die anderen verändern,
sehr wohl aber uns selbst.

Auf meiner Info-Seite Traumaheilung habe ich acht Einflussfaktoren zusammengefasst, die für die Heilung von Traumatisierungen allgemein maßgeblich sind. Die acht Säulen der Traumaheilung können Dir auch bei der Heilung finanzieller Traumatisierungen behilflich sein. 
Eine wesentliche Säule ist die Akzeptanz. Trau Dich hinzusehen und Dir einzugestehen, dass es passiert ist. 

Ob Du zur Aufarbeitung von finanziellen Traumatisierungen eine Therapie benötigst, hängt davon ab, wie massiv es sich auf Dein Leben auswirkt. Wenn Du kaum über die Runden kommst und Dein weniges Geld womöglich für Suchtmittel oder Ähnliches ausgibst, solltest Du eine Therapie ernsthaft in Betracht ziehen. Ich persönlich bin ein großer Freund von therapeutischer Unterstützung, denn in uns allen schlummert viel mehr Potenzial, als wir leben. Ein Therapeut oder eine Therapeutin helfen uns dabei, all die Schichten (Traumatisierungen) abzutragen, die dieses Potenzial noch verdecken.

2. Aktualisierung Deiner Gedanken und Gefühle in Bezug auf Geld

Im nächsten Schritt ist es sinnvoll, Dir über Deine verinnerlichten Glaubenssätze und Überzeugungen in Bezug auf Geld bewusst zu werden. Vermutlich wirst Du in diesem Prozess mit all den Gefühlen konfrontiert, die das finanzielle Trauma ausmachen: Existenzangst, Verzweiflung, Wut, Scham, Traurigkeit etc. Es ist wichtig, dass Du diese Gefühle zulässt und fühlst. Sei dabei aber geduldig und liebevoll mit Dir.

Schreib alle Glaubenssätze auf, die Dir in den Sinn kommen, wenn Du Dich an Deine Kindheitserfahrungen mit Geld erinnerst. Anschließend kannst Du all die Sätze, die sich begrenzend und schmerzlich anfühlen, verabschieden, indem Du sie gegen Neue ersetzt.

Überlege Dir, wie Du ab jetzt über Geld denken willst und vor allem, wie Du Dich damit fühlen willst. Wie würde es sich denn anfühlen, wenn Du Dir alles leisten könntest? Würdest Du Dich sicher, freudvoll und frei fühlen?

Am Abend vorm Einschlafen und/oder morgens direkt nach dem Aufwachen solltest Du dann regelmäßig Deine neuen Formulierungen durchlesen. Oder Du sprichst sie Dir auf und hörst sie Dir immer wieder an. Du kannst Dir auch Post-its oder hübsche Kärtchen mit Deinen neuen Glaubenssätzen basteln und überall in Deiner Wohnung verteilen. Deiner Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. 

Es braucht eine Zeit, um die Überzeugungen zu überschreiben, die wir so viele Jahre verinnerlicht haben. Aber wenn wir bestimmte Sätze oft genug wiederholen, werden sie irgendwann auch wahr. Manchmal sogar schneller, als man denkt.

-> Transformiere negative Glaubenssätze in sieben Schritten. <- 

3. Veränderung Deines Verhaltens (Deiner Handlungen) im Umgang mit Geld

Dein bisheriger Umgang mit Geld hat Dich dahin geführt, wo Du heute finanziell stehst. Um daran nachhaltig etwas zu verändern, braucht es neue Handlungsweisen.  

Ausgaben minimieren und sparen
Es ist gar nicht so schwer zu lernen, wie man sinnvoll mit Geld umgeht. Ein Haushaltsbuch ist ein guter Ansatz, um Dir zunächst einen Überblick darüber zu verschaffen, wo Du aktuell stehst und wie hoch Deine monatlichen Einnahmen und Ausgaben sind. Außerdem wirst Du dadurch erkennen, welche Ausgaben vielleicht nicht notwendig sind, sodass Du auch Geld sparen kannst. Denn sparen sollte für Dich ab jetzt an Attraktivität gewinnen. Sei es nur 1,00 € pro Tag, mit dem Du lernst, dass auch Du sparen kannst.  

Finanzielle Unabhängigkeit

Neue Einkommensquellen finden
Als Nächstes kannst Du überprüfen, ob es Möglichkeiten gibt, Deine Einnahmen zu erhöhen. Vielleicht kannst Du Dir einen besser bezahlten Job suchen oder endlich nach einer Gehaltserhöhung fragen. Vielleicht finden sich in Deiner Wohnung auch noch einige Schätze, die Du auf Ebay Kleinanzeigen gewinnbringend verkaufen kannst. Stellst Du gerne eigenen Schmuck her oder bist anderweitig künstlerisch begabt? Oder kannst Du vielleicht besonders gut eine Fremdsprache sprechen oder Texte formulieren? Mache Dein Hobby zu einer zusätzlichen Einnahmequelle. Die Zeit dafür ist optimal.

Geld für Dich arbeiten lassen
Sobald Du etwas Geld zusammengespart hast, kannst Du anfangen, Dein Geld clever zu investieren, sodass es für Dich wächst. Auf der Bank liegt es vielleicht ganz gut, aber Zinsen gibts heutzutage keine mehr. Du musst kein Finanzgenie sein und auch kein BWL-Studium absolvieren, um Geld sinnvoll anzulegen. Du brauchst nur etwas Neugier, um von den zahlreichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, alles im Umgang mit Geld neu zu lernen: Bücher, Gruppen, Blogs, Online-Seminare und Coaches warten nur darauf, ihr Wissen an Dich weiterzugeben, um Dich zu neuen Handlungsweisen zu inspirieren.

Ich selbst arbeite seit Jahren mit der Transformation alter Glaubenssätze und habe bereits einige Bücher zum Thema gelesen. Das Buch *„Der Weg zur finanziellen Freiheit“ von Bodo Schäfer war eine echte Offenbarung und hat meinen Umgang mit Geld nachhaltig verändert. Inzwischen schaue ich vertrauensvoll und ohne belastende Gefühle in meine finanzielle Zukunft. Ich habe mittlerweile sogar richtig Spaß daran, mich um mein Geld zu kümmern und das kann Dir schon bald genauso gehen!

Immer wieder bin ich fasziniert davon, wie das (An-) Erkennen von Traumatisierungen und die Zuwendung zu den schmerzlichen Gefühlen letztlich dazu führt, wieder ein bisschen über mich selbst hinaus zu wachsen. Was ich bisher über Geld wusste, war nicht viel und es war geprägt von Traumatisierungen meiner Verwandtschaft. Jetzt darf ich alles über Geld ganz neu kennenlernen, auch das Potenzial, das es meinem Leben bietet.  

Wie geht es Dir nach dem Lesen dieses Beitrags? Hast Du vorher schon mal von finanziellen Traumatisierungen gehört? Glaubst Du selbst betroffen zu sein oder hast Du vielleicht andere Heilungsansätze gefunden, die Du hier teilen magst? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

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Quellenverweise: 

Schäfer, Bodo (2018): Der Weg zur finanziellen Freiheit. Ihre erste Million in 7 Jahren, Bergisch Gladbach

Meyerowitz, Anja (2021): Finanzielle Traumata: So überwindest Du sie. Abgerufen am 12.01.2022, von https://www.refinery29.com/de-de/finanzielle-traumata-ueberwinden-tipps

Reiblein, Jana: Finanzielle Belastung kann zu schmerzen führen. Abgerufen am 14.01.2022, von https://www.wiwo.de/technologie/forschung/stress-durch-unsicherheit-finanzielle-belastung-kann-zu-schmerzen-fuehren/12997500.html

Sexueller Missbrauch Bestandsaufnahme

Missbrauch und Trauma als Chance? Übung mit persönlicher Bestandsaufnahme

Heute möchte ich mit Dir eine Übung teilen, die ich dem Buch „Trotz allem – Wege zur Selbstheilung für sexuell missbrauchte Frauen“ von Ellen Bass und Laura Davis entnommen habe.
 
