Die identitätsorientierte Psychotraumatherapie (IoPT) bildet die Basis für eine von Dr. Franz Ruppert entwickelte Aufstellungsmethode. Diese Methode ermöglicht es, unbewusste Traumatisierungen bewusst zu machen und die in Folge von Traumata abgespaltenen Anteile wieder zu integrieren. Es ist die Therapieform, mit der ich in kürzester Zeit große Fortschritte auf meinem Weg gemacht habe. Aus diesem Grund kann ich es nicht länger abwarten, Dir die Methode etwas genauer vorzustellen
Was ist eine Aufstellung
Der Begriff Aufstellung wurde durch das Familienstellen nach Bert Hellinger geprägt. Dabei handelt es sich um eine Methode aus der systemischen Therapie, bei der einzelne Personen als Stellvertreter für Familienmitglieder im Raum positioniert werden, um belastende Beziehungsmuster und –dynamiken innerhalb der Familie sichtbar zu machen.
Franz Ruppert, Professor für Psychologie und approbierter psychologischer Psychotherapeut, arbeitete viele Jahre mit dieser Methode nach Hellinger. Im Laufe der Zeit bemerkte er jedoch immer größere Unstimmigkeiten in Bezug auf das Familienstellen.
Durch seine intensive Beschäftigung mit der Bindungstheorie von John Bowlby erkannte Ruppert in den Aufstellungen kindliche Bindungsmuster, die sich in späteren Beziehungen ständig wiederholten. Er schlussfolgerte daraus, dass ein Großteil aller Probleme durch frühe Traumata hervorgerufen werden.
Auf Grundlage der Erkenntnis, dass es bei Traumatisierungen zu einer seelischen Spaltung kommt, entwickelte er eine eigene Aufstellungsmethodik – die Identitätsorientierte Psychothraumatherapie (IoPT).
Abgrenzung der IoPT vom Familienstellen
Im Vergleich zum Familienstellen repräsentieren die Stellvertreter bei der Aufstellungsmethode von Franz Ruppert keine kompletten Personen, sondern nur gewisse Anteile von ihnen, z.B. den traumatisierten Anteil der Mutter oder einen verletzten Kind-Anteil.
Das Hauptziel dieser Methodik liegt darin, dass sich diese Anteile wieder zu einer Gesamtpersönlichkeit zusammenfinden. Der Fokus rückte also weg vom Familiensystem, hin zum inneren System eigener psychischer Anteile. Demnach geht es also nicht darum mit der Familie ins Reine zu kommen, sondern mit sich selbst.
„Im Prinzip kann man die Unterschiede so zusammenfassen: Während mittels Familienaufstellungen der Versuch unternommen wird, Verstrickungen innerhalb der Familie aufzulösen, biete ich mit meiner Theorie und Methodik an, sich aus den symbiotischen Verstrickungen innerhalb der Familie zu lösen.“ Franz Ruppert (2019)
Für mich persönlich ergibt dieser Ansatz großen Sinn. Denn ich bin nicht in der Lage, die Traumatisierungen meiner Eltern, Geschwister oder Großeltern zu heilen, so sehr ich mir das in der Vergangenheit auch gewünscht habe. Wenn andere nicht von sich aus den Entschluss fassen, die eigenen Traumatisierungen aufzuarbeiten, liegt das nicht in meiner Verantwortung. Es liegt aber in meiner Verantwortung, meine eigenen Leidenszustände aufzulösen.
Wie funktioniert die Identitätsorientierte Psychotraumatherapie?
Die Anliegenmethode
Die zur identitätsorientierten Psychotraumatherapie passende Methode nennt Franz Ruppert „Anliegenmethode“ oder auch „Selbstbegegnung“.
Ein Klient übernimmt dabei die Verantwortung für seinen Heilungsprozess, indem er selbst ein Anliegen formuliert, das er in einer Aufstellung anschauen möchte. Das kann alles Mögliche sein – körperliche Beschwerden, emotionale Belastungen oder auch zwischenmenschliche Schwierigkeiten. Das Anliegen kann als Satz formuliert werden (Wurde ich sexuell missbraucht?) oder nur aus Worten bestehen (Ich – Wut – Vater).
Einzel- oder Gruppentherapie
Die Anliegenmethode wird nach meinem Kenntnisstand in zwei Varianten angeboten. Als Einzeltherapie und als Gruppentherapie. Während ich bei der Gruppentherapie einzelne Personen als Resonanzgeber für mein Anliegen auswähle, steht mir bei der Einzeltherapie der Therapeut oder die Therapeutin als alleiniger Resonanzgeber zur Verfügung. Mithilfe von Platzhaltern (z.B.: Kissen) nimmt er oder sie die Positionen meines Anliegens ein und teilt mir mit, was an Empfindungen, Gefühlen und Gedanken jeweils wahrgenommen wird.