Mithilfe dieser Übung wirst Du Dir über die Folgen durch sexuellen Missbrauch oder auch anderer Traumatisierungen bewusst. Oft sind die Auswirkungen solch schrecklicher Erfahrungen verheerend und begleiten uns meist unser ganzes Leben lang. Sobald wir jedoch die Kraft und den Mut aufbringen hinzusehen, können wir erkennen, dass wir durch unsere schlimmen Erfahrungen auch Stärken entwickelt haben. Diese Übung wendet sich beiden Seiten zu.
 

Ich lasse Dich an meinen persönlichen Antworten teilhaben (auf dem Stand des Veröffentlichungszeitpunktes) und möchte Dich dazu einladen, die Übung selbst auch durchzuführen. Denn dadurch kannst Du herausfinden, wo Du Dich auf Deinem Weg der Ganzwerdung gerade befindest. Vielleicht wirst Du Dir bewusst, was Du ab sofort loslassen willst und bestimmt findest Du heraus, welchen Fähigkeiten und Stärken Du mehr Aufmerksamkeit schenken willst.

Die Übung

„Schreib auf, wie Du heute noch unter dem Missbrauch leidest. Was trägst Du immer noch mit Dir herum in Bezug auf Dein Selbstwertgefühl, Deine Arbeit, Deine Beziehungen, Deine Sexualität? Wo ist Dein Leben immer noch schmerzhaft, eingeschränkt?

Schreib über die Stärken, die Du infolge des Missbrauchs entwickelt hast. Denk darüber nach, was es Dich gekostet hat zu überleben. Welche Eigenschaften haben Dir geholfen, es zu schaffen? Beharrlichkeit? Flexibilität? Autonomie? Schreibe mit Stolz über Deine Stärken.“ (Ellen Bass & Laura Davis, 2001)

Wie ich noch immer unter den Traumatisierungen und dem sexuellen Missbrauch leide

Auf meinem Weg der Ganzwerdung habe ich bereits große Fortschritte gemacht. Trotzdem ziehen sich die Folgen des sexuellen Missbrauchs in meiner Kindheit weiterhin durch mein ganzes Leben.

Aus Gründen der Übersichtlichkeit wähle ich für diese Übung drei Bereiche aus, die mich aktuell stark beschäftigen, weil ich mehr oder weniger unter ihnen leide: 1.) Bindung und Nähe in Beziehungen, 2.) Umgang mit Kindern und 3.) Sichtbarkeit.

1. Bindung und Nähe in Beziehungen

Nirgends bekomme ich meine eigenen Themen so gut gespiegelt wie im Kontakt mit anderen Menschen. Probleme mit Bindung und Nähe zeigen sich mir einerseits in der Liebesbeziehung zu meinem Freund allgemein sowie auch in unserer Sexualität. Aber auch in Freundschaften werde ich damit konfrontiert.  

Nähe und Bindung in meiner Liebesbeziehung

Zur Zeit lese ich das Buch *Jein! Bindungsängste erkennen und bewältigen. Hilfe für Betroffene und deren Partner von Stefanie Stahl. Dadurch erkenn ich, wie ausgeprägt meine eigene Bindungsangst ist. Außerdem wird mir bewusst, dass ich mir einen Partner ausgesucht habe, der selbst auch Bindungsängste hat. Das macht unsere Beziehung oft zu einer großen Herausforderung.

Ich will nicht sagen, dass ich mit meinem Freund eine toxische Beziehung führe, denn wir beide sind auf dem Weg und arbeiten an unseren Themen. Aber wenn ich ganz ehrlich bei mir selbst schaue, muss ich mir toxische Verhaltensweisen eingestehen, die sich gelegentlich wie folgt äußern:

        • Eskalation von Gefühlen in Gesprächen
        • Verbohrtheit, Unbelehrbarkeit, Uneinsichtigkeit
        • Grenzüberschreitungen und Anmaßungen
        • Zuweisung von Schuldgefühlen
        • Ausübung von emotionalem Druck
        • Abwertung und Kränkung
        • Kontroll- und Eifersucht (wobei nicht mehr so stark)

Ohne es zu beabsichtigen oder bewusst wahrzunehmen, sabotiere ich durch derartige Verhaltensweisen das Entstehen von echter Nähe.

Die Ursache sehe ich mangelnden Vorbildern. Meine Eltern sind zwar bis heute verheiratet, aber ich weiß noch, dass ich mir schon als Kind gewünscht habe, dass sie sich trennen. Ich habe sie nie als Team geschweige denn als liebevolle Partner wahrgenommen. Im Gegenteil, sie stritten viel und gingen sich die meiste Zeit aus dem Weg. Wie kann ich eine liebevolle und nahe Beziehung führen, wenn ich nie gelernt habe, wie so etwas funktioniert?

Bindung und Nähe in Beziehungen

Außerdem erfuhr ich als Kind Nähe selbst nur sporadisch. Ich konnte mich nicht darauf verlassen, sondern musste immer auch damit rechnen, dass z. B. meine Mutter gestresst, abweisend oder wütend auf meine Liebesbekundungen reagierte. Dieses Wechselbad der Gefühle habe ich als Liebe kennengelernt, sodass ich heute unbewusst genau dieses Hin und Her herbeiführe.

Als erwachsene Frau darf ich jetzt lernen, Nähe nicht mehr als Bedrohung wahrzunehmen und neue innere Bilder für meine Liebesbeziehung zu manifestieren, ganz so, wie ich sie mir wünsche.

Sexuelle Nähe

Das Thema Sexualität ist in meiner Beziehung schwierig, auch wenn ich es selbst momentan nicht als Stressfaktor wahrnehme.
Mein Freund wünscht sich jedoch mehr sexuelle Nähe, während ich gut und gerne darauf verzichten kann.

Seit mir der sexuelle Missbrauch in meiner Kindheit bewusst geworden ist, verspüre ich kein Verlangen, obwohl ich das Üben von Slow Sex oft als schön und sinnlich erlebe. Die körperliche Nähe zu ihm gefällt mir sehr. Nur sexuelle Lust stellt sich (noch) nicht wieder ein.

Immerhin fühle ich mich meinem Freund gegenüber inzwischen nicht mehr schuldig oder verpflichtet, sondern kann mich gut von seinen Bedürfnissen abgrenzen. Inzwischen sehe ich das Ganze gelassen und vertraue darauf, dass mein Körper genau weiß, was er tut und braucht. Ich bin sicher, dass sich im Zuge meiner Heilung auch sexuelle Lust ganz natürlich wieder einstellen wird.

Nähe in Freundschaften

Ein weiterer Aspekt, der mich hin und wieder belastet ist die Angst vor physischer Nähe in Freundschaften. Wenn bei Treffen zur Begrüßung oder Verabschiedung Umarmungen anstehen, löst das in mir großen Stress aus und ich will am liebsten davonlaufen. Ich umgehe die Umarmungen dann gerne, indem ich ein einfaches Hallo oder Tschüss in die Runde rufe. Auch bei Treffen mit einzelnen Freundinnen bin ich manchmal schon vorab unruhig, weil ich weiß, dass eine Umarmung zur Begrüßung ansteht.  

Am schlimmsten ist es, wenn gute Freundinnen in meiner Gegenwart anfangen zu weinen. Aus Filmen und von Erzählungen weiß ich, welche Reaktionen angebracht wären. Umarmungen oder Streicheleinheiten sind für mich jedoch undenkbar. Ich will am liebsten aus solchen Situationen fliehen, weil sie mir so unangenehm sind.

Ich empfinde das als sehr belastend, weil ich mir wünschte, mir einfach gar keine Gedanken machen zu müssen und ganz natürlich mit Berührungen und Umarmungen umgehen zu können. Scheinbar bin ich aber zutiefst verunsichert, wie ich selbst mit dieser Art von Nähe umgehen soll und wie andere sie auffassen.

2. Mein Umgang mit Kindern

Auch mein Umgang mit Kindern ist durch meine traumatischen Erfahrungen beeinflusst. Das bekomme ich seit einiger Zeit durch den 4-jährigen Sohn von meinem Freund zu spüren, den ich bereits seit dem Tag seiner Geburt kenne. Obwohl ich den Kleinen total lieb habe, spüre ich aktuell große Widerstände in mir. Denn er löst Gefühle in mir aus, derer ich mir vorher nicht bewusst war und die mich sehr erschrecken.

Auf der einen Seite komme ich bei ihm oft in Kontakt mit meinem eigenen inneren Kind, sodass ich mich in der Interaktion oft gar nicht als die Erwachsene fühle. Obwohl der Kleine überhaupt nicht so aggressiv und ablehnend ist, wie mein Bruder früher zu mir war, erlebe ich ihn in seinem Spiel häufig als genauso bedrohlich und unberechenbar. Weil ich sofort in einen Kindmodus verfalle, fühle ich mich dem schutzlos ausgeliefert und bin außerstande klare Grenzen zu ziehen. Die Gefühle von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Angst sind für mich dann unerträglich, sodass ich am liebsten die Flucht ergreifen will.  

Folgen von Missbrauch - Umgang mit Kindern

Auf der anderen Seite erlebe ich mich manchmal auf eine Art, die mich sehr an meine Mutter erinnert. Das ist der Fall, wenn der Kleine anfängt zu weinen. Im Nachhinein solcher Situationen bin ich erschrocken darüber, dass ich nicht in der Lage bin, mich ihm einfühlsam zuzuwenden. Stattdessen erstarre ich regelrecht und fühle mich emotional total kalt. Ich will ihm dann sagen, dass er sich nicht so anstellen soll, genau wie es meine Mutter zu mir sagte, wenn ich traurig und verletzt war.  

Es lässt sich nur schwer in Worte fassen, wie massiv und qualvoll diese Erfahrungen für mich sind. Und weil ich in dieser Angelegenheit nicht allein weiter komme, werde ich mir im nächsten Jahr wieder therapeutische Hilfe suchen.

3. Sichtbarkeit nach sexuellem Missbrauch

Der dritte Bereich, der mich aktuell in meinem Leben belastet, ist das Thema Sichtbarkeit. Mit dem Bloggen und Ganzwerdung habe ich endlich etwas gefunden, was mein Herz erfüllt. Zum ersten Mal im Leben habe ich anhaltend Freude an dem, was ich tue. Mein Kopf sprudelt über vor Ideen und Vorhaben, wie ich noch mehr Aufklärungsarbeit zum Thema Trauma leisten kann, um Menschen zu einem selbstbestimmten und erfüllten Leben zu verhelfen. Es ist mein klares Ziel, meine Passion zu meiner Hauptbeschäftigung zu machen. Das setzt aber voraus, dass ich damit auch meinen Lebensunterhalt bestreiten kann und das wiederum erfordert, noch mehr in die Sichtbarkeit zu treten. Eine diffuse Angst hindert mich jedoch an meinen Plänen und Vorhaben.

Erst vor wenigen Tagen habe ich meine 13. Selbstbegegnung in Form einer Aufstellung nach Franz Ruppert diesem Thema gewidmet. Mein Anliegen lautete: Ich will meine Angst vor Sichtbarkeit loslassen.

Es zeigte sich relativ schnell, was die Ursache meiner Angst ist. In meiner Kindheit war meine Sichtbarkeit mit sexuellem Missbrauch innerhalb meiner Familie verbunden. Sichtbar zu sein bedeutete für mich Angst, Scham und nicht ernst genommen werden. Aus diesem Grund habe ich damals verinnerlicht, dass es sicherer ist, mich nicht zu zeigen, mich zu verstecken.

Inneres Kind - sexueller Missbrauch

Und ich habe gelernt, die ganze schmerzliche Geschichte zu verstecken, auch vor mir selbst.
In der Aufstellung flossen viele Tränen, weil ich kindlichen Anteilen von mir selbst begegnet bin, die sich von mir nicht gesehen und ernst genommen fühlen.

Obwohl ich mit Ganzwerdung schon einen riesigen Schritt in die Sichtbarkeit gewagt habe, ist es immer noch eine Herausforderung, bei mir zu bleiben, indem ich immer wieder hinschaue und meine Traumagefühle zulasse, um zu heilen.   

Traumaheilung bedeutet nicht, keine Verletzungen mehr zu haben oder die Folgen von heut auf morgen zu beseitigen. Es bedeutet vielmehr, die Verletzungen nicht mehr über unser Leben bestimmen zu lassen. Und dafür müssen wir den Mut aufbringen, immer wieder hinzuschauen und zu fühlen, wenn wir so weit sind.

Sobald wir uns unserer Traumatisierungen bewusst geworden sind, können wir auch unsere Überlebensmechanismen mehr und mehr aufgeben. Eigenschaften, die bis dahin unserem Überleben gedient haben, können wir dann als Stärken erkennen und konstruktiv einsetzen.

Sexueller Missbrauch - Schritte zur Heilung

Sexueller Missbrauch in der Kindheit - Schritte der Heilung

Wenn Du gerade dein Eindruck hast, dass Dir Dein Leben aus den Händen gleitet oder Du den Boden unter den Füßen verlierst, weil sexueller Missbrauch aus Deiner Kindheit sich in Dein Bewusstsein drängt, soll dieser Beitrag Dir aufzeigen, wie Du Einfluss auf die belastende Situation nehmen kannst.

Welche Stärken habe ich durch die Traumatisierungen und den Missbrauch entwickelt?

Fünfzehn Jahre lang habe ich meine Traumatisierungen und Missbrauchserfahrungen überlebt, indem ich mich mit Drogen und Alkohol betäubt habe und irgendwie versuchte, im Leben klar zu kommen. Das kostete mich wertvolle Lebensjahre. Manchmal frage ich mich, wo ich heute stehen würde, wenn meine Kindheit anders verlaufen wäre.

Weil sich die Vergangenheit jedoch nicht zurückdrehen lässt, ist es zwecklos, mir diese Frage zu stellen. Stattdessen kann ich mich auf den Jetztzustand ausrichten. Wer bin ich heute MIT den Erfahrungen, die ich in der Vergangenheit machen musste? Welche Geschenke erkenne ich heute in meinen Traumatisierungen? Welche Eigenschaften haben mir damals geholfen, die sich heute als wertvolle Stärken und Fähigkeiten erweisen?