Meine Therapeutin Andrea Stoffers vom Zentrum Mensch in Neuss beschreibt die beiden Varianten der Anliegenmethode in einem Artikel des Magazins Freie Psychotherapie (02/2012) wie folgt:
Die Aufstellungsarbeit von Prof. Dr. Franz Ruppert ist eine wirkungsvolle Methode, um die psychische Spaltung zu erkennen, sich Stück für Stück zusammen mit dem Klienten heranzutasten und letzthin durch Erkennen, Benennen und Fühlen, Kontakt zu den abgespaltenen Personenanteilen aufzunehmen. Durch eigene, authentische Gefühle zu sich selbst können die Selbstheilungskräfte aktiviert und dadurch die Spaltung geheilt werden.
Der Therapeut begleitet den Klienten behutsam Schritt für Schritt, immer im Bewusstsein, die Geschichte und das Arbeitstempo des Klienten anzuerkennen. In der Einzelarbeit stellt sich der Therapeut als Anliegen zur Verfügung, ist dem Menschen ein neutraler Spiegel. In gruppentherapeutischen Sitzungen „liest“ er die Aufstellungen, begleitet klar und transparent, statt zu lenken.
Ich persönlich bevorzuge die Arbeit in der Gruppe, weil mein Anliegen durch mehrere Resonanzgeber gespiegelt wird, die miteinander interagieren können. Dadurch kann ich die Zusammenhänge und Dynamiken meiner abgespaltenen Anteile leichter erkennen.
Bisher habe ich in der Gruppe 11 eigene Anliegen aufgestellt und an über 50 Aufstellungen anderer Menschen teilgenommen. Damit Du Dir ein Bild von so einer Gruppensitzung machen kannst, möchte ich den Ablauf nachfolgend skizzieren.
Ablauf einer Gruppensitzung
Bei der Gruppentherapie komme ich mit einer Gruppe von Menschen zusammen, die von einem Therapeuten oder in meinem Fall einer Therapeutin angeleitet wird, die in der Methode ausgebildet ist. Als Klientin bringe ich ein selbst gewähltes Anliegen mit, welches ich an eine Tafel anschreibe.
Ich wähle dann drei Worte aus diesem Anliegen aus, die ich aufstellen möchte, denn ich darf aus der Gruppe drei Personen als Resonanzgeber aufstellen. Zunächst schreibe ich aber die Worte auf drei kleine Zettel, die als Namenschilder für die Resonanzgeber dienen sollen.
Im nächsten Schritt wähle ich dann die Resonanzgeber aus. Ich gehe auf die entsprechende Person zu und frage sie, ob sie bereit ist, mit meinem Anliegen-Wort in Resonanz zu gehen. Willigt die Person ein, befestigt sie den Zettel mit dem Wort an ihrer Kleidung, sodass die Therapeutin den Prozess gut begleiten kann.
Nun habe ich noch einen Moment Zeit, um mich auf die Aufstellung einzustimmen. Erst wenn ich meine Bereitschaft äußere, beginnt der Prozess.
Zu Beginn bleibe ich noch in der Beobachterrolle, indem ich schaue, wie sich die Resonanzgeber verhalten. Vielleicht legt sich jemand auf den Boden oder läuft ruhelos durch den Raum. Vielleicht geschieht auch gar nicht viel. Nach einer Weile, meist durch ein Zeichen meiner Therapeutin, trete ich in Aktion. Ich werde nun Teil der Aufstellung, indem ich nacheinander auf die Resonanzgeber zugehe, um mit ihnen Kontakt aufzunehmen.
Begegnung meiner Anteile
Ganz intuitiv gehe ich zunächst auf den Resonanzgeber zu, der mich momentan am meisten anzieht. Vielleicht, weil er oder sie sich am auffälligsten verhält oder weil es scheint, als brauchte er oder sie meine Aufmerksamkeit. Ich frage den Resonanzgeber dann nach seinen Gefühlen und gebe Rückmeldungen zu den Äußerungen, wenn ich das Beschriebene selbst sehr gut kenne. Auf diese Weise kann ich herausfinden, ob ich es mit einem Anteil von mir selbst zu tun habe oder nicht. Ich bin in Aufstellungen auch schon Anteilen meiner Eltern oder meines Bruders begegnet.