Autonomie
Als Kind habe ich nicht die Zuwendung und Nähe erfahren, die ich verdient und gebraucht hätte. Zudem waren die Erfahrungen, die ich mit Nähe machen musste, zutiefst verletzend und verwirrend für mich. Aus diesem Grund habe ich mir früh angeeignet allein zurecht zu kommen. Noch heute höre ich meine Mutter, wie sie mich dafür lobte, dass ich mich so gut allein beschäftigen konnte. Was damals aber eine Notlösung war, kann ich heute als Stärke betrachten. Durch das Alleinsein habe ich gelernt allein Lösungen für meine Probleme zu finden. Heute weiß ich, dass ich alles schaffen kann, wenn ich nur will.  

Optimismus
Um die schrecklichen Geschehnisse meiner Vergangenheit zu überleben, brauchte ich viele Überlebensstrategien. Eine davon war, mein Umfeld zu idealisieren und Kleinigkeiten etwas Positives abzugewinnen. Im Laufe der Zeit wurde daraus die Fähigkeit, die Dinge aus einer optimistischen Perspektive zu betrachten. So gelingt es mir, in allen Geschehnissen seien sie auch noch so schlimm, die Lernaufgaben und Geschenke zu erkennen.

Optimistische Frau

Resilienz & Durchhaltevermögen
Meine gesamte Kindheit hindurch war ich gezwungen, in einem traumatisierenden Umfeld auszuharren. Auch als ich als neunjähriges Mädchen plötzlich in dem angsteinflößenden Umfeld der psychiatrischen Klinik zurechtkommen musste, habe ich mithilfe innerer Ressourcen überlebt. Ich habe mir eine große Widerstandsfähigkeit angeeignet und gelernt, Krisensituationen durchzustehen. Du kannst Dir sicher vorstellen, dass Resilienz und Durchhaltevermögen Fähigkeiten sind, die mir in vielerlei Lebenslagen zu Gute kommen.  

Achtsamkeit
Um zusätzlichen Gefahren aus dem Weg zu gehen, musste ich als Kind meine Umgebung permanent nach Solchen abscannen. Ich glaube, dass meine sechs Sinne heute deshalb so ausgeprägt sind, weil ich sie früher dazu einsetzen musste, nahende Bedrohungen frühzeitig zu erkennen. Durch diesen Wachsamkeitsmodus habe ich gelernt, Menschen und Situationen aufmerksam zu beobachten. Dabei nehme ich Details wahr, die andere gar nicht bemerken, was mir wiederum ermöglicht, gut auf andere Menschen einzugehen.

Humor
Obwohl auch mein Vater mich auf verschiedene Arten missbraucht hat und ich mich vor ihm gefürchtet habe, wenn er an den Wochenenden betrunken nach Hause kam, war er in meiner Familie mein Anker. Er war der Einzige, der Zeit mit mir verbrachte und viel mit mir rumalberte. Eine seiner stärksten Überlebensstrategien war Spaß und die habe ich mir von ihm abgeschaut. Lange Zeit verhinderte diese Strategie bei mir, dass ich mich selbst ernst nehmen konnte. Aber meine humorvolle Art hat mir im Leben viele Türen geöffnet, sowohl bei Freundschaften als auch im Beruf. Heute nehme ich mich ernst und kann mit Stolz auf meine Fähigkeit blicken, angespannte Situationen aufzulockern und Menschen zum Lachen zu bringen.

Kreativität
Weitere wichtige Überlebensstrategien in meiner Kindheit waren für mich Malen, Basteln und Schreiben. Wenn ich gemalt oder gebastelt habe, konnte ich alles um mich herum vergessen. Ich bin richtig abgetaucht in die Welt meiner Bilder und Kunstobjekte. Später lebte ich meine Kreativität im Schreiben von Tagebüchern, Gedichten, Kurzgeschichten und Jugendromanen. Heute im Schreiben von Blogbeiträgen. Mein kreatives Denken und mein Sinn für Ästhetik sind Stärken, für die ich heute sehr dankbar bin.

Es sind im Leben oft unsere Verletzungen, die uns dazu bringen, in neue Richtungen zu denken und die die Tür zu unserem wahren Selbst zu öffnen. Wir erfahren uns und unsere Gefühle auf einer tieferen Ebene und dürfen in sämtlichen Lebensbereichen neu lernen, sobald wir uns unseren Wunden zuwenden.

Diese Übung hilft Dir nicht nur dabei, den Blick auf die Traumatisierungen zu richten, sondern auch die eigenen Überlebensmechanismen von damals im Jetzt als Stärken zu erkennen.

Wenn es Dir schwerfällt, Fähigkeiten oder Stärken bei Dir zu identifizieren, kannst Du auch die Übung für mehr Selbstwertgefühl auf meiner Für Dich-Seite machen. Sie kostet Dich nur 60 Minuten und wird Dir unmittelbar zu einem besseren Selbstwertgefühl verhelfen!

Viel Freude beim selber Durchführen der Übung!

Schön, dass Du da bist!

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Täter-Opfer-Dynamik

Täter-Opfer-Dynamik – Wie Dir der Ausstieg gelingt

Hast Du Dich im Zusammenhang mit Trauma schon mit der Täter-Opfer-Dynamik auseinandergesetzt? Kannst Du anerkennen, dass Du Opfer warst, wenn Du traumatisiert wurdest? Und bist Du bereit, Dir einzugestehen, dass Du in der Folge auch zum Täter geworden bist? Das persönliche Opfersein anzuerkennen und sich der eigenen Täterschaft zuzuwenden, sind mitunter die schwersten und gleichzeitig wichtigsten Schritte auf dem Weg der Ganzwerdung.

Dieser Beitrag ist in Kooperation mit Andrea Stoffers entstanden. Andrea ist Heilpraktikerin für Psychotherapie mit eigener Praxis, dem Zentrum Mensch in Neuss. Seit 2010 arbeitet sie mit der Anliegenmethode auf Basis der Identitätsorientierten Psychotraumatherapie nach Franz Ruppert. Danke, liebe Andrea, dass Du mich als meine Therapeutin bei diesem wichtigen Thema unterstützt hast.

Rollenverständnis Täter - Opfer

Im Trauma Kontext sprechen wir von einem Täter, wenn ein Mensch einem anderen körperlichen oder psychischen Schaden zufügt. Der Mensch, dem ein Schaden zugefügt wird, wird als Opfer bezeichnet.

Wenn eine Mutter die eigenen Kinder schlägt, wird sie zum Täter und macht die Kinder zu Opfern. Die Taten müssen von beiden Parteien verarbeitet werden. Die Mutter (Täterin) muss mit der Tatsache zurechtkommen, die eigenen Kinder verletzt zu haben und die Kinder (Opfer) sind gezwungen, einen Umgang mit den physischen und psychischen Verletzungen zu finden, die ihnen zugefügt wurden.

Viele von Trauma betroffene Menschen tun sich schwer, den Begriff Opfer auf sich selbst anzuwenden, weil er im Sprachgebrauch negativ behaftet ist und mit Schwäche gleichgesetzt wird. Tatsächlich bringt er jedoch lediglich die Hilf- und Wehrlosigkeit zum Ausdruck, die das Tatgeschehen auslöste.

Ist ein Täter bereit, die Verantwortung für seine Handlungen zu übernehmen, seine Schuld anzuerkennen und eine Kompensation für den erlittenen Schaden anzubieten, kann der traumatisierende Vorfall von allen Beteiligten verarbeitet werden. Gelingt die Klärung auf diese Weise jedoch nicht, besteht die Gefahr, dass Täter eine Täterhaltung und Opfer eine Opferhaltung einnehmen.

Merkmale von Täter- und Opferhaltungen

Eine Täterhaltung nimmt jemand ein, der die Verantwortung sowie das eigene Verschulden an der Tat abstreitet oder sie sogar als gerechtfertigt empfindet (z.B.: weil er sich zu bestimmten Handlungen genötigt fühlt). Menschen in Täterhaltung schreiben dem Opfer die Schuld an ihren Handlungen zu und es fehlt ihnen an jeglichem Mitgefühl. Das kann so weit gehen, dass sie das Opfer sogar verspotten.

Beispiel für eine Täterhaltung: Ein erwachsener Mann gibt seiner Tochter die Schuld daran, dass er sie sexuell missbraucht hat, weil sie im Alter von vier Jahren immer wieder seine Nähe gesucht hat und Neugier am männlichen Geschlecht zeigte. Er rechtfertigt, dass die sexuellen Handlungen nicht von ihm ausgingen, sondern er von seiner Tochter verführt worden sei.
Als der Mann sexuelle Gefühle gegenüber seiner Tochter bemerkte, hätte er sich Hilfe suchen müssen, statt sie auszuagieren. Dass er als Erwachsener in der Verantwortung gewesen wäre, der unschuldigen Experimentierfreude des Kindes mit Nähe und Intimität Grenzen zu setzen, blendet er aus.

Menschen, die sich in einer Opferhaltung befinden, geben sich selbst die Schuld an den Taten (wodurch ungerechtfertigter Weise eine Mitschuld übernommen wird) und empfinden diese häufig sogar als gerechtfertigt, weil sie glauben, es nicht anders verdient zu haben. Sie schämen sich für sich selbst und für das, was sie erleiden mussten und verschweigen deshalb das Geschehen. Oft nehmen sie die Täter sogar in Schutz, indem sie die Taten verdrängen oder verharmlosen.

Täter-Opfer-Dynamik

Beispielfür eine Opferhaltung: Eine inzwischen 35-jährige Frau fühlt sich verantwortlich, zu jeder Zeit für ihre alkoholabhängige und gewalttätige Mutter da zu sein und ihr auch finanziell immer wieder auszuhelfen. Die Frau erinnert sich zwar daran, wie ihre Mutter sie während ihrer Kindheit misshandelte und vernachlässigte, übt sich aber in Verständnis, da es ihre Mutter selbst nicht leicht hatte. Sie redet sich ein, dass es für sie alles halb so schlimm gewesen sei. Es ginge ihr ja schließlich so weit gut. Außerdem beteuert sie immer wieder, dass sie als Kind auch sehr hohe Ansprüche hatte, die wahrscheinlich niemand hätte erfüllen können.

„Die Täter- wie die Opferhaltung ist eine Überlebensstrategie, um in einem destruktiven Beziehungssystem bleiben zu können und die Beziehung nicht endgültig auflösen zu müssen. Weder Täter noch Opfer kennen eine Alternative zu dieser Form der Beziehung. Sie nehmen die Destruktivität in ihren Beziehungen in Kauf, weil überhaupt keine Beziehung und noch nicht einmal jemanden zu haben, mit dem man sich streiten oder schlagen kann, noch mehr gefürchtet wird als alles andere.“ (Franz Ruppert, 2012)

Opfer- und Täterhaltungen gehen nicht ausschließlich aus so gravierenden Szenarien hervor, wie sie in den Beispielen verwendet wurden. Vielen von uns fehlte es augenscheinlich an nichts und dennoch haben wir Wunden durch Entwicklungstrauma davongetragen. Diese entstanden unter anderem, weil unsere Eltern und Großeltern Strafen als geeignetes Erziehungsinstrument ansehen oder es bis heute als gerechtfertigt empfinden, dass sie uns als Kinder weinen lassen haben, damit wir lernen, uns selbst zu beruhigen. Und wie viele von uns ignorieren ihre Wunden zugunsten der eigenen Familie, indem wir uns einzureden versuchen, dass das alles sei berechtigt oder halb so wild gewesen?

Begleiterscheinungen von Täter-Opfer-Beziehungen

Täterintrojekt – Täter gegen Dich selbst

Bei einem Täterintrojekt handelt es sich um eine Art der Identifikation mit dem Täter. Es sind Zuschreibungen und Verhaltensweisen, die das Opfer ursprünglich über lange Zeit vom Täter erfahren und als eigene Überzeugungen übernommen hat.

Wird dem Opfer durch Worte und Handlungen des Täters wiederholt signalisiert, wie schlecht und wertlos es sei, kommt das einer Gehirnwäsche gleich. Trauma-Opfer glauben dann irgendwann nicht nur den Worten des Täters, sie empfinden diese Zuschreibungen sogar als etwas Eigenes. Der Täter ist quasi Teil von uns selbst geworden.

Viele Opfer glauben ihr Leben lang selbst schuld, nicht normal oder sogar verrückt zu sein, weil ihnen das von Täterseite immer wieder eingeredet wurde. Die Gehirnwäsche wirkt so stark, dass es uns nicht mehr möglich ist zu erkennen, dass uns diese Informationen von außen eingegeben wurden und wir das nicht sind.  

Solange die Traumatisierungen nicht mit therapeutischer Hilfe verarbeitet wurden, werden wir durch Täterintrojekte selbst zu Tätern, vor allem an uns selbst. Wir reinszenieren unsere Traumata, indem wir uns selbst abwerten, verletzen, drogen- oder alkoholabhängig werden und oder lieblose und gewaltvolle Beziehungen eingehen.

Täter-Opfer-Dynamiken

Opfer-Täter-Dynamiken sind das, was als Verstrickung bekannt ist. Es bedeutet, dass wir nicht bei uns selbst sind und dementsprechend nicht unser eigenes Leben leben. Wir sind mit unserer Aufmerksamkeit nicht wirklich bei uns, sondern immer zu einem gewissen Teil bei dem Täter oder Stellvertretern für den Täter. Die Verstrickung wird sowohl vom Täter als auch vom Opfer aufrechterhalten.

Wenn beispielsweise eine Frau in ihrer Kindheit von ihren Eltern oder Erziehungsberechtigten nicht ausreichend versorgt wurde, hatte sie keine Möglichkeit, sich zu einer gesunden erwachsenen Frau zu entwickeln. Solange diese Frau ihre Traumatisierungen nicht verarbeitet, wird sie immer wieder Beziehung eingehen, in denen sie genauso vernachlässigt und unterversorgt wird. Weil es das ist, was die Frau unter Nähe versteht, macht sie Partnern mit Tätertendenzen sogenannte Vestrickungsangebote. Sie lässt sie in ihr Leben und opfert sich womöglich sogar für sie auf. Auf diese Weise bleibt sie nicht nur in einer Dauerschleife ihres Traumas verhaftet, sondern hält auch ein Abhängigkeitsverhältnis zum Täter aufrecht, der inzwischen auch das Gesicht ihres Geliebten oder Ehemanns tragen kann. 

Täter.Opfer

Wie steige ich aus destruktiven Täter-Opfer-Dynamiken aus?