Wenn es ein Anteil von mir ist, frage ich auch nach dem Alter, um herauszufinden, um welche Kindheitserfahrungen es geht. Es können aufschlussreiche Dialoge entstehen und die Anteile lassen mich wissen, was sie gerade benötigen, sofern es ihnen selbst bewusst ist.
Während ich dann zum nächsten Resonanzgeber gehe, um ihn zu befragen, kann es zu sichtbaren Veränderungen bei den übrigen Anteilen kommen. Häufig ist das auch der Fall, wenn ich selbst mit Gefühlen in Kontakt komme. Ein klassisches Bild könnte sein, dass, wenn ich den Schmerz eines Kind-Anteils von mir fühle, dann der Anteil zur Ruhe kommt, der sich versucht abzulenken, um den Schmerz nicht zu fühlen.
Durch diese Form der Selbstbegegnung mittels Anliegen spiegeln mir andere Menschen, wie es in meiner Psyche aussieht. Wenn ich mich selbst darin wiedererkenne (damit in Resonanz gehe), wird eine Aufhebung der traumabedingten Spaltung möglich, sofern ich das auch will.
Immer wieder bin ich beeindruckt davon, wie sehr ich mich in dem wiedererkenne, was die Resonanzgeber mir spiegeln. Sie beschreiben Empfindungen und Gefühle, die mich tatsächlich sehr belasten oder benutzen Worte und Sätze, die ich aus meiner Familie sehr gut kenne. Es klingt fast wie Magie, aber eigentlich macht es nur deutlich, dass wir Menschen alle miteinander in Verbindung stehen.
Identitätsorientierte Psychotraumatherapie und seine Wirkung
Während andere Therapiemethoden sich als nützlich erweisen, um Verhaltensweisen zu fördern, die zu mehr Stabilität beitragen packt die Aufstellungsmethode auf Basis von identitätsorientierter Psychotraumatherapie das Problem an der Wurzel an. Du stellst ein Anliegen zu einem Thema auf, was Dich in Deinem aktuellen Leben gerade beschäftigt und findest heraus, welche unbewussten Traumatisierungen die Ursache sind. Allein durch das Bewusstwerden geschieht schon eine Veränderung. Vor allem aber durch das in Kontakt kommen mit den entsprechenden Gefühlen.
Ich habe noch keine Therapieform kennengelernt, die mir so schnell und unkompliziert Zugang zu meinen Traumagefühlen ermöglicht. Und das in einem sicheren Raum, indem ich mit Verbündeten gemeinsam aufstelle. Außerdem ermöglicht diese Methode, die eigenen Überlebensmechanismen aufzudecken und zu begreifen. Wenn ich meine Überlebensstrategien durch die Resonanzgeber so klar vor Augen geführt bekomme, weiß ich im Anschluss genau, welche Veränderungen es braucht, um mich liebevoll meinen Gefühlen zuzuwenden.
Dadurch kommt es zu einer Stärkung meiner gesunden Ich-Anteile. Im Alltag drückt sich das so aus, dass ich meine Bedürfnisse besser erkenne und mich von denen anderer Menschen auf gesunde Weise abzugrenzen lerne. Für mich ist es fast so, als ob ich erst jetzt wirklich erwachsen werde und im Hier und Jetzt und in meinem eigenen Körper ankomme. Denn jetzt lerne ich wieder oder vielleicht sogar zum ersten Mal wirklich Verantwortung für mein Leben zu übernehmen.
Braucht es eine zusätzliche Therapie?
Umgang mit Traumagefühlen
Als ich im Jahr 2019 angefangen habe, mit dieser Methode zu arbeiten, fühlte ich mich nach den Sitzungen manchmal überfordert und allein mit all den neuen Erkenntnissen und Gefühlen. Durch das in Kontaktkommen mit Traumagefühlen fehlte mir zeitweise der Zugriff auf meine erwachsenen Ressourcen, mit denen ich mich hätte stabilisieren können. Zeitweise griff ich dann auf alt bewährte Schutzstrategien zurück und versuchte mich abzulenken oder zu betäuben.
Was mir fehlte, war eine Therapeutin, die mich auch nach den Aufstellungen in meinen Prozessen begleitete.
Damit Du es von Anfang an leichter hast, möchte ich Dir also eine Begleittherapie dringend empfehlen. Im Idealfall mit dem gleichen Therapeuten, der die Aufstellungen leitet. Bei mir war das leider nicht realisierbar, weil das Zentrum Mensch in Neuss zwei Stunden von meinem Wohnort entfernt ist.