1. Schritt: Das eigeine Opfersein anerkennen

Um aus der Täter-Opfer-Dynamik auszusteigen, ist es im ersten Schritt notwendig, das eigene Opfersein anzuerkennen. Dir einzugestehen, Opfer geworden zu sein ist ein schmerzhafter Prozess, der viel Mut abverlangt. Vor allem, weil er einschließt Menschen, die wir lieben, als Täter oder Mittäter zu identifizieren, besonders wenn es sich um Mitglieder aus der eigenen Familie handelt.

2. Schritt: Mitgefühl für Dich selbst entwickeln

Im nächsten Schritt müssen wir Mitgefühl für uns selbst entwickeln. Wir dürfen uns jetzt unseren verletzten Kindanteilen zuwenden, die in der Vergangenheit traumatisiert wurden und so furchtbar gelitten haben. Dann sind wir in der Lage, all den Schmerz zu fühlen, den wir damals nicht hätten überleben können. Wir können nun lernen, uns selbst die Eltern zu sein, die wir verdient und gebraucht hätten.

3. Schritt: Opferhaltung ablegen

Der dritte Schritt besteht darin, unsere Opferhaltung abzulegen, indem wir die Wahrheit anerkennen, wie sie wirklich ist. Wir hören auf, uns selbst die Schuld zu geben oder den Tätern zuliebe alle Geschehnisse unter den Teppich zu kehren. Ab sofort stellen wir uns selbst und unser eigenes Erleben an erste Stelle. Auf diese Weise übernehmen wir die volle Verantwortung für unser Leben und geben den Tätern die Verantwortung für ihre Taten zurück.  

Muss ich den Kontakt zu den Tätern abbrechen, um Verstrickungen aufzulösen?

Wenn Du verstanden hast, wie verstrickt Du mit den Tätern bist, wirst Du von selbst erkennen, dass es Abstand braucht, um den oft jahrzehntelang verinnerlichten Täter-Opfer-Dynamiken ein Ende zu setzen.

Vor allem, wen es sich bei den Tätern um Mitglieder der eigenen Familie handelt, ist ein Kontaktabbruch mit großen Ängsten und Zweifeln verbunden. Letztendlich ist es aber das wohl wertvollste Geschenk, dass Du Dir selbst machen kannst. Denn durch das Auflösen von Verstrickungen legst Du den Grundstein für die Entwicklung einer eigenen gesunden Identität und somit auch für glückliche und konstruktive Beziehungen. Am Ende entscheidest Du aber natürlich immer selbst.

Täter-Opfer Kontaktabbruch

Wann ist Kontakt wieder möglich?

Ein gesunder Kontakt zu den Tätern ist überhaupt erst dann möglich, wenn Du die oben genannten Schritte durchlaufen und Deine Opferhaltung aufgegeben hast.

Das ist der Fall, wenn Du Verstrickungsangebote von Tätern erkennen und entschieden ablehnen kannst und sie nicht länger in der Lage sind, Dich emotional zu beeinflussen. Sobald Du feststellst, dass ein bedürftiger (Kind) Anteil von Dir angesprochen bzw. getriggert wird, musst Du in der Lage sein Dich zu schützen, indem Du die Situation sofort verlässt.

Es kann den Heilungsprozess der Beziehung beschleunigen, wenn sich der Täter selbst bereit erklärt, die Verantwortung für seine Handlungen zu übernehmen, indem er seine eigenen Traumatisierungen aufarbeitet. Du solltest aber nicht allzu große Hoffnung haben. Die meisten Menschen haben zu viel Angst, sich das Trauma durch eigene Täterschaft anzusehen und sich einzugestehen, dass sie anderen Menschen Schaden zugefügt haben.

Was ist das Trauma durch eigene Täterschaft?

Laut Franz Ruppert handelt es sich beim Trauma durch eigene Täterschaft um eine eigene Traumakategorie. Er legt die Annahme zugrunde, dass es in jedem Menschen immer auch gesunde psychische Anteile gibt, die sich im Klaren über Recht und Unrecht sind. Fügt ein Täter also einem anderen Menschen einen Schaden zu, traumatisiert er sich damit auch selbst. Um mit den der Tat einhergehenden Gefühlen von Schuld, Scham, Ekel, Wut und Hilflosigkeit weiter leben zu können, muss er sie abspalten und als Überlebensstrategie die Täterhaltung einnehmen.

Es ist eine schreckliche und traurige Endlosspirale, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass ein Mensch überhaupt erst dann zum Trauma-Täter wird, wenn er einst selbst Trauma-Opfer war. Und das Trauma-Opfer wiederum zu Trauma-Tätern werden (mindestens bei sich selbst), wenn sie ihre Traumatisierungen nicht aufarbeiten.

Beim Verabschieden von Täter-Opfer-Dynamiken wird es früher oder später also notwendig sein, Dich Deinem Trauma durch eigene Täterschaft zuzuwenden. Es ist nicht leicht, die Verantwortung dafür zu übernehmen, Dir selbst oder anderen Menschen furchtbare Dinge angetan zu haben. Wenn Du dem jedoch ein Ende setzen willst, um ein gesundes, glückliches und selbstbestimmtes Leben zu führen, ist es dringend notwendig. Nur so können wir den Teufelskreis der Täter-Opfer-Dynamiken beenden.

Trau Dich Täter und Opfer in Dir zu verabschieden!

Selbstbestimmung

Sobald Du anerkennst, dass Du selbst Opfer warst und bereit bist, die Opferrolle aufzugeben, wirst Du sensibler für Verstrickungsangebote von (potenziellen) Tätern. Du wirst dann auch Bewusstheit darüber erlangen, wo Du selbst Täterverhalten zeigst. Es ist ein natürlicher Prozess, der ganz von allein voranschreitet, wenn Du die richtigen Schritte gehst.

Sei Dir immer bewusst, dass Du den Weg nicht allein gehen musst. Ein erster Schritt kann zum Beispiel sein, Dich Deiner besten Freundin anzuvertrauen oder Dir eine kompetente Therapeutin zu suchen, die Dich begleitet. Ich empfehle Dir die Anliegenmethode von Dr. Franz Ruppert sehr, weil ich mit ihr in so kurzer Zeit große Fortschritte gemacht habe.

Sei mutig und werde der Mensch, den Du Dir selbst als Kind an Deiner Seite gewünscht hast.

Schön, dass Du da bist!

Quellenverweise: 

Bass, Ellen & Davis, Laura (2001): Trotz allem – Wege zur Selbstheilung für sexuell mißbrauchte Frauen, 9. Edition, Berlin

Ruppert, Franz (2019): Liebe, Lust und Trauma: Auf dem Weg zur gesunden sexuellen Identität, 1. Aufl., München

Ruppert, Franz (2012): Trauma, Angst und Liebe: Unterwegs zu gesunder Eigenständigkeit. Wie Aufstellungen dabei helfen, 6. Edition, München

Aktuelle Beiträge

Gefühle wollen gefühlt werden

Gefühle – Warum es uns so schwerfällt alles zu fühlen

In einer idealen Welt könntest Du jederzeit alle Deine Gefühle wahrnehmen und angemessen ausdrücken. In der Realität funktioniert das für viele von uns nicht so selbstverständlich. Besonders die sogenannten negativen Gefühle wie Angst, Wut und Scham unterdrücken wir meist, weil wir gelernt haben, dass es nicht angemessen ist, sie zu zeigen. Wie können wir aber eine authentische und gesunde Beziehung zu uns selbst und anderen eingehen, wenn wir nicht mit all unseren Gefühlen in Kontakt sind? Ist es möglich, das Unterdrücken von Gefühlen aufzugeben und sie alle gleichermaßen willkommen zu heißen?

Was sind Gefühle eigentlich?

Gefühle zu definieren ist gar nicht so einfach. Das ist erstaunlich, da sie im Alltag unsere ständigen Begleiter sind. Unsere Gefühle entstehen als Reaktion auf innere und äußere Gegebenheiten. Es sind wechselnde Zustände, die unter anderem stark durch unsere Gedanken beeinflusst werden und in Zusammenhang mit den Empfindungen unseres Körpers stehen. Wir alle haben also Gefühle, ob wir uns ihrer bewusst sind oder nicht.

 „Auf der Grundlage von Gefühlen entwickeln wir unsere Einsichten und die Fähigkeit, uns zu orientieren und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Gefühle, auch schmerzliche Gefühle, sind Verbündete, die uns wissen lassen, was in uns abläuft, und oft auch, wie wir auf Situationen reagieren sollen.“ (Bass, Ellen & Davis, Laura 2001)

Wir bringen ein vielfältiges Repertoire an Gefühlen mit auf diese Welt, die Ausdruck unserer Lebendigkeit sind. Die Fähigkeit zu fühlen macht uns menschlich und ermöglicht uns mitfühlende und nahe Beziehungen zu anderen Menschen.

Können wir uns immer gut fühlen?

Seien wir mal ehrlich. Wir wünschen uns doch alle insgeheim immer nur angenehme Gefühle zu haben oder? Das ist nachvollziehbar, denn im Körper empfinden wir Freude, Glück und Entspannung als angenehmer und leichter als Trauer, Wut oder Stress.

Die Positiv-Denken-Szene unterstützt die Idee, dass „gut drauf sein“ ein Dauerzustand sein kann, den es zu erreichen gilt. Der Anspruch oder das Ziel, sich immer nur gut zu fühlen, ist aber entgegen allen Gesetzmäßigkeiten. Wenn Du Dich regelmäßig in der Natur aufhältst, kannst Du genau beobachten, wie alles im ständigen Wandel ist. Die Jahreszeiten, das Wetter und der Kreislauf von Leben und Tod. Die Welt der Dualität ist eine Welt mit zwei Seiten. Licht kann nur da scheinen, wo Dunkelheit ist. Es ist nie andauernd nur sonnig und schön.

Genauso verhält es sich beim menschlichen Leben. Es lässt sich nicht vermeiden, dass wir auch mal mit unangenehmen Gefühlen konfrontiert werden. Wir alle werden mal krank, haben Liebeskummer und erleben Niederlagen und Verluste.

Nur positiv drauf sein zu wollen heißt, Du bist verdammt dazu, Deinen Schatten zu unterdrücken. Du bist verdammt dazu, alle Energien und Emotionen, die Du als negativ empfindest, zu unterdrücken. Das ist eine Katastrophe.“ (Lindau, Veit, 2020)

All unsere Gefühle haben ihre Daseinsberechtigung und verdienen es gleichermaßen gesehen und gefühlt zu werden. Lernen wir also alle Gefühle zu uns einzuladen und ihnen Raum zu geben. So als seien wir ein Gasthaus, dass es sich zum Ziel gesetzt hat seinen Besuchern eine angenehme Durchreise zu ermöglichen. Nachdem die Gäste eine schöne Zeit bei uns hatten, werden sie weiterziehen wollen und von neuen Gästen abgelöst werden. 

Gefühle

Warum fällt es uns so schwer, alles zu fühlen?

Unsere Fähigkeit zu fühlen spiegelt den Grad unserer Lebendigkeit wieder. Der Versuch, bestimmte Gefühle aus unserem Leben auszuschließen, ist also immer mit Einbußen verbunden.

Besonders wenn wir traumatisiert wurden, fällt es uns schwer, bestimmte Gefühle zu erlauben. Die Liebe und das Vertrauen, was wir unseren Eltern oder anderen Erziehungsberechtigten entgegenbrachten, wurden missachtet oder sogar missbraucht. Das war so schmerzhaft, dass wir die Gefühle unterdrücken mussten, um weiter damit zu leben. Was damals lebenswichtig war, blockiert heute jedoch unsere Lebensenergie und unseren Selbstausdruck.

Wir haben es uns zur Angewohnheit gemacht, gegen Gefühle anzukämpfen, sie zu ignorieren oder an ihnen festzuhalten. Um unsere Lebensenergie wieder ins Fließen zu bringen, müssen wir die Gründe erkennen, die uns daran hindern, Gefühle als das zu verstehen, was sie sind – natürliche und sich ständig verändernde Zustände.

1. Bewertung der Gefühle

Den natürlichen Ausdruck und die Veränderlichkeit unserer Gefühle können wir am Besten bei Babys oder Kleinkindern beobachten. Bekommt ein kleines Kind im Supermarkt nicht den ersehnten Schokoriegel, wirft es sich wütend und traurig auf den Boden und weint bitterliche Tränen. Einige Minuten später erblickt das Kind einen Welpen und wird ruhig. Es ist entzückt vom Anblick des kleinen Hundes und strahlt vor Freude bis über beide Ohren.

Was unterscheidet dieses Kind von uns? Warum hat es keine Scheu, seine Gefühle jederzeit frei auszudrücken? 
Es bewertet seine Gefühle nicht so wie wir es tun. Kleine Kinder drücken einfach frei aus, was gerade in ihnen vorgeht. Wir Erwachsenen hingegen verfügen über ein inneres Bewertungssystem, dass uns in unserer Kindheit antrainiert wurde.

Wenn unsere Eltern oder andere Erziehungsberechtigte keinen rationalen Grund für unsere Tränen oder unsere Wut gesehen haben, sprachen sie uns die Daseinsberechtigung dieser Gefühle ab. Wir wurden getadelt oder sogar bestraft, wenn wir uns unerwünscht verhielten und gelobt oder belohnt, wenn wir vermeintlich etwas richtigmachten. Auf diese Weise haben wir innere Überzeugungen und Glaubenssätze verinnerlicht, mit denen wir unsere Gefühle bis heute in die Kategorien richtig oder falsch einordnen.

2. Angst vor Konsequenzen

Die zuvor beschriebene Programmierung sorgt auch dafür, dass wir bestimmte Gefühle bei unserem Gegenüber mit bestimmten Verhaltensweisen verknüpfen. Wenn wir beispielsweise als Kinder bestraft wurden, weil wir unserer Wut Ausdruck verliehen haben, kann es sein, dass wir unsere Wut auch heute unterdrücken, um nicht alleingelassen zu werden.

 

3. Identifikation mit Gefühlen

Ohne uns dessen bewusst zu sein, identifizieren wir uns häufig auch mit unseren Gefühlen. Wenn unser Leben zum Beispiel von schlimmen Erfahrungen geprägt war oder wir uns in schwierigen Lebensphasen befinden, fühlen wir uns womöglich dauerhaft traurig, depressiv oder schwach. Vielleicht beschreiben wir uns sogar als traurige oder ängstliche Person.

Selbst wenn wir uns bemühen, etwas an unserem Zustand zu verändern, indem wir Selbsthilfebücher lesen oder positive Affirmationen zu Hilfe ziehen, halten wir womöglich unbewusst an unserem gewohnten Gefühlszustand fest.