Falls auch Du Dir anderweitig Unterstützung suchen musst, solltest Du darauf achten, dass die Person mit Traumatherapie vertraut ist. Therapeuten anderer Ausrichtungen können nämlich schon mal davon abraten, an die alten Traumagefühle heranzutreten. Wenn Du jedoch verstanden hast, wie Trauma funktioniert, weiß Du auch, dass kein Weg an den Gefühlen vorbeiführt.
Phasen der Gefühlsintegration
Mittlerweile habe ich für mich einen guten Umgang mit den Nachwirkungen einer Aufstellung gefunden. Ich beobachte fast jedes Mal, dass sie sich in drei Phasen unterteilen:
1. Gefühlstaubheit/Dissoziation
An den Tagen direkt nach der Aufstellung habe ich oft gar keinen Zugang zu meinen Gefühlen. Ich denke, dass es eine unbewusste Schutzstrategie ist, die mir nach der Konfrontation mit den Traumagefühlen während der Aufstellung zu etwas Ruhe verhelfen will.
2. Starke Gefühlsreaktionen (Angst, Schock, Hilflosigkeit, Trauer, Wut etc.)
Nach einigen Tagen kommen dann die in der Aufstellung aufgedeckten Gefühle wieder zum Vorschein und ich habe die Möglichkeit, sie in ihrer vollen Intensität durchzufühlen.
3. Integration der Gefühle/Stabilisierung
Wenn ich keinen Widerstand gegen meine Gefühle leiste und mir stattdessen Zeit nehme, um mich mir selbst zuzuwenden, können die abgespaltenen Gefühle sich wieder integrieren. Diese Phase geht bei mir auch oft mit wichtigen Erkenntnissen und nachhaltigen Verhaltensänderungen einher.
Was ist Dein Anliegen?
Wenn auch Du mit belastenden Themen oder ungeklärten Fragen in Deinem Leben konfrontiert bist, kann die identitätsorientierte Psychotraumatherapie Dir mit Sicherheit weiterhelfen. Du kannst ohne Weiteres Deinen körperlichen und psychischen Symptomen auf den Grund gehen und zeitgleich die Entwicklung einer gesunden Identität fördern. Das einzige, was Du brauchst, ist ein klares Anliegen und etwas Mut!
Weil ich so gute Erfahrungen mit meiner Therapeutin Andrea Stoffers vom Zentrum Mensch gemacht habe, komme ich nicht drumherum Sie weiterzuempfehlen!
Unter der Leitung von Andrea fühle ich mich in den Aufstellungen gut begleitet und unterstützt. Sie lässt genug Raum für eigene Erkenntnisse und gibt zur rechten Zeit Impulse, wenn ich im Prozess feststecke. Vor allem bewundere ich ihre Fähigkeit, immer genau zu erkennen, welche Anteile sich bei einer Aufstellung zeigen.
In meinen Augen ist Andrea eine sehr kompetente Therapeutin mit einer authentischen und direkten Art, die ich sehr sympathisch finde. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund und steht trotzdem an den richtigen Stellen einfühlsam zur Seite. Weil ich mich so gut bei ihr aufgehoben fühle, werde ich auch weiterhin die Strecke nach Neuss auf mich nehmen, um von meinen Traumata ganz zu werden.
Wenn Neuss für Dich nicht gut zu erreichen ist, findest Du über die Empfehlungsliste von Dr. Franz Ruppert weitere Therapeuten in Deiner Nähe.
Hast Du bereits Erfahrungen mit Aufstellungen gemacht? Vielleicht sogar mit der Anliegenmethode? Welche Erkenntisse hast Du daraus gewonnen? Ich freue mich, wenn Du mich in einem Kommentar an Deinen Einsichten teilhaben lässt.
Schön, dass Du da bist!
Quellenverweise:
Ruppert, Franz (2019): Liebe, Lust und Trauma: Auf dem Weg zur gesunden sexuellen Identität, 1. Aufl., München
Ruppert, Franz (2017): Symbiose und Autonomie: Symbiosetrauma und Liebe jenseits von Verstrickungen. 5. Aufl., Stuttgart
Ruppert, Franz (2012): Trauma, Angst und Liebe: Unterwegs zu gesunder Eigenständigkeit. Wie Aufstellungen dabei helfen, 6. Edition, München
Ruppert, Franz (2019): Wer bin ich in einer traumatisierten Gesellschaft?: Wie Täter-Opfer-Dynamiken unser Leben bestimmen und wie wir uns daraus befreien, Stuttgart
Stoffers, Andrea (2012): Trauma-Aufstellungen. Eine psychotherapeutische Methode in der Praxis. Abgerufen am: 13.07.21, von https://www.vfp.de/magazine/freie-psychotherapie/alle-ausgaben/heft-02-2012/trauma-aufstellungen
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