Gefühle nicht festhalten

Wir haben noch nicht erkannt, dass Gefühle keine Dauergäste sind und sie sich ständig verändern. In Wahrheit sind wir keine per se ängstlichen, wütenden oder traurigen Menschen. Wir haben die Fähigkeit, diese Gefühle zu fühlen und daneben auch all die vielfältigen anderen Gefühle.

Um Dir der Unbeständigkeit Deiner Gefühle bewusst zu werden, ist Meditation eine hilfreiche Methode, weil Du damit Deine Achtsamkeit stärkst. Du musst nicht unbedingt an einem Meditationskurs teilnehmen oder täglich mehrere Stunden im Lotussitz verharren. Auch kurze Momente der Stille, die Du in Deinen Tagesablauf einbaust, können schon eine transformierende Wirkung haben. Versuche Dir solche Momente zur festen Gewohnheit zu machen und sie zu nutzen, indem Du Dir folgende Fragen stellst:

„Was spüre ich in meinem Körper?“

„Wie fühle ich mich gerade?“

Wenn Du Dir, Deiner Gefühle und Körperwahrnehmungen immer mehr bewusst wirst und sie jederzeit wahrnehmen kannst, wirst Du bemerken, dass Deine Selbstakzeptanz zunimmt und Du beginnst Dich mehr zu lieben.

4. Falsche Affirmationen 

Affirmationen sind kurze Sätze, die unsere Gefühle und Gedanken positiv beeinflussen sollen. Unumstritten sind positive Affirmationen ein sehr wirksames Tool, um alte und begrenzende Glaubenssätze zu erneuern. Die Arbeit mit positiven Affirmationen ist aber mit Vorsicht zu genießen. Sie können nämlich auch zur Verdrängung von Gefühlen eingesetzt werden.

Angenommen Du fühlst Dich eine Zeit lang kraftlos und müde und rezitierst dann immer wieder die Affirmation „Ich bin voller Kraft und Energie“. Dabei handelt es sich nicht um eine wirkungsvolle Affirmation, sondern salopp gesagt um einen Satz, mit dem Du Dich selbst belügst. Du würdigst Dein Gefühl nicht und versuchst stattdessen, es wegzumachen. Womöglich wiederholst Du auf diese Weise dasselbe, was Deine Eltern oder andere Bezugspersonen früher mit Dir gemacht haben. Jetzt hast Du die Chance, Dir selbst die Liebe zu geben, die schon als Kind verdient hast. Erlaube Dir alles zu fühlen und bleib liebevoll an Deiner Seite.

Um sicherzugehen, dass Deine Affirmationen zu Deiner Entwicklung beitragen, statt sie zu behindern, kannst Du Dir bei der Formulierung folgende drei Fragen stellen:

  • Ist das wirklich wahr?
  • Handelt es sich um einen Wunsch?
  • Will ich damit ein Gefühl vermeiden?

Nehmen wir an Du kannst Dich gerade nicht besonders gut leiden und wählst die Affirmation „Ich liebe mich.“ Wenn Du Dich jetzt fragst, ob das wirklich wahr ist, wird die Antwort vermutlich Nein lauten. Du wirst Dir also im Folgeschluss eingestehen müssen, dass es sich um einen Wunsch handelt und Du Dich in Wahrheit gerade klein und kraftlos fühlst oder sogar Ablehnung gegen Dich empfindest. 

Wähle stattdessen die Formulierung „Ich bin gewillt mich zu lieben“. Wenn Du jetzt die Fragen durchgehst, wirst Du herausfinden, dass Du damit eine gelungene Affirmation formuliert hast.

Fühlen statt positiv Denken

Sobald wir die Gründe dafür verstanden haben,  dass wir unsere Gefühle nicht gut wahrnehmen und ausdrücken können, dürfen wir uns wieder an das Fühlen herantasten. Gerade in Bezug auf Trauma stellst Du damit die Weichen zu Deiner Heilung. Denn Traumaheilung bedeutet das Fühlen der schmerzlichen Gefühle aus Deiner Vergangenheit.

a.) Fühlen wieder neu lernen

Es gibt verschiedene Wege, um zu lernen, Deine Gefühle wahrzunehmen. Kreative und schöpferische Tätigkeiten wie Tanzen oder Malen können Dir behilflich sein. Wenn Dir der Zugang dazu schwerfällt, kannst Du auch Deinen Verstand als Helfer einsetzen. Du kannst Dich in bestimmten Situationen fragen, wie sich wohl die Mehrheit der Menschen in derselben Lage fühlen würde.

Eine weitere Möglichkeit ist es, eine umfangreiche Liste mit sämtlichen Gefühlen zu erarbeiten. Diese kannst Du immer bei Dir tragen und in verschiedenen Situationen mit ihrer Hilfe herausfinden, welche Gefühle jetzt auf Dich zutreffen. Die Wissenskarten aus der Gewaltfreien Kommunikation können Dich bei der Erarbeitung einer Gefühlsliste unterstützen.

Besonders hilfreich ist es, bei Deinem Körper zu beginnen. Denn wie bereits erwähnt, gehen unsere Gefühle immer mit Körperempfindungen einher. Redewendungen wie „Ich hatte vor Angst einen Kloß im Hals“ oder „Ich habe gerade so eine Wut im Bauch“ zeigen bildhaft den Zusammenhang von Gefühl und Körperempfindung auf.

Wenn Du Deinem Körper bis heute wenig Bedeutung beigemessen hast, kann es Dir zu Beginn schwerfallen, Deine Körperempfindungen wahrzunehmen. Lass Dich nicht davon abschrecken, wenn Dein Kopf denkt, dass Du gar nichts spüren kannst. Vertraue auf Deinen Körper. Du hast alle Zeit der Welt und es gibt hilfreiche Werkzeuge, um den Zugang zu Deinen Körperempfindungen zu unterstützen, zum Beispiel progressive Muskelentspannung, geführte Meditationen und Yoga.

b.) Umgang mit schmerzlichen Gefühlen

Sobald Du Deine innere Ablehnung gegen bestimmte Gefühle aufgegeben hast, kann es sein, dass sich sehr schmerzliche Gefühle zeigen, die lange keinen Raum bekamen. Traumagefühle können so stark sein, dass wir Angst haben, überwältigt zu werden, die Kontrolle über uns zu verlieren oder nie mehr aufhören können zu leiden.

Es ist gut möglich, dass Du eine Zeit lang viel Schmerz und Trauer, später Wut und Angst fühlst. Scheue Dich nicht Dir Hilfe zu suchen, wenn Du bemerkst, dass Deine Gefühle Dir Angst machen. Wenn Du so lange Zeit bestimmte Gefühle meiden musstest, kann es eine überwältigende Erfahrung sein, diese in ihrer ganzen Intensität zu fühlen. Du kannst Dir aber sicher sein, dass sich auch dies wieder verändern wird. Und indem Du ab jetzt Deine Gefühle achtsam beobachtest, wirst Du zunehmend auch Freude, Hoffnung, Stolz und wachsende Zufriedenheit spüren.

Um die gesamte Tiefe Deiner Gefühle zu fühlen, musst Du das ganze Spektrum Deiner Gefühle wieder zu Dir einladen.

Schön, dass Du da bist!

Koautor: Marco Sascha Heyn

 

Quellenverweise: 

Bass, Ellen & Davis, Laura (2001): Trotz allem – Wege zur Selbstheilung für sexuell mißbrauchte Frauen, 9. Edition, Berlin

Lindau, Veit (2020): Erfolgswerk. Abgerufen am 23. Januar 2021, von https://app.homodea.com/suche/erfolgswerk